Proteste in Bulgarien: Studenten besetzen Universität
Aktivisten fordern die sofortige Parlamentsauflösung und Neuwahlen. Auslöser der Aktion ist die Kontroverse um einen zwielichtigen Medienmogul.
BERLIN taz | Die monatelangen Proteste gegen die von Sozialisten dominierte bulgarische Regierung haben eine neue Qualität erreicht: Seit dem Wochenende halten Dutzende Studenten bis auf Weiteres die Universität St. Kliment Ohridski im Zentrum der Hauptstadt Sofia besetzt.
In einer Erklärung vom Samstag fordert die Protestgruppe, die sich „Früh erwachende Studenten“ nennt, unter anderem die sofortige Auflösung des Parlaments, vorgezogene Neuwahlen, ein hartes Vorgehen der Zivilgesellschaft gegen die weitverbreitete Gesetzlosigkeit auf Regierungsebene sowie die Einführung eines Rechtsstaats. „Das ist unser endgültiges Votum gegen die Regierungspraktiken in Bulgarien, die jegliche Legitimität verloren haben“, heißt es in der Erklärung weiter.
Der Rektor der Universität, Iwan Iltschew, räumte den Studenten das Recht ein, ihre gesellschaftliche Position auszudrücken, auch wenn das um den Preis zivilen Ungehorsams geschehe. Gleichzeitig sei der Protest aber eine extreme Maßnahme und verletze die Rechte derjenigen, die studieren wollten.
Auslöser der Besetzungsaktion war eine Vorlesung des Vorsitzenden des Verfassungsgerichtes, Dimitar Tokuschew, am vergangenen Mittwoch. Eine Frage der Studenten nach einer Entscheidung des höchsten Gerichts im Falle des Abgeordneten der zweiten Regierungspartei „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ (DPS), Deljan Peewski, ließ Tokuschew unbeantwortet und verließ den Saal.
Der Medienmogul Peewski, dem enge Beziehungen zur organisierten Kriminalität nachgesagt werden, war am 14. Juni 2013 vom Parlament zum Chef der Staatlichen Agentur für „Nationale Sicherheit“ (Dans) gewählt worden. Nach Massenprotesten musste die Entscheidung einen Tag später rückgängig gemacht werden. Am 8. Oktober hatte das Verfassungsgericht einen Antrag der Opposition, Peewski sein Mandat abzuerkennen, negativ beschieden.
Wichtiges Signal der Zivilgesellschaft
Für den Journalistikprofessor an der Sofioter Universität, Orlin Spassow, ist die jüngste Protestaktion der Studenten ein wichtiges Sinal der Zivilgesellschaft. „Das ist ein Signal gegen Oligarchen, eine wachsende Intransparenz in der Verwaltung und die derzeitigen Eigentumsverhältnisse in den Medien“, sagte Spassow der taz.
Für den Montag wurden alle Lehrveranstaltungen an der Universität abgesagt. Auf einer Dringlichkeitssitzung des Akademischen Rats soll über das weitere Vorgehen entschieden werden.
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