Proteste in Iran: Festgenommenen droht Todesstrafe

In Teheran sind mehr als 300 Personen angeklagt worden, doch die Proteste an der Scharif-Uni gehen weiter. Studierende wehren sich gegen Geschlechtertrennung.

Demonstrantin mit Transparent voll roter Hände am Montag in Istanbul

Zu den Protesten in Iran gibt es viele Solidaritätsaktionen wie hier am Montag in Istanbul Foto: Dilara Senkaya/Reuters

TEHERAN AFP/dpa | Im Zusammenhang mit den regierungskritischen Protesten im Iran sind in der Hauptstadt Teheran mehr als 300 Menschen angeklagt worden. Dem vom Justizportal Misan Online zitierten Staatsanwalt von Teheran, Ali Salehi, zufolge droht einem Teil von ihnen die Todesstrafe. Demnach werde „vier Randalierern“ der Straftatbestand „Krieg gegen Gott“ (Moharebeh) vorgeworfen, der mit der Todesstrafe geahndet werden kann.

Salehi erklärte weiter, den Angeklagten werde auch vorgeworfen, „eine Waffe benutzt zu haben, um die Gesellschaft und das Volk zu terrorisieren, Sicherheitsbeamte verletzt, staatliches Eigentum angezündet und zerstört zu haben, mit dem Ziel, das heilige System der Islamischen Republik Iran anzugreifen“.

Insgesamt würden 315 Menschen der „Versammlung und Absprache gegen die Sicherheit des Landes“, der „Propaganda“ gegen die staatliche Macht und der „Störung der öffentlichen Ordnung“ beschuldigt.

Am Montag hatten Studierende an verschiedenen Universitäten ihren Protest gegen den repressiven Führungskurs des Landes fortgesetzt. An mehreren Hochschulen der Hauptstadt Teheran zeigten junge Frauen und Männer ihren Unmut gegen das islamische Regierungssystem, wie iranische Medien berichteten.

Regierungssprecher an Uni ausgebuht

Bei einem Vortrag an einer Technischen Universität wurde Irans Regierungssprecher Ali Bahadori Dschahromi von Studierenden ausgebuht. „Hört mir zu, hört mir zu“, rief Dschahromi, wie die Zeitung Shargh berichtete. Mehrfach waren in einem Video auch die Rufe „Tod dem Diktator“ zu hören. Der Regierungssprecher suchte zunächst den Dialog, verließ aber schließlich die Universität. „Zisch ab“, rief die Menge.

An der renommierten Scharif-Universität setzten sich Studierende gegen die obligatorische Geschlechtertrennung in einer Kantine zur Wehr. Auf Bildern in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Frauen und Männer auf dem Campus bei einem Picknick gemeinsam beisammensaßen. Die Mensa der Universität war von der Unileitung geschlossen worden, nachdem am Wochenende bereits Studierende die obligatorische Geschlechtertrennung missachteten. Viele Frauen legten dort auch ihr Kopftuch ab.

Als Reaktion darauf riegelten Anhänger der Basidsch-Milizen den Eingang der Kantine in Teheran ab. Schließlich sollen die Studierenden die Barrikaden wieder entfernt haben. Als Reaktion auf den Vorfall kündigte der Vorstand der Universität an, die beteiligten Studierenden einer Kommission zu melden. Ihnen drohen nun Strafen wegen der Verstöße gegen die Geschlechtertrennung.

Eine Dozentin der Uni Teheran veröffentlichte auf Twitter ein Foto, das sie ohne Kopftuch zeigte. „Wir werden nicht zurückkehren“, schrieb Mona Chatami. Studierende der Universität bestätigten die Echtheit des Accounts.

Angespannte Stimmung an der Scharif-Uni

Vor wenigen Wochen waren auf dem Campus der Scharif-Universität Proteste von Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen worden. Polizisten und Milizen riegelten den Campus zwischenzeitlich ab. Die Stimmung war seitdem angespannt. Die Hochschulleitung setzte Veranstaltungen in Präsenz danach für einige Zeit aus.

Der Iran wird seit dem Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin Mahsa Amini am 16. September von einer Protestwelle erschüttert. Amini war in Teheran von der Sittenpolizei verhaftet worden, weil ihr ein Verstoß gegen die strenge Kleiderordnung des Landes vorgeworfen wurde. Nach ihrem Polizeigewahrsam verstarb sie.

Bei den regimekritischen Protesten infolge von Aminis Tod kamen bereits Dutzende Menschen ums Leben, die meisten von ihnen Demonstranten, aber auch Angehörige der Sicherheitskräfte. Hunderte von Demonstranten wurden festgenommen. Die iranischen Behörden haben bisher keine Gesamtzahl der Verhaftungen seit dem 16. September vorgelegt.

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