Protest in Frankreich: Mehr als 500 Gelbwesten verhaftet
In Frankreich legen sich wieder Gelbwesten mit der Regierung an. Die Polizei greift rigoros durch. Auch in Belgien und den Niederlanden wird protestiert.
Sicherheitskräfte setzten am Samstagvormittag Tränengas gegen Teilnehmer einer Kundgebung in einer Seitenstraße des Prachtboulevards Champs-Elysées ein, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Mehrere Demonstranten bewarfen die Polizei unter anderem mit Knallkörpern und anderen Gegenständen.
Für die taz streamt Anett Selle (@anettselle) live aus Paris. Wie ist die Situation nach den zum Teil gewaltsamen Demonstrationen? Was denken die Pariser*innen über die Proteste der Gelbwesten?
Die meisten Demonstranten blieben aber friedlich. Von ihnen gingen keine Anzeichen für Plünderungen und Gewalt aus. Mehrere hundert Demonstranten blockierten am Samstagmorgen zeitweise die wichtige Ringautobahn Périphérique, die sich um Paris zieht. Die Polizei löste die Blockade auf, ohne dass es zu Zusammenstößen kam – dennoch waren massive Verkehrsbehinderungen in der französischen Hauptstadt die Folge.
Eine örtliche Gelbwesten-Sprecherin betonte den friedlichen Charakter der Autobahn-Blockade. „Wir wollen uns von den Randalierern unterscheiden“, sagte Laetitia Dewalle. „Wir wollen uns Gehör verschaffen, keine Randale machen.“
Bereits vor den geplanten neuen Massenprotesten der Gelbwesten nahm die Pariser Polizei mehr als 500 Menschen vorläufig in Haft. Die Angaben in französischen Medien schwanken derzeit zwischen knapp 600 vorübergehend Inhaftierten in Paris und mehr als 700 im ganzen Land. Darunter seien Verdächtige, die Masken, Steinschleudern, Hämmer und Pflastersteine bei sich getragen hätten.
Die Polizei nahm Journalisten Schutzbrillen und Gasmasken ab, mit denen sich diese bei der Berichterstattung vor Tränengas schützen. Auch der taz-Korrespondent in Paris, Rudolf Balmer, bestätigte telefonisch, dass die Polizei derzeit hart durchgreife und das Mittel der „Präventivhaft“ umfangreich einsetze.
Die Regierung hat landesweit 89.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, in Paris sind es 8.000. Das sind rund ein Drittel mehr als am vergangenen Samstag, als bürgerkriegsähnliche Bilder um die Welt gingen. Einzelne Aktivisten rufen zur Einnahme des Elysée-Palasts auf, des Amtssitzes von Präsident Emmanuel Macron.
Pariser Touristen-Attraktionen wie Eiffelturm und Louvre sowie zahlreiche Geschäfte bleiben aus Furcht vor Chaos und Plünderungen geschlossen. Zudem bleiben 36 Stationen der U-Bahn und der Vorortbahnen RER geschlossen. Rund 50 Buslinien wurden unterbrochen oder umgeleitet.
Die Protestbewegung fordert den Rücktritt Macrons sowie allgemeine Steuersenkungen, höhere Renten und Löhne. Die bisherigen Zusagen der Regierung reichen den Aktivisten nicht aus.
Auch in anderen Teilen Frankreichs gab es Proteste mit Straßenblockaden. Jenseits von Frankreich machen Gelbwesten am Samstag auch in Belgien und den Niederlanden mobil. In Brüssel forderten Demonstranten den Rücktritt von Ministerpräsident Charles Michel. Eine kleine Gruppe warf mit Straßenschildern, Flaschen und anderen Gegenständen, um sich Zugang zum EU-Parlament zu verschaffen. Die Polizei setzte Pfefferspray ein.
Friedlicher war es im niederländischen Rotterdam. Dort zogen ein paar Hundert Gelbwesten singend über die Erasmus-Brücke und überreichten Passanten Blumen.
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