piwik no script img

Proteste in IranProminenter Anwalt verhaftet

Der Anwalt Kamfiruzi wurde in Iran festgenommen. Er wurde als Vertreter von Ak­ti­vis­t:in­nen und Jour­na­lis­t:in­nen gegen die Regierung bekannt.

Niloufar Hamedi (r.) und Elahe Mohammadi sitzen in Haft, nun wurde ihr Anwalt verhaftet Foto: Shargh

Wien taz | Der iranische Rechtsanwalt Mohammad Ali Kamfiruzi wurde verhaftet. Zuletzt vertrat Kamfiruzi zahlreiche Ak­ti­vis­t:in­nen und Journalist:innen, die ins Visier des iranischen Regimes geraten waren. Laut einem Bericht der iranischen Tageszeitung Ham Mihan erfolgte die Festnahme am vergangenen Mittwoch.

Nach Angaben seines Anwalts wurde Kamfiruzi ohne rechtliche Grundlage festgenommen. Er habe weder eine Vorladung erhalten, noch wurden ihm Vorwürfe mitgeteilt.

Kamfiruzis wohl bekannteste Klienten sind die beiden Journalistinnen Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi. Beide Frauen befinden sich seit drei Monaten im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis für politische Gefangene, nachdem sie über den Tod der iranischen Kurdin Mahsa Amini berichtet hatten.

Amini wurde mutmaßlich in Gewahrsam der Sittenpolizei getötet. Öffentlich bekannt wurde Aminis Fall aber erst, als Nilufar Hamedi ein Foto veröffentlichte, das Amini in einem Teheraner Krankenhaus im Koma zeigt und auf dem deutliche Spuren von Gewalteinwirkung zu sehen sind. Die Journalistin Elahe Mohammadi berichtete anschließend von Mahsa Aminis Begräbnis in ihrem Heimatort Saqqez.

Maximale Abschreckung

Die Tötung Mahsa Aminis hatte Mitte September die Proteste ausgelöst, die bis heute anhalten und die auf ein Ende des islamischen Herrschaftssystems zielen.

Wegen ihrer Berichte sieht das Regime die beiden Journalistinnen als die Hauptverantwortlichen für die aktuellen Unruhen. Ende Oktober warfen das Geheimdienstministerium und der Geheimdienst der Revolutionsgarden den Journalistinnen vor, unter der Tarnkappe des Journalismus als Agentinnen für fremde Mächte agiert und gezielt Informationen für ausländische Medien beschafft zu haben. Auf solche Anschuldigungen steht in Iran die Todesstrafe.

Diese Strategie der Abschreckung ist nicht nur für Anwälte spürbar

Schon jetzt ist Kamfiruzi einer der wenigen Anwälte in Iran, die sich solcher Fälle annehmen. Seine Festnahme kann als Teil einer größeren Kam­pagne des Regimes gegen kritische Rechtsanwälte gesehen werden. Die sozialen Kosten sollen nach oben getrieben werden. Nur wenige Anwälte in Iran sind bereit, politische Gefangene vor der befangenen Justiz zu verteidigen – aus Furcht vor den Konsequenzen. Laut der iranischen Tageszeitung Ham Mihan befinden sich derzeit 25 Anwälte in Verbindung mit den aktuellen Protesten in Haft.

Infolgedessen werden den Angeklagten – wenn überhaupt – regimetreue Anwälte zugewiesen. So sind die Beschuldigten der abhängigen Justiz schutzlos ausgeliefert.

Diese Strategie der Abschreckung ist nicht nur für Anwälte spürbar, sondern trifft weit Teile der Gesellschaft. Die regime­treuen Basidsch-Milizen verwüsteten Geschäfte, die an landesweiten Streiks teilnahmen, oder markierten sie mit Graffiti als „Verräter“. Die junge Ärztin Aida Rostami pflegte verletzte Protestierende heimlich zu Hause, bevor sie am 12. Dezember verschwand und die Behörden einen Tag darauf ihre Leiche der Familie übergaben. Letzte Woche berichtete die New York Times von einem 14-jährigen Schulmädchen, das an den Folgen einer Vergewaltigung starb. Sie hatte nach der Schule zum Protest ihren Hidschab abgenommen und wurde daraufhin von Regimekräften identifiziert und verschleppt.

Solche Fälle zeigen eindrücklich, zu welcher Gewalt das theokratische Regime bereit ist, um seine Macht zu sichern. Ob sich die Ira­ne­r:in­nen dadurch einschüchtern lassen, ist allerdings fraglich. Für die kommenden Tage sind neue Proteste angekündigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare