Proteste in Warschau: Polnischer Kulturkampf auf der Straße

50.000 Menschen haben am Wochenende gegen die Manipulationen der neuen Regierung demonstriert. Mehrere Tausend hielten am Sonntag dagegen.

Jaroslaw Kaczyński, Parteivorsitzende der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit

Mächtigster Mann Polens: Jaroslaw Kaczyński, Vorsitzender der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit. Foto: dpa

WARSCHAU taz | Weiß-rote Fahnen, so weit das Auge reichte: Tausende Demonstranten marschierten am Sonntag bei Eiseskälte, Wind und Regen durch Polens Hauptstadt Warschau. Allen voran Jaroslaw Kaczyński, Parteivorsitzende der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und zur Zeit mächtigster Mann Polens.

Tags zuvor wehten auf dem Protestmarsch des Komitees zur Verteidigung der Demokratie neben den polnischen auch zahlreiche blaue EU-Flaggen. 50.000 Gegner der gerade erst seit einem Monat regierenden PiS protestierten gegen die selbstherrlich-nationalistische Machtanmaßung der neuen Minister und PiS-Abgeordneten im Parlament. Vor dem Verfassungsgericht skandierten sie „de-mo-kra-cja“ und „kon-sty-tucja“.

Kaczyński klagte in einer flammenden Rede auf dem Drei-Kreuz-Platz „die anderen“ an, politische Heuchler zu sein. Sie würden die Demokratie nicht verteidigen, wie sie behaupteten, sondern den Siegern der Parlamentswahl vom Oktober das Recht verweigern, Polen zu regieren. „Wir haben die Wahlen gewonnen, und sie erlauben uns nicht, dieses Land umzubauen. Polen muss aber umgebaut werden, und das muss ein großer Umbau sein“, empörte er sich.

Am Samstag herrschte in Warschau eine völlig andere Stimmung. Mit den Hymnen „Freude schöner Götterfunken“ und „Noch ist Polen nicht verloren“ machten sich die Menschen gegenseitig Mut. Gekommen waren Politiker der Opposition, ohne aber mit ihren Parteizeichen aufzutreten, und Zehntausende Menschen, die die Demokratie Polens in Gefahr sehen. Auch in anderen polnischen Städten schlossen sich viele Menschen der spontan entstandenen außerparlamentarischen Oppositionsgruppe Komitee zur Verteidigung der Demokratie an.

Unterdrückung von Minderheiten

„Mehrheit bedeutet nicht Diktatur“, sagte der Komitee-Gründer Mateusz Kijowski. Es könne nicht sein, dass die neue Regierung, nur weil sie die absolute Mehrheit im Parlament habe und auch der Präsident aus den Reihen der PiS stamme, den Rechtsstaat aus den Angeln hebe. Das Verfassungsgericht sei Hüter der Verfassung. Seine Urteile seien endgültig und sowohl vom Präsidenten als auch vom Parlament zu respektieren und umzusetzen.

„Meine Freiheit, die Freiheit aller ist in Gefahr“, sagte der Demonstrant Bartosz Kaminski. „Als 1989 der Kommunismus unterging, dachten wir, dass wir frei sein werden, aber es zeigt sich, dass die Freiheit nicht für immer gewährt wird. Wir müssen wieder kämpfen!“ Der 35-jährige Karol Katra fürchtet, dass Polen zu einem „intoleranten Land“ werden könnte, in dem Minderheiten unterdrückt würden. Tatsächlich legte Präsident Duda sein Veto gegen Gesetze ein, die noch das Vorgänger-Parlament auf den Weg gebracht hatte und einige Minderheiten im Land das Leben ein bisschen erleichtert hätten.

Der Demonstrant Bartosz Kaminski

„Meine Freiheit, die Freiheit aller ist in Gefahr“

Beim aktuellen Streit um das Verfassungsgericht geht es um die Besetzung von fünf inzwischen frei gewordenen Richterstellen in dem insgesamt 15-köpfigen Gremium. Die PiS weigert sich, drei Richter anzuerkennen, die das Vorgänger-Parlament ausgewählt hatte. Statt nur zwei der im Dezember frei gewordenen Stellen zu besetzen, ernannte das neue Parlament gleich fünf PiS-nahe Richter, die sofort von Präsident Duda vereidigt wurden. Das ist verfassungswidrig, urteilte das Verfassungsgericht.

Doch der Kampf ist noch nicht ausgestanden. PiS-Parteichef Kaczyński erklärte, dass das Urteil der Verfassungsrichter zweifelhaft sei und daher nicht in Kraft treten könne.

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