Protest in Istanbul: One man standing
Ein Mann steht still auf dem Taksim-Platz in Istanbul und starrt auf ein Atatürk-Porträt. Die türkische Polizei greift ein. Ansonsten bleibt es ruhig, erstmals seit Tagen.
ISTANBUL/BERLIN dpa | Nach wochenlangen Auseinandersetzungen zwischen regierungskritischen Demonstranten und der türkischen Polizei ist die Nacht zum Dienstag in Istanbul vergleichsweise ruhig verlaufen. Wie Aktivisten über Soziale Netzwerke mitteilten, gab es auf dem zentralen Taksim-Platz lediglich Festnahmen, als sich Dutzende Gegner der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan dem stillen Protest eines einzelnen Demonstranten anschlossen. Andernorts in Istanbul habe die Polizei erneut Tränengas gegen Demonstranten eingesetzt. Auch aus der Hauptstadt Ankara wurden wieder Zusammenstöße gemeldet.
Die Berichte über den stillen Protest des stehenden Mannes (türkisch: duran adam), der stundenlang auf dem Taksim-Platz verharrt und auf ein Porträt des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk gestarrt haben soll, hatten sich über Kurznachrichtendienst Twitter (Hashtag #duranadam) verbreitet. Als sich andere Demonstranten dieser Form des Protests anschließen wollten, seien sie von der Polizei abgeführt worden, meldeten Aktivisten. Es sei aber alles friedlich geblieben.
Schon bei Einbruch der Dunkelheit hatten nur noch einige Dutzend vorwiegend junge Menschen an der Grenze am Rande des Platzes demonstriert. Sie skandierten Parolen, sangen und tanzten, wie Augenzeugen berichteten. Polizisten hatten Gasmasken und Helme abgesetzt und bildeten keine Blockadereihen mehr. Der Taksim-Platz selber war für Fußgänger und den Verkehr offen.
Am Montag hatte die türkische Regierung erstmals mit einem Einsatz der Armee gegen die Protestbewegung gedroht. Falls es nötig sei, würden auch die Streitkräfte eingreifen, sagte Vize-Regierungschef Bülent Arinc. „Die Polizei ist da. Wenn das nicht reicht, die Gendarmerie. Wenn das nicht reicht, die türkischen Streitkräfte“, fügte er am 18. Tag der Proteste hinzu. Die Regierung werde alles Nötige unternehmen, um das Gesetz durchzusetzen.
Angesicht der Drohung mit dem Militär forderte die Grünen-Parteichefin Claudia Roth klare Worte der Nato. „Das Militärbündnis muss politisch Einfluss nehmen und deutlich machen, dass es nicht akzeptiert, wenn die türkische Regierung mit der Armee droht und brutal mit den Sicherheitsbehörden vorgeht“, sagte Roth der Saarbrücker Zeitung. Schließlich sei die Türkei Mitglied des Bündnisses.
Die landesweite Protestwelle hatte sich an der brutalen Räumung eines Protestlagers im Gezi-Park in unmittelbarer Nachbarschaft des Taksim-Platzes entzündet, das am Wochenende zum zweiten Mal geräumt wurde. Die Regierung plant dort den Nachbau einer osmanischen Kaserne mit Wohnungen, Geschäften oder einem Museum. Inzwischen richten sich die Demonstrationen aber vor allem gegen den autoritären Regierungsstil Erdogans.
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