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Proteste gegen Lucke an der Uni HamburgAbgesperrte Veranstaltung

Der Mitgründer der AfD, Bernd Lucke, liest unter Protest an der Uni Hamburg im Fach Ökonomie. Die Polizei sichert das Gebäude ab, rein kommen nicht alle.

Die Polizei ist dabei – genauer: vor dem Gebäude der Uni Hamburg, in dem Bernd Lucke lehrt Foto: dpa

Hamburg taz | Bernd Lucke selbst ist zwar nicht zu sehen, trotzdem ist er allgegenwärtig. Bis in den frühen Mittwochnachmittag hinein versammeln sich an der Jungiusstraße vor dem Otto-Stern-Hörsaal der Universität Hamburg etwa 50 Studierende, um gegen die dritte Vorlesung des Makroökonomen und AfD-Mitbegründers zu protestieren.

Die Professur Luckes ist seit Beginn des Wintersemesters das wichtigste Streitgesprächsthema bei den Studierenden der Universität Hamburg. Zwei Veranstaltungen von ihm wurden bereits von Protesten begleitet. Lucke selbst bediente sich in der Vergangenheit ausländerfeindliche Ressentiments und sagte etwa, dass Migrant*innen der „soziale Bodensatz“ seien, der lebenslang in Sozialsystemen „verharre“. Die Studierenden der Fachschaft Sozialökonomie haben in einem Fakultätsantrag beschlossen, dass eine Ausweichveranstaltung zu Makroökonomie stattfinden soll, die selbstredend nicht von Lucke gehalten werden soll.

Es gibt kein Durchkommen durch das abgeriegelte Universitätsgebäude, zu dem auch der Hörsaal gehört, an dem Lucke über Makroökonomik II referiert. Ob die Verlegung der Vorlesung vom Hauptgebäude in den weniger durchschaubaren Gebäudekomplex etwas außerhalb des Campus durchgeführt wurde, kann niemand bestätigen. Nur Studierende, die sich vorher zu der Veranstaltung angemeldet haben, kommen durch die Personenkontrollen.

Eine Hundertschaft Polizei sperrt das Gebäudekomplex weiträumig ab – aus „vorsorglichen“ Gründen, so die Polizei. Eine akute Bedrohungslage oder Ankündigungen des zivilen Ungehorsams bleiben aus. Die Stimmung ist dennoch angespannt, der Andrang der Medien auf Luckes Professur an der Universität Hamburg ist trotzdem groß. Bis zum Ende der Vorlesung läuft aber „alles nach Plan“, sagt ein Polizist.

Geschlossene Gesellschaft

Aktive Studierende von der Fachschaft für Sozialökonomie beklagen auf der Kundgebung, dass die geschlossene Gesellschaft der Lehrveranstaltung und Luckes Standpunkt, sich der Diskussion zu verweigern, nicht im Sinne der im Grundgesetz stehenden Freiheit der Wissenschaft sei. Die Studierenden sehen Lucke als Mitbegründer der heute mehr als zu seiner Zeit zum Rechtsextremismus gewandten Alternative für Deutschland selbst in der rechtsextremen Ecke.

Lucke indes bleibt den Vorwürfen ihn gegenüber gelassen. In einem Streitgespräch in der Zeit zusammen mit Hamburgs Zweiter Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank fordert er sogar, ein Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten, um seine Verfassungstreue zu beweisen. Die Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) ließ durch eine Dienstanweisung an die Universität mitteilen, dass Luckes Vorlesungen gewohnt stattfinden.

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20 Kommentare

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  • Hamburger Appel 2005 - Lucke in vorderster Reihe - Grundidee Senkung der Arbeitskosten, also Reduzierung der Absicherung der Arbeitnehmer zu Lasten der Unternehmen. Lucke ist 1 : 1 immer dabei, wenn Unternehmer Arbeitnehmern das Fell über die Ohren ziehen wollen. Und Politik und Wissenschaft passen nicht gut - das muss man trennen. Lucke trennte das bisher ja auch, jetzt muss er zurück - eine Belastung für alle. Und Lucke greifft auf ganzer Linie an, ein Tarifvertrag ist ihm viel zu wenig, er will eigentlich Hartz V und VI, am besten noch VII. machen.

  • Wie weit muss es kommen, dass ein Gründer eine rechts-extremen Partei per Polizeischutz Lehre an einer Uni betreiben darf. Lucke hat schon lange vor seiner Parteigründung Normalarbeitnehmern die Gehälter kürzen wollen. Dieses Degradierende und Inhumane gehört zu seiner Person, er glaubt, dass er seine inhumanen Entwürfe wissenschaftlich rechtfertigen kann? Dann hätte er auf die Parteigründung aber verzichten sollen. Außerdem ist er immer noch als Anführer eine rechten Partei aktiv.

    • @Andreas_2020:

      Das klingt nach einer Forderung nach Zensur, was ziemlich unwissenschaftlich und außerdem grundgesetzwidrig ist.



      Lucke ist nicht kriminell, hat sich nicht verfassungsfeindlich geäußert und hat seinen Posten nach allem, was bekannt ist, rechtmäßig inne. Wenn wir anfangen, Professoren nach Gesinnung Posten zu entziehen, können wir uns gleich bei Ungarn und Türkei einreihen, dann ist es mit der Freiheit der Lehre nämlich wirklich Essig.

    • @Andreas_2020:

      Wo oder wie hat Lucke Gehälter kürzen wollen? Ich finde außer ein Bisschen Gejammer im Vorfeld der Ersteinführung des Mindestlohns nichts in diese Richtung. Angriffe auf Tarifverträge, Mitbestimmung usw. würde man von ihm ja prä-AfD ohnhin nicht wirklich registriert haben, da er kein Industrieökonom war oder ist.

  • "Die Studierenden der Fachschaft Sozialökonomie haben in einem Fakultätsantrag beschlossen, dass eine Ausweichveranstaltung zu Makroökonomie stattfinden soll, die selbstredend nicht von Lucke gehalten werden soll."



    Also haben sie einen Antrag gestellt und eben nichts beschlossen?

  • Und tschau Meinungsfreiheit.

    Eine Frechheit was sich die Gralshüter der Deutungshoheit herausnehmen.

    • @lulu schlawiner:

      Niemand schränkt den ersten Bernd von der AfD in seiner Meinung ein. Die darf er gerne behalten. Es ist aber doch schön zu sehen, das die Studierenden Privilegien ambivalent betrachten und rassistische Proffesoren am hetzen hindern.

      • @KnorkeM:

        Den Rassismus-Vorwurf hätte ich gerne belegt. Lucke ist ein erstklassiger Sozialdarwinist, Unsympathling und Kapitalist, aber als Rassist sehe ich ihn nicht.

  • 0G
    07301 (Profil gelöscht)

    Der Kommentar geht leider nicht darauf ein, wer denn das Hausrecht an Universitäten hat.

    Die Kritik an Prof. Lucke ist auch nicht nachvollziehbar, wenn diese nicht begründet wird. Eine Statistik zu Einkommen und dem Nutzen von sozialen Sicherungssystem von Migranten und Nicht-Migranten (in Abhängigkeit vom Grad) wäre doch wünschenswert. Dann könnte man einmal sachlich diskutieren.

  • 9G
    93441 (Profil gelöscht)

    " Lucke selbst bediente sich in der Vergangenheit ausländerfeindliche Ressentiments und sagte etwa, dass Migrant*innen der „soziale Bodensatz“ seien, der lebenslang in Sozialsystemen „verharre“."

    Genauer gesagt (und wie in dem von Ihnen verlinkten Artikel nachlesbar), sagte er, dass viele Migranten nur einen geringen Bidlungsstand aufweisen und hier beruflich nicht Fuß fassen können, sondern in H4 versauern.



    Das stimmt natürlich nur für einen (wenn auch großen) Teil. Der andere Teil findet sich in Niedriglohnjobs wieder, sehr zur Freude des "Kapitals", da zum einen das steigende Angebot an billiger Arbeitskraft massiv gewachsen ist und die Löhne und Arbeitsbedingungen drückt, zum anderen gibt es ordentlich Fördergeld, Arbeit für Umme.

  • Frau Fusco, könnten Sie mal korrektes Deutsch aneignen oder Ihre Texte von einer Praktikantin vor der Veröffentlichung korrigieren lassen?

    • @Heinrich Ebbers:

      Sie aber bitte auch, Herr Ebbers :-)

  • Meine Meinung: Berufsverbote gab es in den Siebzigern, und ich war schon damals dagegen. Professor Luckes politische Einstellung sollte nicht zu einem Quasi-Berufsverbot führen.



    Ganz im Gegenteil: Luckes Euro-Kritik hat sich in den vergangenen Jahren ja als fundiert und real herausgestellt, von seinem Wissen können angehende Wirtschaftswissenschaftler nur profitieren. Nach meinen Erfahrungen sind grade BWL-Studenten recht offen und wißbegierig.

    Schon zu meiner Zeit -ich hörte in Hamburg Makroökonomie noch bei Karl Schiller- störten fachbereichsfremde Randalierer die Vorlesungen in VWL-/BWL.

    • @Der Erwin:

      Wieso, hat Schiller Migrant*innen auch als "sozialen Bodensatz" bezeichnet?



      Man kann Ihren Beitrag auch so lesen, dass sich seit den 1970er Jahren in Sachen gesellschaftlich-sozialer Reflexivität in der VWL bzw. ihrem geistig-personellen Dunstkreis wenig getan hat. Sie kanzeln die Kritik der Studierenden ja letztlich auch nur als "Randalierer" ab und verlieren kein Wort über die fragwürdigen Thesen Luckes oder seiner Toleranz gegenüber der Entwicklung rechtsradikaler Strukturen seiner früheren Partei, i.S.v. Gauland, Petry, Weidel und Höcke. Dass er die Geister, die er rief, letztlich nicht mehr kontrollieren konnte (ebenso wie nach ihm Petry) und diese ihn verjagten, ist nur eine schwache Ausrede die glauben machen solle, dass er ja eigentlich nur ein braver, unverstandener Eurokritiker war.

      • 9G
        93441 (Profil gelöscht)
        @White_Chocobo:

        Laut SZ hat Lucke folgendes gesagt:



        "Doch wegen ihrer schlechten Voraussetzungen könnten diese Menschen gar nicht zurechtkommen. Für sie bliebe nur ein Leben in Hartz IV. "Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz - einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt." Ein dauerhaftes Leben in Hartz IV aber wäre nicht menschenwürdig."



        Somit hat er nicht ausschließlich Migranten, sondern Langzeitbezieher von H4 generell als "eine Art sozialen Bodensatz" bezeichnet.



        Dass Lucke ein elitärer Snob ist, der auf Menschen herabblickt, die nicht seine soziale Stufe erklommen haben, ist wohl unstrittig. Aber das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Das finden wir auch bei anderen, auch anderen politischen Parteien. Mit an Wollust grenzender Begeisterung wird zB auf die Bildungsferne dumpfer Ossis abgestellt, die "Abgehängten", bei denen ja gar nichts anderes herauskommen kann als Nazionalismus.



        So hat eben jeder seine Feindbilder. Die einen dürfen das an Unis lehren, die anderen nicht...es kommt auf das politisch korrekte Feindbild an.

      • 0G
        07301 (Profil gelöscht)
        @White_Chocobo:

        Die Kritik müssen sie nicht in einer Vorlesung kundtun, die nichts mit dem Thema zu tun hat.

        Das würde ich auch als Randalieren bezeichnen.

      • @White_Chocobo:

        Ich denke nicht, daß man Glauben machen muß, das Prof. Lucke nur ein unverstandener Eurokritiker ist. Wozu auch? Was er denkt, ist seine Meinung. Und die ist frei.

        • @Der Erwin:

          Wenn‘s beim denken bleiben würde, wär‘s auch kein Problem....Sagen und handeln macht Lucke zu einem Hetzer und Wegbereiter des als „Rechtspopulismus“ verharmlosten Faschismus der AfD.

          • @Paco:

            Was sagt und wie handelt Lucke denn aktuell als Wegbereiter der AfD?