Prozess gegen „Gruppe S.“: Ein unwissender Mittelalterfan?
Im Prozess gegen die mutmaßlich rechtsterroristische „Gruppe S.“ gibt sich ein Angeklagter naiv. Er will vom Ziel der Bande nichts gewusst haben.
Thorsten W., grüner Parka, blaues T-Shirt, die blonden Haare Siegfried-mäßig schulterlang, macht seine Aussage am Dienstag, dem dritten Verhandlungstag. Auf der Anklagebank sitzt er mit elf Männern im Alter zwischen 33 und 62 Jahren, mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen „Gruppe S“.
Laut Anklage der Bundesanwaltschaft sollen sie Überfälle auf Moscheen und Politiker geplant haben, um bürgerkriegsähnliche Zustände herbeizuführen. Bei Durchsuchungen der Privatwohnungen der Mitglieder fand die Polizei scharfe Waffen und Munition. Um weitere Schusswaffen für ihren Plan beschaffen zu können, soll bei dem Treffen in Minden vereinbart worden sein insgesamt 50.000 Euro aufzubringen.
Doch von alldem will Thorsten W. weder im Chat, in dem laut Anklageschrift unmissverständliche Botschaften ausgetauscht wurden, noch auf dem Treffen in Minden etwas mitbekommen haben. Er sei sich dort als Außenstehender vorgekommen. Mit seinem Job im öffentlichen Dienst habe er in dem Kreis Misstrauen ausgelöst. Nur die Intervention seines Bekannten N. hätte verhindert, dass über seine Anwesenheit abgestimmt wurde.
Nachrichten von Martin Sellner und „PI News“
Worum es bei dem Treffen gegangen sei, will W. lange nicht verstanden haben. Zwar sei es am Rande zwischen dem Anführer der Gruppe Werner S. und einem anderen darum gegangen, wie man eine Waffe beschaffen könne. Offenbar kein Grund zum Misstrauen für W. Ja, von Geld sei die Rede gewesen, aber so wie er es verstanden habe, sollte davon ein „Vereinsheim“ finanziert werden. Was das für ein Verein sein könnte, bleibt unklar. Geld zu geben habe er entschieden abgelehnt: „Ich war pikiert, weil die Leute, die mich erst nicht dabeihaben wollen, mich jetzt nach Geld fragen.“
Erst als Paul U., ausgerechnet der Mann, der im Prozess als Kronzeuge auftritt, Anschläge auf Moscheen in die Diskussion gebracht habe, will W. erschüttert gewesen sein. Er habe widersprochen: „Doch nicht so was wie Christchurch? Lasst das!“ Bald darauf habe er das Treffen vorzeitig verlassen.
Thorsten W. ist einer von nur zwei Angeklagten, die eine Aussage angekündigt haben. Die anderen schweigen bisher. Er ist sichtbar bemüht, seine Rolle kleinzureden und keine Mitangeklagten zu belasten. Er bekenne sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, beteuert W., gibt dann aber als Quellen, aus denen er sich politisch informierte, ganz normale alternative Medien“ wie den Gründer der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, und „PI News“ an.
Auch bei der Polizeiverwaltung Hamm ist man nach Medienberichten inzwischen sicher, lange Jahre einen Rechtsextremen und Reichsbürger beschäftigt zu haben. Seine frühere Verwaltungstätigkeit bei der Vergabe von Waffenscheinen wurde auf Unregelmäßigkeiten überprüft.
Es ist offen, ob der Hauptbelastungszeuge Paul U., der trotz Zeugenschutzprogramm weiter angeklagt ist, aussagen wird. Ein Gutachter soll die Schuldfähigkeit von ihm und S. beurteilen. Wegen der vielen Zeugen könnte sich das Verfahren bis ins nächste Jahr ziehen.
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