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Proteste gegen FluglärmKlangproben aus der Konserve

Im Streit um den Ausbau des Frankfurter Flughafens sind die Fronten verhärtet. Eine „Menschenkette gegen Fluglärm“ protestiert am Sonntag gegen die Umweltbelastung.

Runter kommen sie immer: Im Herbst wurde die neue Landebahn eröffnet. Anwohner protestieren weiter. Bild: dapd

FRANKFURT/M. taz | Petra Roth (CDU), wohnt fernab der Einflugschneise des Flughafens. Deshalb wurde das Haus der scheidenden Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main, unlängst mit Originalfluglärm vom Tonband beschallt, den Aktivisten vorher aufgenommen hatten. Sie waren mit dem Lautsprecherwagen vorgefahren, um die Politikerin sechsmal für jeweils fünf Minuten mit authentischen Klangbeispielen von 85 Dezibel zu beglücken.

Mit solchen vereinzelten Guerillaaktionen ist es nicht getan. Am Sonntag werden in Frankfurt mindestens 4.000 Demonstranten erwartet, um mit einer vier Kilometer langen „Menschenkette gegen Fluglärm“ direkt am Mainufer auf das Problem aufmerksam zu machen. Auch Verstärkung aus anderen Bundesländern soll dabei sein.

Organisiert wird die Demonstration vom Bündnis der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau, unterstützt von 13 weiteren Organisationen, Verbänden und Gewerkschaften. Kirchen sollen pünktlich zu Beginn der Veranstaltung ihre Glocken läuten und ihre Räume als „Oasen der Stille“ zur Verfügung stellen.

Flughafen Frankfurt

Der Flughafen ist der drittgrößte Europas und ein eigenständiger Stadtteil von Frankfurt. Jedes Jahr werden über 50 Millionen Passagiere gezählt, erklärtes Wachstumsziel der Fraport AG sind nach dem Endausbau des Airports 90 Millionen möglich. Mit rund 2,2 Millionen Tonnen hat „Rhein-Main“ das größte Frachtaufkommen aller europäischen Flughäfen.

Durch die Eröffnung der Landebahn Nordwest im Oktober 2011 soll die Zahl der stündlichen Flugbewegungen von rund 90 auf maximal 126 gesteigert werden. Die neue Bahn führt schon jetzt zu erheblich mehr Lärm in der gesamten Region.

Die Bewegung fordert die Stilllegung der neu gebauten Landebahn Nordwest, einen Stopp geplanter Flughafenerweiterungen, die Einhaltung der Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr, die Deckelung der Flugbewegungen sowie Kontrolle und Verminderung der Luftschadstoffe.

Lärm- und schadstoffgeplagte Anwohner

Dabei sind die Fronten seit Jahren die gleichen. Auf der einen Seite stehen die Flughafenbetreiberin Fraport AG und die Lufthansa, auf der anderen lärm- und schadstoffgeplagte Anwohner vor allem der südlichen Stadtgebiete Frankfurts – und der gesamten Rhein-Main-Region.

Mela Krauß, Ärztin und eine der Initiatorinnen der Menschenkette, erhofft sich deshalb vor allem „Solidarität auch von anderen Stadtteilen. Im Norden werden die Probleme häufig noch negiert. Wir wollen mit dieser Menschenkette ganz Frankfurt erreichen“, sagte sie.

Vom Münchner Bürgerentscheid gegen den Bau einer dritten Startbahn auf dem Flughafen im Erdinger Moos am 17. Juni erhoffen sich auch die Fluglärmgegner in Hessen und Rheinland-Pfalz einen gewissen Auftrieb: „Das hat uns sehr beeindruckt“, sagt Krauß: „Es hat gezeigt, dass Solidarität möglich ist. Dort haben auch Leute dagegen gestimmt, die gar nicht von der neuen Bahn betroffen wären.“

In München soll der Ausbau nach dem Willen des Flughafenchefs dennoch genehmigungsrechtlich vorangetrieben werden. In Frankfurt, wo die Landebahn bereits im Betrieb ist, haben hessische Unternehmerverbände, Fraport, Lufthansa und Condor vor allem ihre eigenen Mitarbeiter unter dem Motto „Ja zu Fra!“ mobilisiert. Fraport-Chef Stefan Schulte bezeichnet den Flughafen als „Jobmaschine für das Rhein-Main-Gebiet“, für seinen Lufthansa-Kollegen Christoph Franz ist er gar das „Kronjuwel“ der Region.

Protestierende wollen Wahlversprechen einfordern

Dem widersprechen Studien, nach denen der Flughafen keineswegs als „Motor“ für mehr Beschäftigung wirkt. „Wenn ein Logistikunternehmen wie Schenker an den Flughafen zieht, dann hat es natürlich anderswo seine Zelte abgebrochen“, sagt Ursula Fechter, Mitunterzeichnerin des Aufrufs zur Menschenkette.

Als Kandidatin für die jüngste OB-Wahl in Frankfurt hat sie mit ihrer Ablehnung der neuen Landebahn in manchen Wahlkreisen bis zu 50 Prozent der Stimmen gewonnen – und am Ende eine Empfehlung für den neuen SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann ausgesprochen: „Wir wollen ihn mit unserer Aktion auch daran erinnern, was er uns versprochen hat.“

Fechter betont, es gehe nicht darum den Flughafen infrage zu stellen: „Wir sind nicht gegen den Flughafen. Aber das Maß des Erträglichen ist überschritten.“ Sogar das Bundesverfassungsgericht habe sein Verbot von Nachtflügen unter anderem damit begründet, es müsse auch „Grenzen des Wachstums“ geben. Nach dem Hessischen Verwaltungsverfahrensgesetz ist es durchaus möglich, „Verwaltungsakte“ wie den Bau einer neuen Landebahn rückgängig zu machen.

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5 Kommentare

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  • L
    Lulatsch

    Am ärgsten dran sind die Leute, die nun nicht mehr wegziehen können, weil ihre Häuser nichts mehr wert sind. Die haben keine Wahl und sitzen in der Falle, während die Fraport hübsche Gewinne macht. Deshalb sollte man diese Menschen entschädigen.

  • B
    Branko

    Egal ob Frankfurt, München oder Berlin:

    Wenn sich in wenigen Jahren die Realität durch den Anstrich des Glaubens an das ewige Wachstum nicht mehr übertünchen lässt, stehen diese Notwendigkeiten für eine Zukunft des Wachstums eh nur noch als tote Ruinen sinnlos in der Landschaft rum oder für Fahrtraining und Raver-Parties zur Verfügung, und man fragt sich dann, warum man diese Flächen unbedingt so kurz vor dem abesehbaren Wirtschaftkollaps hatte verbauen müssen, anstatt das Geld in Zukunftsprojekte, wie Bildung, zu investieren.

  • M
    Markus

    Ich wohne in einer Protesthochburg und bin erst durch die mit Plakaten zugepflasterten Straßen auf den Lärm aufmerksam geworden. Ich gebe zu, wenn man sich darauf konzentriert, dann stört es schon. Man kann es aber auch einfach überhören. Sicherlich gibt es noch schlimmere Gegenden, aber bei mehreren hunderttausend Betroffenen eine Demo mit 4.000 Leutchen... Na, ich weiß ja nicht. Den meisten scheint es also so zu gehen wie mir. In meiner Gegend hängen die "Stoppt Fluglärm" Schilder außerdem zu 90% an den dicken Stadtvillen. Mir scheint, die Oberschicht ist da besonders empfindlich. Für mich ist das einfach der Preis, den man zu zahlen bereit sein muss, wenn man in einer Industrienation lebt und dazu noch in einem Ballungsraum wie der Rhein-Main Region. Und bei den Leuten aus den Villengegenden bezweifel ich, dass die zum Meeting nach Berlin mit dem Zug fahren oder Urlaub mit dem Auto an der Ostsee machen...

  • BO
    Beate Obermann

    Den wenigsten ist klar, was dieser stadtnahe Flughafen für Leid in der Region verbreitet. In Offenbach zum Beispiel, dem "kleinen Nachbarn" von Frankfurt, auf das immer schon etwas herabgeschaut wurde (Größenverhältnis Frankfurt: 650.000 Einwohner, Offenbach: 120.000 Einwohner) leidet fast die gesamte Stadtbevölkerung unter Fluglärm. 80% des Siedlungsgebietes wurde zur Fluglärmzone erklärt, das heißt Offenbach darf aufgrund des durch die Nachbarstadt betriebenen Flughafens seine Infrastruktur nicht mehr ausbauen um den Bedarf an Kitas, Schulen und Altenheimen zu decken. Allein in Offenbach leben 20.000 Kinder in der Lärmschutzzone OHNE SCHUTZ, höchstens ein Hausmeister hätte in seiner Schulwohnung Anspruch auf Kostenerstattung für Lärmschutzfenster in den Schlafzimmern, bei sofortiger Antragstellung: Ausbezahlung frühestens in 5 Jahren. Vom Flughafen leben wenige gutbezahlt, 100x so viele Menschen müssen dafür ihre Lebensqualität und Gesundheit einbüßen.

  • MS
    Mihai-Robert Soran

    Wir, im Frankfurt-Westend und -Dornbusch erfreuen uns deutlich niedrigeren Lärmpegel und -störungen seit dem zuletzt erfolgten Ausbau des Flughafens. Da sind die Rettungs- und Polizeihubschrauber viel nervender und gesundheitsschädigender ...

     

    Der größter Flughafenlärm und -störung, die wir erleben, stammt von dem Gekreische und den Protestchören der Flughafengegner.

     

    Trotzdem wünsche ich der Menschenkette gegen Fluglärm eine gute Zeit am Sonntag.