Proteste in der Republik Moldau: Neue Unsicherheiten, alte Konflikte
In Moldau schürt Russland die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage. Und spielt mit den Kriegsängsten der Menschen.
Vorausgegangen war dem eine Demonstration von Anhängern der Shor-Partei am 28. Februar im Zentrum der moldauischen Hauptstadt Chișinău. Dutzende vor allem ältere Frauen hatten „Nieder mit Sandu“ und „Schluss mit der Dikatur“ geschrien, hatten dabei Fotos von Präsidentin Maia Sandu zerrissen und anschließend auf ihnen herumgetrampelt. Unter dem Namen „Bewegung für das Volk“ protestierten sie gegen die pro-europäische Regierung Moldaus.
Die Demonstrant*innen konnten zwar das Rathaus Chișinăus erreichen, doch dann war Schluss. Polizei blockierte den Eingang des Gebäudes. Die moldauischen Streitkräfte verhinderten außerdem eine landesweite Mobilisierung, mehrere Busse mit Demonstrant*innen aus anderen Städten wurden „wegen Nichterfüllung der technischen Anforderungen“ noch auf dem Weg in die Hauptstadt gestoppt.
Ilan Shor selbst, Vorsitzender der nach ihm benannten Shor-Partei, verfolgte die Proteste virtuell. Der Politiker, der neben dem moldauischen auch einen israelischen Pass besitzt, lebt schon seit 2019 im Exil. Als Vertreter russischer Interessen steht er auf einer Sanktionsliste des US-Außenministeriums. Der Kreml-treue Oligarch wurde 2015 wegen Betrugs und Geldwäsche zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, weil er an dem bisher größten Korruptionsskandal in Moldau beteiligt gewesen war: Von den Konten mehrerer Banken war rund 1 Milliarde Dollar verschwunden.
Der umstrittene Politiker tritt jedoch immer wieder online auf und macht die Regierung Moldaus für die dortige Wirtschaftskrise verantwortlich: Der Einmarsch Russlands in der Ukraine hat das Land in eine Energiekrise gestürzt, die Inflationsrate liegt derzeit bei etwa 40 Prozent.
Mitte Februar traten Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița und ihr Kabinett zurück. Der neue Premierminister Dorin Recean setzt sich für eine EU-Mitgliedschaft des Landes und den Abzug russischer Truppen aus Transnistrien ein. Das Gebiet gehört völkerrechtlich zu Moldau, hat sich aber für unabhängig erklärt und wird russisch kontrolliert. Recean war von 2012 bis 2015 Innenminister und zuletzt Maia Sandus Berater für nationale Sicherheit und Verteidigung. Für Staatspräsidentin Sandu und das künftige Kabinett bedeutet der Rücktritt der bisherigen Regierung daher keinen Politikwechsel.
Provokationen aus Moskau
Moskau gießt gerne Öl ins Feuer. „Die Ukraine könnte eine Provokation mit radioaktivem Material in der Nähe von Transnistrien planen, wo Kyjiw die Spannungen bereits eskalieren lässt“, erklärte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, am 1. März in einer Stellungnahme in Moskau. Dass zum Zwecke von Provokationen angeblich Container mit radioaktiven Stoffen aus Europa in die Ukraine geliefert worden seien, um anschließend Russland dafür zu beschuldigen, hatte das russische Außenministerium bereits vorher berichtet.
Am 23. Februar hatte das russische Verteidigungsministerium gleich zweimal an einem Tag gemeldet, dass die ukrainische Armee angeblich eine bewaffnete Provokation vorbereite und einen Einmarsch nach Transnistrien plane. Das russische Außenministerium wies darauf hin, dass jede militärische Aktion in Transnistrien als Angriff auf Russland gewertet würde. Die russischen Streitkräfte, so fügte das Ministerium hinzu, würden „angemessen auf eine Provokation reagieren“, sollte es dazu kommen.
Chișinău seinerseits hatte vom ukrainischen Geheimdienst Informationen darüber erhalten, dass der Kreml plane, die politische Lage in Moldau zu destabilisieren. Nach Aussagen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski habe der Kreml jetzt damit begonnen, die Invasion Transnistriens voranzutreiben.
Neue Unsicherheiten, alte Konflikte
Die ungarische Fluggesellschaft Wizz Air, eine der größten europäischen Billig-Airlines, kündigte am 27. Februar an, dass sie ihre Flüge nach Moldau ab dem 14. März einstellen werde. Der Pressedienst des Unternehmens erklärte, die Entscheidung sei „schwierig, aber verantwortungsvoll“, angesichts der „jüngsten Ereignisse“ in Moldau und des „erhöhten Risikos“ im Luftraum des Landes. Das Unternehmen gab nicht an, auf welche Drohungen es sich bezog.
„Wizz Air ist eine ungarische Fluggesellschaft, und mit Hilfe von Viktor Orbán, seinem nützlichen Idioten in Europa, sorgt Putin dafür, dass Moldau in Unruhe gerät, dass Ausländer und ausländisches Kapital das Land verlassen“, sagte Anatol Șalaru, der ehemalige moldauische Verteidigungsminister, am 28. Februar in der Sendung „Current Time“, die von Radio Free Europe/Radio Liberty in Kooperation mit Voice of America produziert wird.
Im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine drohen alte Auseinandersetzungen in Moldau wieder aufzuflammen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 und einem einem kurzen Krieg zwischen März und August 1992 in dem nun unabhängigen Staat Moldau entstand im Osten des Landes, an der Grenze zur Ukraine, das Gebiet Transnistrien. Die selbsternannte Republik erklärte sich von Moldau unabhängig, ist bis heute international aber nicht anerkannt und wird vom russischen Militär kontrolliert. In diesem Gebiet leben knapp eine halbe Million Menschen, vor allem russischsprachige. Insgesamt leben etwas 2,5 Millionen Menschen in der Republik Moldau.
Russische Soldaten in Transnistrien
Dem Bericht „The Military Balance“ des britischen Internationalen Instituts für Strategische Studien für das Jahr 2022 zufolge sind derzeit 1.500 russische Soldaten in Transnistrien stationiert. Die Armee der nicht anerkannten Republik hat selber bis zu 8.000 Militärangehörige.
Seit dem 1. März werden Männer bis zu 55 Jahren zu einer dreimonatigen Militärmobilisierung unter Führung russischer Truppen von den transnistrischen Behörden eingezogen.
„Aber ich möchte alle beruhigen“, sagte Ex-Verteidigungsminister Șalaru. „Es wird keine Landung russischer Truppen aus der Luft in Moldau geben und keinen Angriff von transnistrischem Gebiet aus. Die Männer dort gehörten zur lokalen Bevölkerung. Es sind Offiziere, die morgens zur Arbeit kommen und abends nach Hause gehen, um ihre Kühe zu melken und auf dem Feld zu arbeiten. Sie wollen nicht gegen die Ukraine kämpfen, weil sie die Macht und die Fähigkeiten der ukrainischen Armee vor Augen haben“, so Șalaru.
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