piwik no script img

Proteste in FrankreichUnd wieder knallt es in Paris

Die „Gelbwesten“ sind abermals in Paris unterwegs. Über 100 Demonstranten wurden nach Auseinandersetzungen mit der Polizei festgenommen.

Während Präsident Macron beim G-20-Gipfel weilt, geht es in Paris wieder rund Foto: reuters

Paris taz | Bei gewalttätigen Protesten in Paris hat es nach Angaben der Regierung mehr als hundert Festnahmen gegeben. Premierminister Edouard Philippe sagte am Samstag, mindestens 107 Menschen seien festgenommen worden. Bis Samstagmittag gingen rund 36.000 Menschen im ganzen Land auf die Straße, in der französischen Hauptstadt auf der Prachtstraße Champs-Élysées waren es nach Angaben von Philippe etwa 5.500.

Besonders heftig waren die Ausschreitungen am Vormittag am Triumphbogen an der Spitze der Champs-Élysées. Die Demonstranten versuchten immer wieder, Absperrungen zu durchbrechen, die Polizei ging mit Wasserwerfen und Tränengas gegen sie vor. Rund 1.500 „Unruhestifter“ hätten sich am Samstagvormittag Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert, teilte der französische Innenminister Christophe Castaner mit. 65 Menschen wurden verletzt, darunter elf Polizisten.

Die Bewegung der „Gelbwesten“ hatte ihre Proteste gegen die Politik von Staatschef Emmanuel Macron am Samstagvormittag in Paris fortgesetzt. Sie demonstrieren gegen die Erhöhung der Treibstoffabgaben und die hohe Steuerlast für Bürger.

Aus Angst vor gewaltsamen Ausschreitungen wie vor einer Woche führen die Behörden dieses Mal schärfere Kontrollen durch. Bei allen Zugängen zur Champs-Elysées werden Fußgänger durchsucht. Da eine Kundgebung auf der breiten Geschäftsstraße zwischen dem Triumphbogen oder der Concorde nicht bewilligt wurde, werden auch Transparente und ähnliches Demonstrationsmaterial beschlagnahmt. Das gilt nicht für die gelben Warnwesten, das gemeinsame Erkennungssymbol der Bewegung.

Im Verlauf der Woche hatte François de Rugy, der Energie- und Umweltminister, auf Wunsch von Staatspräsident Emmanuel Macron eine Delegation der „Gilets jaunes“ empfangen. Weil dieser erste Kontakt, die von einem der Teilnehmer heimlich gefilmt und per Internet publiziert wurden, nichts brachte, hat am Freitag auch Premierminister Philippe einen Verhandlungsversuch gestartet. Er hatte ebenfalls keinen Erfolg. Nur ein Teil der insgesamt acht am letzten Montag ernannten Repräsentanten der Bewegung erschienen im Regierungspalast, einer verließ das Treffen schon wenig später aus Protest.

Das Problem für die Staatsführung, die an ihrer Energiepolitik festhalten will, besteht darin, dass sie mit einer unberechenbaren Bewegung konfrontiert ist, wie man sie in der jüngeren Gegenwart nicht kannte. Diese Revolte in Gelb erinnert an Bauernaufstände oder Steuerrevolten zur Zeit der Monarchie. Die „Gilets jaunes“ ließen sich bisher weder mit Zugeständnissen schwächen noch spalten. Statt dessen haben sie mit einer langen Liste von Forderungen die Staatsführung unter Druck gesetzt.

Sie verlangen mittlerweile eine deutliche Erhöhung der Mindestlöhne und der Altersrenten, eine bessere Integration der Immigranten, eine Rückverstaatlichung der privatisierten Energiekonzerne, mehr Mittel für die Polizei und die Justiz, nicht mehr als 25 Schüler pro Klasse und ein Initiativ- und Referendumsrecht zur Schaffung einer echten Mitsprache des Volks.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Ach ja- natürlich ist das Argument über die ''Türöffner'' für die Rechten verfehlt.

  • „Proteste in Frankreich … Und wieder knallt es in Paris“



    "Tolle Forderungen", die die „gilets jaunes“ aufstellen. Dann bitte aber auch mal darlegen, wie sie das alles finanzieren möchten.



    Einerseits gehört Frankreich (neben Italien) zu den Ländern mit der durchschnittlich höchsten Lebenserwartung; Frauen gehen mit 60 und Männer mit 62 Jahren in Rente.



    Ja, die Steuern sind nicht niedrig, aber dann bitte auch mal Vergleiche mit anderen europäischen Ländern heranziehen. Renteneintrittsalter in Deutschland 67 Jahre.



    In Frankreich gibt es Ganztagskindergartenplatz ab 2 Jahren garantiert, Grund-Haupt-Real-Gymnasium in Ganztagsform, Studium… alles Angebote, die für den Bürger kostenfrei zur Verfügung gestellt werden!



    Wenn man dann nur mal mit Deutschland vergleicht, wo Eltern allein für einen Kitaplatz im Durchschnitt 2520 Euro jährlich bezahlen, abgesehen von den Kosten für Schulausbildung und Studium…



    Unter diesen Geschichtspunkten sind die Aktionen der „gilets jaunes“ doch sehr in Frage zu stellen! Sie werden mit ihren Aktionen vielleicht auch die „Türöffner“ für Marie Le Pen.

    • @D-h. Beckmann:

      Man kann aber doch den Franzosen nicht vorwerfen, dass sie sich nicht ewig lange wie die Deutschen verarschen lassen. Wenn schon die Befürchtung aufkommt, dass sozialer Protest den rechten nützen könnte, macht doch nichts mehr Sinn.

      • @Antonio Hernandez:

        Man sollte die Franzosen nicht mit den Deutschen vergleichen. Während die Franzosen länger Ihre ''Contenance'' bewahren, sind sie aber auch bereit Ihre Rechte massiver einzufordern als die Deutschen. Wenn es sein muss auch mit Sachbeschädigungen.