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Protest gegen das kanadische TTIP„So viele Investorenrechte wie nie“

Der Widerstand gegen TTIP, den Freihandelspakt mit den USA, wächst. Dabei bedroht auch das geplante Abkommen mit Kanada die Demokratie, warnt Scott Sinclair.

14. Mai, Tag des Widerstands in Ottawa: Auch in Kanada gibt es immer mehr Protest gegen das Freihandelsabkommen mit der EU Bild: reuters
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Sinclair, Europa und Kanada verhandeln über ein Freihandelsabkommen namens Ceta. Warum sind Sie gegen diesen Vertrag?

Scott Sinclair: Dieses Abkommen würde den Investoren so viele Rechte einräumen wie noch nie. Ausländische Konzerne könnten vor internationalen Schiedsgerichten gegen die Staaten klagen, sobald sie glauben, dass ihre Gewinnmöglichkeiten eingeschränkt werden.

Die EU-Kommission behauptet, Missbrauch sei ausgeschlossen.

Das ist Schönfärberei. Hinter den Kulissen drängt die EU-Kommission darauf, dass die Kanadier ihr Patentrecht oder ihre Bankenregulierung lockern.

Das Ceta-Abkommen ist geheim. Die EU-Kommission hat nur einige Auszüge veröffentlicht. Wie aussagekräftig sind diese Textstellen?

Die EU-Kommission hat wichtige Passagen ausgewählt. Aber die beigefügten Erläuterungen sind tendenziös. Zum Beispiel behauptet die Kommission, dass die Staaten weiterhin Schutzvorschriften für die Umwelt oder die Verbraucher erlassen könnten. Aber es wird verschwiegen, dass diese Vorschriften den Investorenschutz nicht beeinträchtigen dürfen.

Weltweit wurden rund 3.200 bilaterale Investorenschutzabkommen abgeschlossen. Was ist an Ceta anders?

Ceta ist ein sogenanntes „Abkommen des 21. Jahrhunderts“. Nur ein Beispiel: Das Kapitel zum Investorenschutz enthält neue Regeln über den „Marktzugang“, die öffentliche Monopole oder spezielle Anbieter verhindern würden. Das würde auch für die lokale und regionale Ebene gelten. Es wäre nicht mehr möglich, Wasserwerke oder Elektrizitätswerke wieder zu verstaatlichen.

Im Interview: Scott Sinclair

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Canadian Centre for Policy Alternatives. Für eine Ceta-Expertenanhörung im Agrarausschuss des Bundestages war er in Berlin.

Die EU-Kommission versichert, dass die Wasserversorgung bei Ceta ausgenommen sei – durch eine „Negativliste“.

Dieser Ansatz ist sehr gefährlich, weil bei einer Negativliste alles erlaubt ist, was nicht ausdrücklich verboten ist. Viel besser wäre eine „Positivliste“, die alles ausschließt, was nicht ausdrücklich erwähnt ist.

Sie haben schon an vielen Beratungen über Handelsabkommen teilgenommen. Ist die Geheimniskrämerei der EU-Kommission normal?

Die Geheimhaltung nimmt ständig zu. Dies gilt nicht nur für Ceta, sondern auch für andere Verträge wie TTIP, TPP oder Tisa. Manchmal gelten Dokumente als vertraulich, auch nachdem die Verhandlungen abgeschlossen sind. Das ist antidemokratisch. Bei anderen Verträgen wie etwa zum Klimaschutz werden alle Texte laufend während der Verhandlungen veröffentlicht.

Ceta wird seit 2009 verhandelt. Wann ist der Vertrag fertig?

Das weiß niemand. Es scheint immer noch Differenzen zwischen den Europäern und Kanada zu geben – und zwischen der EU-Kommission und einigen EU-Mitgliedstaaten. Vor allen der Investorenschutz ist in einigen Ländern umstritten.

Würde Kanada ein Abkommen akzeptieren, das keinen Investorenschutz enthält?

Falls Kanada keine Wahl hätte, würde es auf den Investorenschutz verzichten. Die konservative Regierung in Kanada möchte dieses Abkommen unbedingt abschließen.

In Europa wächst der Widerstand gegen Freihandelsabkommen. Wie ist es in Kanada?

Der Widerstand könnte größer sein. Aber 70 Städte haben schon Resolutionen gegen Ceta verabschiedet. Darunter sind auch Toronto und Montreal.

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3 Kommentare

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  • "Investorenschutz" ... Ich glaub' es hackt.

     

    "Investorenschutz" sollte besser mal das bezeichnen, was unser Staat gegen genau diese schäbige Sorte Investoren dringend nötig hat.

     

    "Invasorenschutz" könnte man das auch nennen.

  • Es scheint, es geht hier nicht um den Ausgleich von kanadischen und europäischen Interessen sondern um die Umgehung der demokratischen Verfahren. Jeder Gesetzesentwurf geht durch öffentliche Diskussion und Beratung. Er kann jederzeit durch einfaches Gesetz wieder geändert werden. Gerichte können ihn einschränkend auslegen oder gar ganz für unwirksam erklären.

    Ein völkerrechtliches Abkommen steht dagegen über Verfassung und nationaler Gerichtsbarkeit. Dazu wird es geheim verhandelt und nur die Vertreter der Industrie sind in den Verhandlungsprozess einbezogen. Weder das kanadische noch das europäische Volk will dieses Abkommen - es sind die multinationalen Konzerne, die davon profitieren werden.

    Da ein Abkommen über der Verfassung steht, muss es vor der Abstimmung in den Parlamenten und in der Öffentlichkeit ausführlich diskutiert werden. Das Parlament und die Öffentlichkeit müssen in die Verhandlungen mit eingebunden werden. So lange nur ein elitärer nicht legitimierter Zirkel verhandelt, fehlt einem so ausgehandelten Vertragsentwurf jegliche Autorität.

    • @Velofisch:

      Vor allem muss der Bürger auch über die Details von CETA abstimmen wie zB die Resale Rechte. Neue Resale Rechte müssen implementiert werden, welche Künstlern Royalties verschafft basierend auf jegliche Resales ihrer Arbeit. Es muss hier Schluss gemacht werden mit dem kanadischen Imperialismus in der EU. Ebenso müssen die Indianerrechte in Kanada gestärkt werden, und die Ausrottung des Eisbärs aufgrund der Klimakatastrophe muss beendet werden. Am besten dazu auch eine Volksabstimmung.