Protokoll Arbeit und Corona: „Ohne Publikum kein Puppenspiel“
Antje König ist Puppenspielerin und Gründerin des Hermannshoftheater in Wümme. Sie fürchtet, Corona ersetze Theater durch andere Medien.
Antje König: „Ich bin gerade auf Hiddensee, um ein neues Stück zu proben. Es ist meine Hauptarbeit, ein neues Stück zu erfinden, und es ist äußerst deprimierend, wenn man eigentlich nicht weiß, ob das je gespielt werden darf. Mein Mann und ich sind der Kern des Theaters. Wir haben es 2002 hier auf dem Hermannshof gegründet, daher hat es seinen Namen.
Wenn wir neue Inszenierungen machen, haben wir relativ viele Leute, die da mitarbeiten, einen Regisseur, einen Ausstatter, eine Kostümbildnerin und eine Bühnenmalerin. Sie bekommen ein Honorar, und das ist im Moment noch möglich, weil wir für diese Inszenierung noch Fördergelder bekommen haben. Aber wenn wir keine neuen Stücke mehr machen, dann wird es diese Leute natürlich auch betreffen.
Wir haben Coronahilfe bekommen, aber auch wenn man die einberechnet, sind 2020 etwa 50 bis 60 Prozent des Umsatzes weggebrochen. Für den Dezember haben wir den halben Umsatz als Verlust gerechnet, da wir bis vor ein paar Tagen noch die Hoffnung hatten, dass wir mit Auflagen werden spielen können. Aber das scheint wohl leider nicht in Erfüllung zu gehen.
Anfang Dezember hätte die Premiere des „Gestiefelten Katers“ sein sollen, unsere Hauptsaison ist von Dezember bis Februar, und das wird wohl alles nicht stattfinden. Mit einer finanziellen Unterstützung ist mir da letztendlich nicht gedient, weil ich mein höchstes Anliegen im Leben nicht ausüben kann: mich ans Publikum zu wenden.
Die Pandemie hat für viele Menschen Arbeit und Einkommen verändert – oft negativ, manchmal auch positiv. In den nächsten Wochen lassen wir hier jene zu Wort kommen, die Corona direkt im Arbeitsalltag und auf dem Konto spüren. Weitere Texte aus der Serie finden Sie hier.
Viele sagen: „Warum machen Sie denn nichts im Internet, das machen jetzt so viele?“ Aber das lässt sich nicht ins Internet übertragen und es ist auch nicht mein Anliegen, zu diesem Riesenwust noch etwas hinzuzufügen.
Das Puppenspiel ist eine Kunst, die nur in der Wirklichkeit mit tatsächlich anwesenden Personen funktioniert. Der Spieler verlagert seine Konzentration in die Puppe und schickt sie durch die Puppe hindurch ins Publikum – und dann kommt eine Resonanz aus dem Publikum zurück.
Es gibt Leute, die jetzt nachfragen: „Wann spielen Sie denn wieder?“, und „Ach, wie schade“, aber die Leute sind auch sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. In der ersten Coronaschließung gab es Leute, die uns Karten-Geld gespendet haben, das war eine freundliche Geste. Aber der Atem ist ausgehaucht.
Vor dem zweiten Lockdown haben wir noch ein paar Vorstellungen gespielt in ganz winzigem Kreise. Normalerweise können wir 30 Leute in unseren Saal lassen, durch die Abstandbestimmungen haben wir das auf 13 reduziert. Und die Leute waren so dankbar, dass sie das noch erleben können.
Mit 1,50 Meter Abstand und Maske kann doch nichts passieren. Das Totalverbot ist für mich völlig irrsinnig. Aber man hat schon so ein bisschen die Hoffnung verloren. Viele Leute ersetzen sich das Theater durch andere Medien. Viele wird es nachher nicht mehr geben. Die Wahrnehmung der Dinge wird sich verändern, die Menschen werden andere werden und das ist meine Hauptangst.“ Protokoll: Friederike Gräff
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