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Proteste im KongoVergessene proben den Aufstand

Ostkongos Zivilbevölkerung zahlt den Preis für den Krieg zwischen Armee und ADF-Rebellen. Jetzt verliert sie in der Stadt Beni die Geduld.

Wenn Kongos Armee in die Straßen von Beni ausrückt, ist das kein gutes Zeichen für die Anwohner Foto: Jerome Delay/ap/picture alliance

Beni taz | An diesem Montag morgen wacht die ostkongolesische Großstadt Beni in einer surrealen Stimmung auf. Die jungen Demonstranten, die seit drei Tagen täglich gegen die UN-Blauhelmtruppe Monusco demonstrieren und ihren Abzug fordern, sind noch aufgeregter als sonst.

In der Nacht haben unbekannte Angreifer acht Menschen getötet – im Viertel Masiani des nördlichen Stadtbezirks Mulekera, zum ersten Mal dort in fünf Jahren wiederholter Massaker an der Zivilbevölkerung, die der ursprünglich ugandischen Rebellenbewegung ADF (Allied Democratic Forces) zugeschrieben werden.

Soldaten von Kongos Armee haben die Toten mitgenommen, um sie zur städtischen Leichenhalle zu bringen. Aber zwei Leichen haben sie vergessen. Die Anwohner holen sie selbst. Die Polizei schaltet sich ein und will die Leichen beschlagnahmen. Die Menge wird wütend. Aus dem Totentransport wird eine Demonstration, die Polizei ergreift die Flucht, die Jugendlichen richten den Marsch Richtung Rathaus.

Schüsse fallen. Soldaten haben das Feuer eröffnet. Zwei Demonstranten sind tot. Die Demonstration wird größer. Das Rathaus geht in Flammen auf.

Die Menge sucht sich ihr nächstes Ziel: die Monusco-Basis im Stadtteil Boykene. Die empörten Jugendlichen halten auf der Straße Autos an und zwingen die Fahrer, sie zur UNO zu bringen. „Die Monusco muss weg“, ist aus der Menge zu hören, und „Es reicht!“ und „Heute ist der letzte Tag, wir können nicht mehr, es ist das Ende“.

Inzwischen wird überall im Stadtzentrum geschossen. Aber die Jugendlichen sind wild entschlossen. Sie versammeln sich vor dem Tor der UN-Basis, in der Soldaten aus Malawi stationiert sind. Die Polizei, die das Tor bewacht, schießt in die Menge. Wieder stirbt ein junger Mann. Die anderen schaffen es, einen Teil der Ummauerung der UN-Basis niederzureißen. Das Tor und das Wachhäuschen brennen. Einzelne UN-Mitarbeiter werden angegriffen und Büroräume verwüstet.

Angriffe mitten in der Stadt

Am Anfang der Eskalation stand ein Protestaufruf der zivilgesellschaftlichen Gruppe „Véranda Mutsanga“. Es ist ein Jugendverein, der sich schon vor mehreren Jahren bildete, um die Bevölkerung zu bewegen, sich selbst um ihre Sicherheit zu kümmern.

Im seit 2014 herrschenden Krieg zwischen Kongos Armee und ADF sind vor allem unbeteiligte Zivilisten die Opfer, während die offiziell immer wieder fast komplett vernichtete ADF immer wieder ungestört Angriffe sogar mitten in den Städten verüben kann; viele Menschen verdächtigen Teile der Armee, selbst hinter diesen Rebellen zu stecken.

Anfang November startete Kongos neue Regierung eine neue „Endoffensive“ gegen die ADF. Seitdem sind über 75 Zivilisten bei diversen Machetenangriffen getötet worden. Weder die 800 UN-Blauhelme aus Indien in Beni noch die robuste UN-Eingreiftruppe FIB mit Elitekämpfern aus Malawi und Tansania kamen der Bevölkerung zu Hilfe.

Véranda Mutsanga verteilte also in den Straßen von Beni Pamphlete, die den Rückzug der UN-Truppen forderten. Ursprünglich in Butembo entstanden, der größten Stadt dieses Landstrichs, hat sich die Gruppe inzwischen ausgebreitet, seit ihr Gründer Tembos Yotama in Kongos Parlament gewählt worden ist. Sie streut ihre Botschaften über soziale Netzwerke, zusammen mit Horrorbildern von Massakeropfern. Alles wird gefilmt und bedenkenlos verbreitet, auch die täglichen Proteste.

Veteranen von Ostkongos Zivilgesellschaft finden das problematisch. „Statt etwas für das Land zu tun, machen die Jugendlichen Unordnung“, sagt Edgard Mateso, Präsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes von Butembo.

Denn alle möglichen Jugendverbände haben sich den Protesten angeschlossen. In Beni wollen die Studenten streiken, bis die UNO geht. „Die Monusco muss gehen oder wir werden sterben“, sagt Charmand Wandami vom „Jugendrat“ der Stadt: „Die Pseudo-Promis, die das Gegenteil zu behaupten wagen, werden es mit uns zu tun bekommen.“

Gegen die UNO und gegen die Regierenden

Manche sind sich sicher, dass Politiker die Jugendlichen gegen die UNO aufhetzen. „Man muss sich fragen, wem ein UN-Abzug nutzen würde“, findet der ehemalige Zivilgesellschaftsaktivist Omar Kavota. Kizito Bin Hangi, Präsident des zivilgesellschaftlichen Dachverbandes von Beni, meint: „Man kann nicht den Abzug der Monuso verlangen, solange sie noch gebraucht wird. Man sollte sie auffordern, der Armee gegen die ADF zu helfen.“

Der Polizeichef von Bu­tembo, Oberst Richard Mbambi Kingana, sagt: „Hinter den Demonstranten stehen Politiker, die die Jugendlichen manipulieren, und das ist bedauerlich.“

Denn die Wut der Jugend richtet sich nicht nur gegen die UNO, sondern auch gegen Kongos Regierende. Seit Nord-Kivus Provinzgouverneur Carly Nzanzu Kasivita am vergangenen Freitag nach Beni reiste, um mit den Demonstranten zu diskutieren, geht die Jugend jeden Tag auf die Straße.

An diesem Montag wird in Beni eine Puppe mit den Symbolen der PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie), der Partei des abgewählten Präsidenten Joseph Kabila, an einem zentralen Kreisverkehr von den Demonstranten gekreuzigt.

Sie bekommen auch Unterstützung aus anderen Städten. Am Montagvormittag kommen zwei volle Kleintransporter aus Butembo 50 Kilometer weiter südlich nach Beni. Schon am Mittwoch schlossen sich die Aktivisten der Demokratiebewegung Lucha (Kampf für den Wandel) den Protesten an, am Freitag wurde einer von ihnen von der Polizei erschossen.

Der Provinzgouverneur flog am Montag mit einer UN-Maschine in die Provinzhauptstadt Goma zurück. Die reguläre Flugverbindung ist unterbrochen, seit am Sonntag die Maschine, die sie gewährleistete, über Goma abstürzte; mindestens 29 Menschen starben.

So sieht sich die Bevölkerung sich selbst überlassen. Ein Monusco-Mitarbeiter erklärt, die UNO sei nicht um Hilfe gebeten worden, deshalb sei sie nicht in Aktion getreten. Zuvor hatte der Kommandant der Armeeoperation gegen die ADF behauptet, er werde von der UNO unterstützt, beispielsweise beim Verwundetentransport. Klarheit sieht anders aus.

Für Dienstag sind neue Proteste angekündigt.

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