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Proteste in LibyenRegierungskrise nach Israel-Kontakt

Ein Treffen von Libyens Außenministerin mit dem israelischen Amtskollegen sorgt für Empörung. Der Rücktritt des Regierungschefs wird gefordert.

Erregte Gemüter am Montag in Tripolis: Protest gegen das eigentlich vertrauliche Treffen Foto: Yousef Murad/ap

Tunis taz | Ein Treffen der libyschen Außenministerin Nadschla al-Mangusch mit ihrem israelischen Amtskollegen vergangene Woche in Rom hat in Libyen zu einer Regierungskrise geführt. Nachdem die 50-jährige Mangusch am Sonntag von Regierungschef Abdulhamid Dabaiba zunächst von ihrem Amt freigestellt wurde, werden nun Forderungen laut, Dabaiba selbst solle zurücktreten. Mangusch reiste von Rom aus nach London; in ihrer Heimat droht ihr eine Festnahme.

Dabaiba gab bei einer Stippvisite in der palästinensischen Botschaft in Libyens Hauptstadt Tripolis am Montag an, Mangusch habe sich bei ihrem offiziellen Besuch in Italien ohne Absprache mit der israelischen Delegation getroffen. Libysche Medien berichteten dagegen, auch libysche Geschäftsleute seien bei dem Treffen zugegen gewesen und Dabaiba habe zuvor seine Zustimmung gegeben.

In der Nacht auf Dienstag kam es in Tripolis erneut zu vereinzelten Protesten gegen eine mögliche Aufnahme von Beziehungen zwischen Libyen und Israel. Vor dem Außenministerium wie auch in der Hafenstadt Zawia brannten Autoreifen. Beide Staaten unterhalten keine diplomatischen Beziehungen zueinander. Einem Gesetz von 1957 zufolge ist es in Libyen illegal, Beziehungen zu Israel zu unterhalten.

Seit Montag leitet der Minister für Kultur und Jugend, Mohamed Mehdi Bensaid, vorläufig das Außenministerium. Schon bald könnte auch der seit Ende 2021 regierende Dabaiba von einer technokratischen Übergangsregierung ersetzt werden.

Laut israelischen Medien hatte es allerdings schon in den vergangenen Jahren Kontakte gegeben. So soll ein Sohn des in Ostlibyen herrschenden Chalifa Haftar Gespräche über eine Kooperation zwischen Israels Armee und den von Haftar von befehligten Truppen geführt haben. Die bis Ende der 60er Jahre auf 30.000 Menschen geschätzte Gemeinde libyscher Juden, die heute zu einem großen Teil in Israel lebt, versucht seit dem Tod von Langzeitherrscher Muammar al-Gaddafi 2011, wieder Kontakt in ihre ehemalige Heimat aufzunehmen.

Al-Mangusch als Sündenbock?

Anas El Gomati von der Denkfabrik Sadeq Institute in Tripolis glaubt daher, dass Libyens erste weibliche Außenministerin als Sündenbock herhalten muss, um die Öffentlichkeit vor einer sich schon länger anbahnenden Entscheidung zu beruhigen. „Die Bemühungen der Vereinigten Staaten und mehrerer Golfstaaten, weitere arabische Länder zu einer Normalisierung der Beziehungen zu Israel zu drängen, sind in vollem Gange“, so El Gomati.

Im Zuge der von Ex-US-Präsident Trump initiierten Abraham-Abkommen hatten Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate 2020 Normalisierungsabkommen mit Israel geschlossen. Marokko hat militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit aufgenommen und auch eine Normalisierung zwischen Saudi-Arabien und Israel ist im Gespräch. Im Januar hatte sich Dabaiba mit CIA-Direktor William Burns zudem über eine mögliche Normalisierung der Beziehungen zwischen Libyen und Israel ausgetauscht, wie die Presseagentur AP berichtete.

Omar Turbi, einst Berater der libyschen Übergangsregierung von 2012, sagte der taz: „Dabaiba muss sowieso gehen. Er soll nach dem Willen der internationalen Gemeinschaft einer Regierung Platz machen, die ausschließlich Wahlen vorbereitet.“ Dabaiba sei „voll verantwortlich“ für das Treffen in Rom, kritisiert Turbi und behauptet, Dabaiba habe sich auch mit dem israelischen Geheimdienst Mossad getroffen und tue dies „auch weiterhin häufig“.

Indes kritisiert die Opposition in Israel den israelischen Außenminister dafür, sich zu dem vertraulichen Treffen in Rom geäußert zu haben. Am Sonntag hatte Eli Cohen das Treffen als historisch bezeichnet. Man habe sich über das jüdische Kulturerbe in Libyen unterhalten, so Cohen gegenüber israelischen Medien, die ausführlich über das erste Treffen libyscher und israelischer Spitzendiplomaten berichteten.

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