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Proteste indischer RingerinnenDie Medaillen fliegen in den Ganges

Indische Sportlerinnen werfen dem Ringerverband sexuelle Belästigung junger Frauen vor. Ihr Protest wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst.

Die Ringerin Vinesh Phogat soll von der Polizei festgenommen werden, 28. Mai 2023 Foto: imago/Hindustan Times

Mumbai taz | An den Händen und Füßen halten sechs Polizistinnen eine junge Frau fest. Sie kann kaum atmen. „Was haben wir getan?“, fragt die indische Ringerin Sakshi Malik unter größter Anstrengung. Kurz darauf wird sie in einen Bus verfrachtet.

Sie ist an diesem Tag nicht die einzige Frau, die mit Gewalt abgeführt wird. Sie war zur Eröffnung des neuen Parlaments in die Hauptstadt Delhi gekommen, um zu demonstrieren. Es geht um den Vorwurf, dass indische Ringerinnen durch Mitarbeiter ihres eigenen Verbandes sexuell misshandelt wurden.

Am Tag der Einweihung des neuen Parlaments wollten die jungen Frauen nicht einfach auf dem vorgesehenen Protestplatz sitzen. Schließlich tragen sie schwerwiegende Vorwürfe vor: Der 66-jährige Verbandschef Brij Bhushan Singh soll junge Sportlerinnen sexuell genötigt und ihnen Sponsorengelder vorenthalten haben. Der einflussreiche Funktionär und Politiker, der Mitglied der Regierungspartei BJP ist, hat die Vorwürfe aber bisher erfolgreich zurückgewiesen.

Während der indische Premierminister Narendra Modi (BJP) eine feierliche Zeremonie mit Hindu-Preistern abhielt, saß Brij Bhushan Singh im Innern des Prachtgebäudes.

Was nützen uns die Medaillen ohne Gerechtigkeit?

Vinesh Phogat, 28, indische Ringerin

Regierung setzt auf Härte

Doch draußen wurden die Sportlerinnen gewaltsam weggezerrt und kurzzeitig verhaftet. Es sind Bilder, die viele Menschen in Indien empören. „Als Sportlerin, aber mehr noch als Frau ist es zu hart, das mit anzusehen“, äußerte sich beispielsweise die erfolgreiche Tennisspielerin Sania Mirza. „Sie haben unserem Land Lorbeeren eingebracht und wir haben sie alle gefeiert.“ Andere Sportgrößen wie Abhinav A. Bindra oder der ehemalige Cricketer Irfan Pathan schlossen sich ihr an.

Malik bedankte sich später auf Twitter für die Unterstützung. Zu Ende sei ihre Bewegung aber nicht, verkündete sie Anfang der Woche. „Die Polizei Delhis hat sieben Tage gebraucht, um ein Verfahren gegen Brij Bhushan einzuleiten, der Ringerinnen sexuell missbraucht hat, und es hat nicht einmal sieben Stunden gedauert, um einen Fall gegen uns zu eröffnen“, empört sich die 30-jährige Malik.

In der Bevölkerung wächst die Unterstützung für die protestierenden Frauen. Viele Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r:in­nen haben sich bereits mit ihnen solidarisiert. Doch die BJP-Regierung scheint entschlossen, hart zu bleiben: Inzwischen hat die Polizei Delhis gegen die Ringerinnen Anklage erhoben, unter anderem wegen Ruhestörung. Auf dem Jantar Mantar, dem offiziellen Protestplatz in Delhi, werden die Sportlerinnen nur noch mit spezieller Erlaubnis geduldet.

Lange war es um sie dort weitgehend friedlich gewesen, bis sie sich in der letzten Aprilwoche wieder versammelt haben. Ohne Gerechtigkeit wollen sie diesmal nicht nach Hause gehen. Anfang des Jahres gab es schon einmal Proteste der Ringerinnen. Sie hatten einen offenen Brief an das Olympische Komitee Indiens (IOA) geschickt. Vor allem forderten sie dort, dass sich die IOA neue aufstellt und künftig Ath­le­t:in­nen in die Entscheidungen eingebunden werden. Die Sport­le­r:in­nen erhielten das Versprechen, dass ein Komitee die Vorwürfe aufklären würde. Seither hat sich nicht viel getan, sagen die Ringerinnen jetzt. Deshalb sind sie wieder auf den Protestplatz gezogen.

Erst vier Monate nach Beginn der Proteste wies das Oberste Gericht die Polizei von Delhi an, ein Ermittlungsverfahren gegen Brij Bhushan einzuleiten. „Was nützen die Medaillen um unseren Hals, wenn wir nicht für Gerechtigkeit kämpfen können?“, fragte die 28-jährige Ringerin Vinesh Phogat mehrmals. Wie viele andere Frauen musste sie all die Jahre stillschweigend wegen eines Mannes leiden. Warum Brij Bhushan geschützt werde, wisse niemand, sagen die Frauen. Der Frust unter den Rin­ge­rinnen ist mittlerweile so groß, dass sie am Dienstag verkündeten, ihre Medaillen in den heiligen Fluss Ganges werfen zu wollen.

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