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Prozess gegen „Knockout 51“Wenn Rechtsextreme Linke „zerhacken“ wollen

Die rechtsextreme Kampfsporttruppe „Knockout 51“ wollte Linke in Thüringen töten. Nun sind mehrere Neonazis in Jena angeklagt – nicht das erste Mal.

Angeklagter im Prozess gegen die Neonazi-Kampfsportgruppe „Knockout 51“ vor Gericht in Jena Foto: Martin Schutt/dpa

Jena taz | Kevin N. lächelt in den Bereich der Zuschauer:innen. In der letzten Reihe des achten Saales im Oberlandesgericht Jena sitzen an diesem Montagmorgen ein paar Bekannte des 26-jährigen Neonazis aus Eisenach und nicken grüßend. Sie tragen Zeichen der rechtsextremen Szene als Tattoos, etwa die Schwarze Sonne.

Seit dem 14. Dezember sitzt Kevin N. in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, Mitglied und Rädelsführer in der kriminellen und terroristischen Vereinigung „Knockout 51“ gewesen zu sein.

Mit auf der Anklagebank sitzen Marvin W., ebenfalls mutmaßliches Mitglied und seit vergangenem Dezember in U-Haft. Außerdem angeklagt: Patrick Wieschke, langjähriger Landesvorsitzender der rechtsextremen Partei NPD, die mittlerweile „Heimat“ heißt. Er soll die Gruppe gefördert haben.

„Knockout 51“ bildete sich in der NPD-Zentrale in Eisenach. Dort trainierten Mitglieder Kampfsport, um auf der Straße oder bei Demonstrationen Linke oder Po­li­zis­t:in­nen zu verprügeln. In Eisenachs Nordstadt versuchten sie einen „Nazi-Kiez“ zu errichten. Laut Anklage vernetzten sich die Mitglieder auf Kampfsport-Events und besorgten sich eigene Waffen. Die Gruppe soll laut Anklage zudem gezielt Auseinandersetzungen mit Linken provoziert haben, um diese in vermeintlicher Notwehr zu töten.

Anlaufstelle NPD

Um die Anklage zu verlesen, brauchte die Bundesanwaltschaft 41 Minuten. Kevin N. war demnach maßgeblich an der Gründung von „Knockout51“ beteiligt, leitete teilweise das Training und hielt Vorträge über „Genderwahn“, Black Lives Matter oder Ausländer in Deutschland. Marvin W. hat auf seiner rechten Hand die Zahl 51 tätowiert. Er hat sich mutmaßlich am Bau einer Waffe beteiligt, die in ihrer Wirkung einer Maschinenpistole ähneln soll. Außerdem soll er die Tötung von Linken geplant haben.

Der dritte Angeklagte Patrick Wieschke hat mutmaßlich den jungen Neonazis Räume geboten, in denen sie trainieren und ihre Waffen verstecken konnten: Schlagstöcke, Macheten, Messer, Äxte, um Linke zu „zerhacken“. Der 43-jährige Politiker gehört zu den aktivsten Rechtsextremisten in Deutschland, war schon kurz nach der Wende in seiner Heimatstadt Eisenach aktiv. Als allerdings im März 2024 öffentlich wurde, dass Wieschke bei der Bundesanwaltschaft bezüglich „Knockout 51“ ausgesagt hatte, stoppten seine Ka­me­ra­d:in­nen ihre Unterstützungskampagne.

Im Juli 2024 wurden bereits vier führende „Knockout 51“-Mitglieder in Jena zu bis zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Kurz nach der Verkündung erklärte die Bundesanwaltschaft, beim Bundesgerichtshof Revision eingelegt zu haben. Die erste Verhandlungsrunde ist also noch nicht abgeschlossen.

Am Montag hört im Gerichtssaal auch Felix Steiner zu, Sprecher der Mobilen Beratung in Thüringen. Schon seit 2015 habe es die Vorläuferstrukturen von „Knockout 51“ in Eisenach gegeben, berichtet er nach der Verhandlung der taz. Wieschke sei schon damals als Ziehvater des Neonazi-Nachwuchses aufgetreten.

Nicht nur zweite Reihe

„Kevin N. taucht seit spätestens 2013 in der Neonazi-Szene auf und war seither eine prägende Figur in Eisenach“, sagt Steiner. Er wundere sich deshalb, dass der junge Neonazi erst jetzt auf der Anklagebank sitze und nicht schon bei der ersten Verhandlungsrunde dabei war. Deswegen sei es nicht zutreffend, dass jetzt nur die „zweite Reihe“ von „Knockout 51“ vor Gericht stehe.

Für die nächsten acht Monate sind bereits weitere Prozess­tage festgelegt. Der erste endete nach der Verlesung der Anklageschrift.

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