Protestsong gegen Homophobie: „Wir umarmen sie“
Eine Aktivistengruppe um Johannes Kram unterstützt mit einem Popsong die russische LGBTI-Szene. Das Lied trotzt dem strikten Propaganda-Verbot.
taz: Herr Kram, mit dem Lied „Love is not for propaganda“ wollen Sie gegen Homophobie, insbesondere in Russland protestieren. Warum so ein eingängiger Popsong? Ist das nicht zu brav?
Johannes Kram: Danke für das Kompliment. Genau das hatten wir uns vorgenommen: ein eingängiger Pop-Song! Er wird gerade auf der ganzen Welt herunter geladen. Ich finde brav sein ganz schön subversiv. Die Community ist vielfältig, jede und jeder ist auf eigene Art brav oder eben nicht. Der Song will nicht provozieren, sondern versucht das in den Vordergrund zu stellen, was verbindet. Wir irritieren die Homo-Hasser nicht, indem wir sie beschimpfen. Sondern, in dem wir sie umarmen.
Das Lied soll auch in Clubs laufen. Wie politisch ist Clubkultur?
Clubkultur ist individualistisch und kollektivistisch zugleich. Nur weil sich das, was da passiert, nicht mit den üblichen politischen Kategorien von gesellschaftlichen Gruppen und Interessen greifen lässt, heißt das noch lange nicht, dass es nicht politisch ist. Im Gegenteil. Die eigene Vorstellung einer besseren Welt ist dann politisch, wenn sie mit anderen Menschen geteilt wird.
Warum ist Protest auch außerhalb Russlands wichtig?
Auf die Heteros können wir uns nicht verlassen. Für IOC Präsident Bach ist Sotschi kein Problem, weil Putin zugesichert hat dass während der Spiele keine Homosexuellen verfolgt werden. Er hat nichts verstanden. Das Olympische Feuer in Sotschi wird missbraucht, um die Verfolgung Homosexueller zu verklären. Da müssen wir dagegen halten.
46, hat „Love is not For Propaganda“ getextet und zusammen mit den beiden Komponisten Sebastian Pagel und Florian Ludewig produziert. Kram ist Verfasser des „Waldschlösschen-Appells“ gegen Homophobie in den Medien und Betreiber des Nollendorfblogs.
Kann die Musik Putin erreichen?
Zumindest mehr als fast alle anderen Formen des Protestes. Um es mit Joy Fleming zu sagen: „Ein Lied kann eine Brücke sein“. Der Song ist ganz normal im russischen iTunes Store erhältlich. Übrigens samt Cover mit unserer Regenbogenflamme. Es flutscht also offensichtlich durch eine Lücke der strikten „Propaganda-Gesetze“. Es geht aber auch nicht um Putin. Politik ist homophob aus machtstrategischen Gründen. Da hilft nur Gegenmacht, also Druck. Aber die Menschen selbst sind homophob aus Unwissenheit, Angst und Unsicherheit. Musik macht locker.
Am Freitag, 7. Februar, startet die Initiative „Enough is Enough!“ die „Rainbow Flame“, die während der ganzen Olympischen Spiele am Potsdamer Platz in Berlin brennt. „Love is not for propaganda“ ist Teil dieser Aktion.
Wohin gehen die Einnahmen aus dem Verkauf?
Wir spenden alles an russiche LGTBI-Projekte. Welche das sein werden, entscheiden die Leute von „Enough is Enough“. Sie sind im Kontakt mit russischen Aktivisten und haben eine riesige Unterstützer-Community im Internet im Rücken, die aufpasst, dass alle Mittel so sinnvoll wie möglich eingesetzt werden.
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