Protest gegen Reform des Arbeitsrechts: Generalstreik in Frankreich
In Frankreich protestieren Gewerkschaften, Studenten- und Schülerorganisationen gegen eine geplante Reform des Arbeitsrechts – sie sei zu unternehmerfreundlich.
Aus Protest gegen die Pläne der sozialistischen Regierung blockierten Schüler zudem im Großraum Paris die Zugänge zu rund 50 Gymnasien, wie eine Schülerorganisation erklärte. Auch in anderen französischen Städten gab es Blockaden vor Schulen.
Die Gewerkschaften gehen schon seit Wochen gegen die Pläne von Präsident François Hollande für eine Lockerung des französischen Arbeitsrechts auf die Barrikaden. Anfang März demonstrierten landesweit nach Angaben der Behörden mehr als 200.000 Menschen gegen die Reform, die Organisatoren sprachen sogar von rund 450.000 Demonstranten. Bei Protesten von Schülern vor einer Woche kam es zu schweren Ausschreitungen.
Im Kampf gegen die Rekordarbeitslosigkeit wollen Hollande und sein Premierminister Manuel Valls unter anderem die 35-Stunde-Woche lockern und die Regeln für betriebsbedingte Kündigungen vereinfachen. Gewerkschaften und Studentenorganisationen, aber auch der linke Parteiflügel der regierenden Sozialisten kritisieren die Reform als zu unternehmerfreundlich – und das auch nach Zugeständnissen der Regierung.
Das Kabinett hatte die Reform vergangene Woche beschlossen. Die Nationalversammlung wird ab dem 3. Mai im Plenum über das Vorhaben beraten. Bis dahin haben die Gewerkschaften bereits weitere Proteste angekündigt.
Die Knackpunkte des Vorhabens von Staatschef François Hollande im Überblick:
Lockerung der 35-Stunden-Woche
Prinzipiell werden Vereinbarungen innerhalb eines Unternehmens mehr Gewicht eingeräumt als Branchenvereinbarungen. So sollen künftig bereits Vereinbarungen zwischen den Mitarbeitern und der Leitung einer Firma ausreichen, um die Arbeitszeit für bis zu zwölf Wochen auf 46 Wochenstunden auszuweiten und den Lohnaufschlag für Überstunden von 25 Prozent auf zehn Prozent zu begrenzen.
Ursprünglich sollte den Chefs kleiner und mittlerer Unternehmen mit weniger als 50 Angestellten zudem erlaubt werden, alleine über eine weitere Lockerung der 35-Stunden-Woche zu entscheiden. Grundlage für die Bezahlung sollten Arbeitstage im Jahr und nicht mehr die Wochenarbeitsstunden sein. Die Regierung verzichtete aber auf das Vorhaben, sehr zum Leidwesen der Chefs kleiner Betriebe.
Klarere Regeln für betriebsbedingte Kündigungen
Präzisiert werden die Kriterien für betriebsbedingte Kündigungen, um Grauzonen abzuschaffen. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen von Arbeitsgerichten wegen unrechtmäßiger Kündigungen verurteilt werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind künftig unter anderem möglich, wenn ein Unternehmen vier Quartale in Folge Auftragsrückgänge oder Umsatzeinbußen verzeichnet oder einen Umstrukturierungsplan für mehr Wettbewerbsfähigkeit vorlegt. Richter sollen sicherstellen, dass internationale Konzerne ihre wirtschaftlichen Probleme in Frankreich nicht aufbauschen, um Entlassungen zu rechtfertigen.
Eine empfohlene Obergrenze für Abfindungen
Ursprünglich wollte die Regierung eine fixe Obergrenze für Abfindungen nach einer unrechtmäßigen Kündigung einziehen. Nach scharfen Protesten von Gewerkschaften entschied sie sich aber dafür, lediglich einen nicht verpflichtenden Richtwert vorzugeben. Das wiederum hat den Zorn der Arbeitgeber erregt, die auf eine fixe Obergrenze pochen.
Arbeitszeiten für Jugendliche
Für besonderen Zorn bei Jugendlichen sorgten die Pläne, längere Arbeitszeiten für nicht volljährige Lehrlinge etwa im Bausektor zu erleichtern. Eine Erhöhung der Arbeitszeit von acht auf zehn Stunden pro Tag sollte ohne vorherige Genehmigung der Arbeitsinspektion möglich sein – angesichts der Proteste zog die Regierung das Vorhaben aber zurück.
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