Prozess gegen Bülent Ciftlik: Viele Wahrheiten
Im Mittelpunkt des Scheinehe-Verfahrens um den SPD-Politiker steht die Glaubwürdigkeit seiner Ex-Geliebten und nun auch geständigen Mitangeklagten Nicole D.
Der Showdown steht unmittelbar bevor. Wenn am heutigen Freitag im Amtsgericht St. Georg nach zweiwöchiger Pause das Scheinehe-Verfahren gegen Nicole D., Kenan T. und Bülent C. neu beginnt, geht es nicht nur darum, ob ein türkischer Mitbürger eine Deutsche geheiratet hat, um ein Bleiberecht zu erlangen. Es geht in dem Verfahren vor allem um die politische Zukunft des ehemaligen SPD-Sprechers Bülent Ciftlik, dessen Abgeordnetenmandat in der Bürgerschaft ruht und der - im Falle seiner Verurteilung - möglicherweise vor dem Rauswurf aus der SPD steht. Es geht um die Karriere und die Ehre eines Mannes, der noch vor einem Jahr als Hoffnungsträger der SPD galt und für den inzwischen in vielen Medien und auch bei manchem Genossen die Unschuldsvermutung nicht mehr existiert.
Die Fronten sind nach der Anklageverlesung klar. Am 25. März diesen Jahres legte die 33-jährige Nicole D. ein umfangreiches Geständnis ab, räumte ein, sie habe mit Kenan T. eine Scheinehe geführt und beschuldigte Ciftlik, diese vermittelt zu haben. Die beiden Männer aber bestreiten diesen Vorwurf vehement. Eine Heirat aus Liebe sei es gewesen und Ciftlik habe diese mitnichten eingefädelt. Aussage steht gegen Aussage - doch das Geständnis von Nicole D. wiegt schwer.
Die Beschuldigte ist Kronzeugin gegen ihre beiden Mitangeklagten. Klar ist: Die Verteidiger von Kenan T. und Bülent Ciftlik werden im Verfahren versuchen, die Glaubwürdigkeit von Nicole D. grundlegend zu erschüttern. So wird es in dem Prozess darum gehen, wie beweisrelevant die Beteuerungen einer Frau sind, die ihre Aussagen immer wieder revidiert hat. Die ihre Vermählung erst als Liebesheirat darstellte und dann im Rahmen einer Hausdurchsuchung behauptet haben soll, nur eine Scheinehe zu führen. Die anschließend in einer schriftlichen Einlassung behauptete, man habe ihr das Wort im Mund umgedreht und zu Papier brachte, Ciftlik habe sie keinesfalls zu der Eheschließung überredet. Die schließlich im Januar an Eides statt erklärte, mit ihrem Mann Kenan T. zusammengelebt und von diesem nie Geld dafür erhalten zu haben, dass sie ihn heiratete. Die weitere zwei Monate später dann die Scheinehe gestand und Ciftlik der Anstiftung beschuldigte. Und von der vor zwei Wochen eine Mail auftauchte, in der sie ihr Geständnis widerrief, über deren Echtheit es aber Zweifel gibt. Es gibt viele einander widersprechende Wahrheiten der Nicole D. von denen für ihren Verteidiger Johann Schwenn und die Staatsanwaltschaft nur eine relevant ist: Die in ihrem Geständnis. Denn warum sollte sich Nicole D. ohne Not selbst belasten?
Es könnte Gründe dafür geben. Schon zum Auftakt des Verfahrens wurde deutlich, dass Nicole D. nichts mehr fürchtet, als dass ihr öffentlich der Prozess gemacht wird. Johann Schwenn hat - wenn auch vergebens - zuletzt alles versucht, das Verfahren gegen Nicole D. von dem gegen ihren Ehemann und Ciftlik abzutrennen. Davor strebte er die Beendigung des Verfahrens gegen seine Mandantin per Strafbefehl samt Geldstrafe an, wofür aber ein Geständnis von Nicole D. notwendig gewesen wäre.
Ein zweiter möglicher Grund: Aus den Prozessakten geht hervor, dass Nicole D., die vor Jahren eine Affäre mit Ciftlik hatte, ihre Gefühle zu dem SPD-Politiker nie wirklich geklärt hat und sich ihm auch noch während ihrer Ehe in Hassliebe verbunden fühlte. Bohrende Eifersucht, verschmähte Liebe und späte Rache - das wären klassische Motive für falsche, Ciftlik schwer belastende Beschuldigungen. Es gibt Indizien, dass Nicole D. nur wenige Tage vor ihrem Geständnis erfuhr, dass es im Leben des SPD-Politikers eine andere Frau gibt. Und auch die Mail spricht die Sprache der Rache gegenüber dem Ex-Geliebten. Während die Verteidiger Ciftliks keine Zweifel an ihrer Echtheit haben, geht Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers allerdings "weiterhin davon aus, dass sie nicht von Frau D. stammt".
Fest steht: In dem Verfahren wird jede Menge schmutzige Wäsche gewaschen und das Privatleben der Beschuldigten an die Öffentlichkeit gezerrt werden. Beschädigt werden damit alle Angeklagten - egal, wie letztendlich das Urteil lautet.
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