Protestbrief an CSU-Kunstminister: Das Prekariat der Kleinverlage
In Bayern wurde der mit 7.500 Euro dotierte „Preis für einen bayerischen Kleinverlag“ abgeschafft. Jetzt gehen die Verleger auf die Barrikaden.
„Bayern will überall die Nummer eins sein, hat aber einen Kulturbegriff aus den 50er Jahren“, schimpft der Verleger Manfred Rothenberger aus dem fränkischen Fürth. Noch jetzt habe er eine „geschwollene Zornesader“, sagt er im Gespräch mit der taz, weil er las, wie viel Geld das bekannte Comedy-Duo Volker Heißmann und Martin Rassau an kulturellen Fördermitteln erhalten habe: 50.000 Euro, so Rothenberger, für die Neuinszenierung der Operette „Die lustige Witwe“! Die Comediens seien „Meister der Unterhaltungsindustrie“, aber eher nicht förderungsbedürftig.
Von so viel Geld können Rothenberger und die anderen kleinen Verleger nur träumen. Ihnen wurde gerade vom bayerischen Wissenschafts- und Kunstministerium der „Preis für einen bayerischen Kleinverlag“ gestrichen, den es seit zehn Jahren gibt und der mit kargen 7.500 Euro dotiert war. Das sei, meint Rothenberger, als würde man den Spielern vom FC Bayern München „mit Fördermitteln die Fußballschuhe vergolden“, während kleine Vereine „alle zwei Jahre ein neues Eckfähnchen“ erhielten.
So hat Rothenberger einen offenen Brief an Kunstminister Bernd Sibler (CSU) geschrieben, unterzeichnet von ihm und sieben weiteren Verlegern, die allesamt schon den Preis erhalten haben. Er verweist auf die prekäre bis katastrophale Lage gerade der kleinen Verlage, beschwört die „Bibliodiversität“ und weiß, dass gute Bücher und gute Literatur eine Waffe „gegen Rohheit und Dummheit“ seien.
Das gab es in Bayern so noch nicht: Kleinverleger streben die Revolte an. Während etwa die Bundeshauptstadt jährlich den „Berliner Verlagspreis“ mit über 65.000 Euro vergibt und jetzt erstmals vom Bund der „Deutsche Verlagspreis“ an 66 Büchermacher mit insgesamt 1,17 Millionen Euro ging, setzt Bayern seinen eh schon mickrigen Preis aus.
Warum wird man Kleinverleger?
Was machen die sogenannten Kleinverleger und warum? „Anspruchsvolle Literatur“, sagt Kristina Pöschl, die gemeinsam mit Eva Bauernfeind in Viechtach im Bayerischen Wald den „Lichtung Verlag“ betreibt. Seit 2014 sind die beiden Geschäftsführerinnen und zugleich die einzigen Mitarbeiterinnen. Sie verlegen GegenwartsautorInnen meist aus Niederbayern und der Oberpfalz, ohne dabei auf der heimattümelnden Schiene zu fahren.
Sie machen auch Fotobücher und Lyrik, welche häufig eine Auflage von nur 300 oder 400 Stück hat. Erfolgsbuch des Lichtung-Verlags ist der Bericht des KZ-Überlebenden Otto Schwerdt „Als Gott und die Welt schliefen“, der bislang 45.000-mal gedruckt wurde.
„Ohne Förderung können wir nicht durchhalten“, meint Kristina Pöschl. Die beiden Verlegerinnen leben sowieso nicht vom Verlag mit seinen jährlich vier bis fünf Neuerscheinungen. Pöschl unterrichtet Deutsch in der Erwachsenenbildung und schreibt Pressetexte. Manfred Rothenberger aus Fürth wiederum sagt, er folge mit dem Programm seines Verlags „Starfruit Publications“ „ganz brutal meinen Vorlieben“.
Er will „Gegenwartskunst und Gegenwartsliteratur verbinden“. Von der Papierauswahl über die Schrift bis zum Cover macht er mit Unterstützung eines befreundeten Designers alles selbst – „nachts und am Wochenende, mein Esstisch ist der Verlag“. Er hat ein Fußball-Buch über den 1. FC Nürnberg gemacht. „Das lief richtig gut, als bisher einziges.“ Geld verdient Rothenberger mit seiner Anstellung als Direktor des „Instituts für moderne Kunst“ in Nürnberg.
Büchermacher sehen ihre Tätigkeit als Kunst
Man merkt rasch: Es handelt sich um Bücherbesessene. Sie stemmen sich gegen den Mainstream der Großen, machen praktisch keine Gewinne. Die Jahresumsätze liegen mal bei 50.000, mal bei 100.000 Euro. Silke Weniger, die die „edition fünf“ in Gräfelfing bei München betreibt, erzählt, wie sie sich um die norwegische Autorin Mona Høvring kümmert.
Diese ist in ihrer Heimat bekannt und erfolgreich, in Deutschland nicht. Weniger hat sie übersetzen lassen, Lesereisen organisiert, war mit ihr auf der Buchmesse. Ihr neuer Roman „Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte“ verkaufte sich dennoch bisher nur 3.000-mal.
Manche sprechen von „Klein-“, andere von „unabhängigen Verlagen“, wie etwa der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Jedenfalls sehen diese Büchermacher ihre Tätigkeit als Kunst, die es ohne sie nicht gäbe. Deshalb verlangen sie in Bayern mehr öffentliche Förderung.
Die Unterzeichner des Briefes schlagen neben Preisen weitere Fördermöglichkeiten vor. So könnten Jahresprogramme bezuschusst werden, einzelne Projekte oder Übersetzungen. Den bayerischen Ableger des Börsenvereins haben sie auf ihrer Seite. Die Aussetzung des Preises sei ein „völlig falsches Signal“, klagt Sprecherin Barbara Voit.
Auf Anfrage der taz hat das Ministerium ebenso schnell wie nichtssagend reagiert. Man müsse über eine „Neuausrichtung“ der künftigen Förderung unabhängiger Verlage „nachdenken“, teilt das Haus mit. Die Argumente der Briefschreiber würden vom Ministerium bereits seit einiger Zeit „aktiv in der Bund-Länder-Diskussion vertreten“. Das Haus werde einen „Runden Tisch“ einberufen. Rothenberger und die anderen haben bisher keine Einladung bekommen.
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