Proteste in der Türkei: Ein Todesopfer bestätigt
Ein Auto rast am Sonntagabend in Istanbul in eine Gruppe Demonstranten. Dabei wird einer der Aktivisten tödlich verletzt.
ISTANBUL afp | Bei den anhaltenden Massenprotesten in der Türkei ist nach Angaben von Ärzten ein junger Demonstrant in Istanbul getötet worden. Mehmet Ayvalitas sei ums Leben gekommen, als ein Auto am Sonntagabend in eine Menge von Demonstranten raste, teilte die Vereinigung der türkischen Ärzte (TBB) am Montag mit. Deutschland und die EU mahnten die türkischen Sicherheitskräfte zur Zurückhaltung, während der türkische Präsident Gül den Demonstranten Entgegenkommen signalisierte.
Ayvalitas, Mitglied einer linken Organisation, habe an der Blockade einer Stadtautobahn teilgenommen im Istanbuler Distrikt Pendik teilgenommen, berichtete die Ärztevereinigung. Als ein Auto in die Menge raste, sei Ayvalitas tödlich verletzt worden. Der Fahrer des Wagens habe trotz Warnungen nicht angehalten. Schuld am Tod des jungen Mannes sei die „Unnachgiebigkeit“ der Regierung. „Als erstes muss jetzt sofort die Polizeibrutalität gestoppt werden“, erklärte die Ärzteorganisation.
Das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstrationen löste auch in Berlin und Brüssel Besorgnis aus. „Ein rechtsstaatliches Verständnis erfordert auch, dass die Sicherheitsbehörden stets verhältnismäßig und angemessen vorgehen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierte einen „unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt“.
Istanbul ist seit Freitag Schauplatz heftiger Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizei. Auslöser war die gewaltsame Auflösung von Protesten gegen den Bau eines Einkaufszentrums im beliebten Gezi-Park. Aus Solidarität mit den Demonstranten in Istanbul gab es auch in zahlreichen anderen Städten Proteste, die sich zunehmend gegen die Regierung richteten. Die Demonstranten werfen Erdogan einen autoritären Regierungsstil vor sowie den Versuch, die Gesellschaft zu islamisieren.
Ärztevereinigungen und Menschenrechtsorganisationen berichteten von mehr als tausend Verletzten bei den Protesten allein in Istanbul und mindestens 700 in Ankara. Innenminister Muammer Güler sprach von 58 Zivilisten und 115 Sicherheitskräften, die verletzt worden seien.
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