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Protest in US-HaftanstaltenDer Streik, den es nicht gibt

In vielen US-Gefängnissen protestieren die Häftlinge gegen ihre Haftbedingungen. Die Gefängnisleitungen leugnen die Proteste.

Eines von sehr vielen: das East Jersey Staats­gefängnis im Bundesstaat New Jersey Foto: reuters

New York taz | Offiziell ist die Sklaverei in den USA im Jahr 1865 abgeschafft worden. Aber hinter den Gefängnismauern des Landes lebt sie fort. Viele der 2,2 Millionen Menschen, die in dem größten Gefängnissystem der Welt leben, müssen dort auch arbeiten – in den Gefängnissen oder in der Industrieproduktion, im Straßenbau und in manchen Bundesstaaten auch in den Gärten und Küchen von GouverneurInnen. In den besten Fällen bekommen die Gefangenen ein paar Cent pro Stunde für diese Zwangsarbeit. In vier Südstaaten werden sie überhaupt nicht bezahlt.

Das „sofortige Ende der Gefängnissklaverei“ und „bessere Bedingungen in den Gefängnissen“ sind die ersten von zahlreichen Forderungen, mit denen Gefängnisinsassen quer durch die USA am 21. August eine nationale Protestbewegung begonnen haben. „Besseres Essen“, „Bewährung“ und „Solidarität“ haben Insassen des Hyde Gefängnis in North Carolina auf Transparente geschrieben.

Im Nevada-Gefängnis in Arizona traten Insassen in einen Hungerstreik gegen die Isolationshaft, die Drohungen von Gefängniswärtern und die Besuchsregeln. Und im Wabash Valley Gefängnis in Indiana fand ein Hungerstreik statt, der sich gegen die viel zu kleinen Essensportionen, die zudem oft verdorben sind, und den Mangel an Kleidung richtete. Und auch in einem Abschiebezentrum in Tacoma, im Bundesstaat Washington, sollen 70 Insassen in den Hungerstreik getreten sein.

Nach dem letzten Gefängnisstreik im Jahr 2016 hatte die Gruppe Jailhouse Lawyers Speak (JLS), deren Mitglieder anonym im Inneren der Gefängnisse arbeiten, einen neuen Streik erst für das Jahr 2019 geplant. Doch im April kam es zu einem Aufstand im Lee-Gefängnis in South Carolina, bei dem sieben Menschen ums Leben kamen. Gang-Aktivitäten im Inneren des Gefängnisses spielten dabei eine zentrale Rolle. Das Ereignis hat für den vorgezogenen Streik gesorgt, sowie dafür, dass die Organisatoren versuchen, ihn als Mittel zu nutzen, um die Gang-Gewalt in Gefängnissen einzudämmen.

Die Proteste sollen noch bis zum 9. September weitergehen, dem Jahrestag des blutigen Gefängnisaufstandes in Attica, New York, bei dem im Jahr 1971 insgesamt 43 Menschen starben

„Dies ist eine wachsende Bewegung“, erklärt Amani Sawari, die von außen mit der Gruppe JLS zusammen arbeitet, in einem Kommuniqué. Sie sieht einen „nie dagewesenen Erfolg von Gefangenenmobilisierung in der modernen Ära“. Die Proteste sollen noch bis zum 9. September weitergehen, dem Jahrestag des blutigen Gefängnisaufstandes in Attica, New York, bei dem im Jahr 1971 insgesamt 43 Menschen starben, davon 39 bei der Stürmung des Gefängnisses.

Verlässliche Zahlen über die aktuellen Proteste gibt es nicht. Die Informationen stammen aus Versatzstücken von Angehörigen und AktivistInnen. Die Gefängnisverwaltungen mauern. Nur in drei Bundesstaaten haben sie bislang überhaupt zugegeben, dass es Proteste gibt. Überall sonst bestreiten sie die Existenz von Protesten in Gefängnissen. „Es gibt externe Agitatoren, die versuchen, unsere Gefangenen aufzuwiegeln,“ sagte Chris Gautz von der Gefängnisverwaltung in Michigan zu Journalisten, „glücklicherweise hören die Gefangenen nicht auf sie.“ Mehrere Gefängnisse haben mit Lockdowns auf die Proteste reagiert, haben die Insassen rund um die Uhr eingesperrt und Besuche und Telefonkontakte verboten.

In Florida erklärt Karen Smith von der Gruppe Incarcerated Workers Organizing Committee (IWOC) die Informationsblockade der Gefängnisbehörden damit, dass sie eine Ausweitung der Proteste verhindern wollen: „Die Gefangenen sollen nicht erfahren, dass so etwas in dem massiven Gefängnisstaat möglich ist.“

Eines der größten Gefängnissysteme der Welt

Das Gefängnissystem der USA ist das größte der Welt. Und es trifft Nichtweiße, die mehr als 60 Prozent der Gefängnisbevölkerung stellen, am härtesten. Während anderswo die Ideen von Rehabilitation und Reintegration in den Vordergrund ­traten, haben die USA immer mehr Menschen für immer ­längere Zeit hinter Gitter gebracht.

Seit 1980 hat sich zwar die Zahl der Straftaten in den USA kaum verändert, aber die Zahl der Gefängnisinsassen hat sich verfünffacht. Dafür sorgte wesentlich die Strafjustizreform unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton, die unter anderem automatische Mindeststrafen für Wiederholungstäter und ein höheres Strafmaß einführte.

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2 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Bill Clintons Präsidentengattin Hillary tingelte damals ins Land und schwang große Reden über Gang-Gewalt in Trump-Rhetorik, sprach von "Super-Predators" (Superraubtieren). Da wirkt Trump schon fast handzahm dagegen.

    Aber auch in deutschen Gefängnissen gibt es Zwangsarbeit. Wer sich weigert, wird bestraft, Privilegien werden entzogen, Isolationshaft wird verhängt, um den Willen der Streikenden zu brechen. Diese Form der Zwangsarbeit wird zynisch "Integration durch Arbeit" genannt.



    Es gibt jedoch keine legitime (Lohn-)Arbeit ohne das Grundrecht auf gewerkschaftliche Repräsentation und das Recht auf Streik! Wenn man Arbeitszwang ohne Recht auf Repräsentation als Integration in die Gesellschaft begreift - von welcher Gesellschaft geht man denn dann aus? Von einer demokratischen Gesellschaft jedenfalls nicht!



    Die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter*innen wird in deutschen Vollzugsanstalten mit repressiven Zwangsmaßnahmen beantwortet, die noch härter sind, als wenn nur einzelne die Arbeit verweigern. Das umfasst erweiterte Kontrollen, die Konfiszierung von Informationsmaterialien, weitere Isolationsmaßnahmen etc.



    Erst letztes Jahr gab es in Thüringen einen Hungerstreik von Gefangenen, weil ihnen die gewerkschaftliche Organisation untersagt worden ist. In der Presse wurde kaum darüber berichtet.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      „Wenn man Arbeitszwang ohne Recht auf Repräsentation als Integration in die Gesellschaft begreift - von welcher Gesellschaft geht man denn dann aus? Von einer demokratischen Gesellschaft jedenfalls nicht!“

      Nein, von einer demokratischen Gesellschaft gehen Leute, die anderen ihr Mitbestimmungsrecht verweigern, nicht aus. Diese Leute wünschen sich eher eine Klassengesellschaft. Eine Gesellschaft also, in der einer (in dem Fall sie selber) bestimmt und alle anderen gehorchen müssen. Eine Feudalgesellschaft etwa, in der sie König sind, eine Theokratie, in der Sie als Stellvertreter Gottes verehrt werden, oder eine Aktien-Gesellschaft, deren Vorsitzender und Mehrheitsaktionär sie sind. Eine „Gesellschaft“ jedenfalls, in der einem jede Lust an der Geselligkeit gründlich vergehen kann.

      Man braucht übrigens nicht in einem Gefängnis einzusitzen, um so etwas zu erleben. In vielen Unternehmen, in Verwaltungen, in Parteien, in Krankenhäusern, in Vereinen, in Familien und an allen anderen Orten, an denen Leute in Hierarchie arbeiten und leben, geht es ganz ähnlich zu. Die Leute im Gefängnis erfahren bloß noch weniger Solidarität als alle anderen, weil sie ja straffällig geworden sind. Die „braven Bürger“ fürchten sich zu sehr vor ihnen, als dass sie sich mit ihnen identifizieren könnten in ihrer Scheiß-Situation. Den "Knastis" geht's ungefähr so, wie es den "Irren" in ihren Anstalten geht.