Protest gegen Polizeigewalt in Frankreich: 2.000 Pariser trotzen Demoverbot
Eine Kundgebung zur Erinnerung an einen 2016 bei einer Festnahme Verstorbenen wird untersagt – eigentlich. Nun wird gegen die Initiatorin ermittelt.
Gegen die Schwester, Assa Traoré, mittlerweile eine emblematische Figur der antirassistischen Bewegung, ermittelt jetzt die französische Justiz. Sie wird beschuldigt, eine Demonstration organisiert zu haben, die nicht bewilligt war. Ursprünglich hatte sie mit ihrem Solidaritätskomitee für Samstag zu einer Kundgebung im Norden von Paris aufgerufen. Das war aber – nach amtlicher Darstellung aus Angst vor neuerlichen Krawallen – verboten worden. Ebenso wurde der Alternativplan, sich auf der Place de la République in Paris zu treffen, nicht genehmigt.
Aus Protest dagegen und aus Solidarität mit den Opfern von Polizeigewalt trotzten am Samstag mehr als 2.000 Menschen dem Demonstrationsverbot und nahmen an einem improvisierten Marsch von der Place de la République zum Bahnhof Gare de l’Est teil. Die Polizei fühlte sich provoziert. Nachdem alles glimpflich endete, nahm die auf Motorrädern zirkulierende Antikrawallpolizei – man könnte fast meinen zur Vergeltung – Assas Bruder Youssouf fest. Auch gegen ihn soll nun ein Verfahren eingeleitet werden, laut Polizei hat er sich gewaltsam gewehrt.
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Damit dreht sich die Gewaltrepressionsspirale weiter. Das Lied dieser Drehorgel kennt man mehr als genug. Ginge es nach der Staatsführung, wäre „Polizeigewalt“ in Frankreich kein öffentliches Thema. Die Polizeigewerkschaften möchten am liebsten verbieten lassen, dass dieser für sie verleumderisch klingende Ausdruck überhaupt verwendet wird. Und aus Angst vor weiteren Unruhen will sich Präsident Emmanuel Macron nicht mit den Polizeigewerkschaften anlegen. Eine Reform der Polizei ist für ihn kein Thema.
Mit einer Einschränkung demokratischer Rechte aber lässt sich die notwendige Debatte nicht verdrängen. Es muss möglich sein, über übermäßige oder unzulässige Gewalt und über Rassismus in den Reihen der Polizei zu diskutieren, ohne mit randalierenden „Chaoten“ gleichgesetzt zu werden. Wenn friedliche Kundgebungen verboten werden, ist es kein Wunder, dass einigen Jugendlichen Gewalt als einziges „Argument“ erscheint.
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