Proteste in Serbien: Gegen den Gewaltkult
Nach zwei Amokläufen wird in Serbien weiter hartnäckig gegen Gewalt demonstriert. Fristgemäß haben Menschen mehr als 100.000 illegale Waffen abgegeben.
Zudem kam es am Samstagabend erneut zu großen Demonstrationen gegen den von manchen Medien verbreiteten Gewaltkult: In der Hauptstadt Belgrad gingen Zehntausende zum neunten Mal in Folge auf die Straße, weitere Demonstrationen gab es laut Berichten regierungskritischer Medien in 15 weiteren Städten.
Zu den Kundgebungen hatten linke und liberale Oppositionsparteien sowie Bürgerbewegungen aufgerufen. In Belgrad strömten die Demonstranten zum Sitz des Privatsenders Pink TV. Sie warfen diesem von der Regierung kontrollierten Boulevardsender vor, zu Hass und Gewalt anzustacheln. Der Zorn der Bürger richtet sich auch gegen Präsident Aleksandar Vučić und die Regierung. Ihnen wird vorgeworfen, dieses Gewaltklima nicht verhindert zu haben.
500.000 Menschen in Waffenbesitz
Die zwei Amokläufe hatten Serbiens Gesellschaft tief erschüttert. Am 3. Mai hatte ein erst 13-jähriger Schüler in seiner Schule im Zentrum von Belgrad neun Mitschüler und einen Wachmann erschossen. Einen Tag später hatte ein junger Mann in einem Dorf bei Belgrad acht Menschen mit Schusswaffen getötet. Die beiden Amokläufe hingen mutmaßlich nicht miteinander zusammen.
Kurz nach den Amokläufen hatte ein Psychiatrie-Chefarzt aus dem Städtchen Leskovac in sozialen Medien lächelnd in Uniform mit Pistolen posiert. Zwar wurde er dafür von der Regierung gerügt. Doch bleiben Zweifel, ob nun eine Trendwende im Verhältnis der Serben zu Waffen kommen könnte. In dem Land mit 6,9 Millionen Einwohnern sollen etwa eine halbe Million Menschen mindestens eine Waffe besitzen, schätzte ein Polizeiexperte nach Angaben des Senders Freies Europa. Trotz gesetzlicher Verbote hält sich in Serbien die Tradition, bei freudigen Anlässen, wie etwa Hochzeiten, in die Luft zu schießen.
Die vielen Kriege, vom Ersten Weltkrieg bis hin zu den Balkankriegen der 1990er Jahre, aber auch ein von Präsident Vučić propagierter Helden-Kult hätten die Waffenliebe der Serben gefördert, heißt es. „Patriarchale Kultur, verantwortungslose Regierung, Geschichtsfälschung, unzureichendes Bildungssystem, kollektive Frustration über verlorene Kriege und die fehlende Auseinandersetzung mit diesem unangenehmen Umstand, die Instrumentalisierung von Traumata – all das sind politische Motive, die zum Phantasma der Macht des Waffenbesitzes beitragen“, hieß es jüngst in einer Analyse des serbischen Portals vreme.com.
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