Protest in Güstrow: Solidarischer Antifaschismus
Wenn Großstadt-Antifas aufs Land zur Demo fahren, ist man dort nicht immer begeistert. Ganz anders war das kürzlich in Güstrow zu erleben.
Dennoch fuhren vergangenen Samstag mehrere hundert Menschen aus Berlin, Hamburg, Köln und vielen weiteren Städten mit Bus und Bahn nach Güstrow im Landkreis Rostock. Sie demonstrierten dort für die Schließung des Schießstands „Großer Bockhorst“ und gegen rechtsradikale Netzwerke in Polizei und Bundeswehr, für die der Schießstand eine Art „infrastrukturelles Rückgrat“ darstelle. Der Betreiber des Schießstands ist einer der führenden Köpfe der Nordkreuz-Gruppe, die mutmaßlich in Vorbereitung auf die Ermordung politischer Gegner:innen illegal beschaffte Behördenmunition und Waffen hortete.
Doch im Gegensatz zu sonst teilweise als „Strafexpeditionen“ titulierten Demos von Großstadt-Antifas auf dem Land sollte es diesmal anders laufen. Statt die eigene Auswärtsfahrt in Szene zu setzen, waren im Vorfeld zahlreiche Infoveranstaltungen in der Region abgehalten und Kontakte zu Güstrower Aktivist:innen geknüpft worden, die es eben auch gibt.
Die Mitorganisatorin Karen Larisch (Die Linke) zeigte sich erfreut über die vielen Angereisten. Die Demo sei sehr groß für Güstrow, stellte sie fest, was auch notwendig sei, denn sonst würde der Protest nicht gehört. Es sei kein Zufall, dass sich rechtsradikale Netzwerke in der Gegend angesiedelt hätten, da es schon davor Strukturen gegeben hätte, die niemand hätte sehen wollen.
Jetzt plant beispielsweise der ehemalige AfD-Landessprecher und wegen Volksverhetzung verurteilte Holger Arppe, vor dessen Büro die Demo auch Halt machte, ein völkisch-nationales Zentrum in Güstrow. „Ich rechne mit einem Backlash auf die Demo, denn ich kenne mein Güstrow und meine Nazis hier“, sagte Larisch. „Doch wenn wir nichts machen würden, hätten sie schon gewonnen.“ Deshalb sei die überregionale Unterstützung sehr willkommen.
Wenn sich auf dem platten Land rechtsradikale Vereinigungen bilden, die dann schließlich Menschen in ganz Deutschland ins Visier nehmen, kann die Antwort nicht nur in lokalen Protesten liegen. Maria Kowalski, die Pressesprecherin der Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“, stellt fest: „Wir finden die örtlichen Strukturen ungeheuer mutig. Als Antifaschist:innen gehen wir einerseits dahin, wo wir gebraucht werden, wollen aber den Leuten vor Ort auch signalisieren, dass wir sie nicht alleine lassen.“
Das richtet sich auch an die Aktivist:innen aus Güstrow, die bisherige Proteste allein auf sich gestellt organisiert hatten. Die vielen Leute seien eine echte Unterstützung, sagte eine jugendliche Sprecherin, da sonst auch mal nur zwanzig Leute kämen.
Sie selbst würde wahrscheinlich zum Studium wegziehen. Vielleicht dann mit einer anderen Perspektive auf das nicht so ruhige Hinterland.
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