Protest gegen Lebensmittelpreise in Kenia: Tote bei Ausschreitungen
Vor allem Jugendliche protestieren gegen wirtschaftliche Ungleichheit. Sie blockierten Straßen und griffen Polizisten an. Sechs Menschen starben.

Fast zwei Tage lang haben vor allem Jugendliche in der Hauptstadt Nairobi, aber auch in anderen Städten wie Mombasa demonstriert. Sie blockierten wichtige Überlandstraßen mit brennenden Reifen, warfen Steine gegen die anrückenden Polizeieinheiten.
Ein Angriffsziel der Protestler war eine Mautstation am Stadtrand von Nairobi, wo Autofahrer ihre Gebühren für die Nutzung des Express-Highways nach Mombasa bezahlen müssen. Für viele ist dies ein Symbol der wirtschaftlichen Ungleichheit im Land: Während die reichen Leute die Maut bezahlen, stehen die Armen im Stau.
Im Verlauf der Proteste kam es zu Plünderungen von Läden und Warendepots. Die Polizei rückte mit Gummigeschossen und Tränengas an, um die Demonstrationen zu stoppen. Bereits nach Protesten vergangene Woche hatte die Regierung sämtliche Demonstrationen verboten.
Polizei erschießt Demonstrierende
Dieses Mal griff die Polizei deswegen hart durch. Mindestens vier der Toten seien von Polizisten erschossen worden, so die Polizeierklärung. Zwei Demonstranten hätten zuvor eine Polizeistation in Brand gesetzt, ein weiterer Protestler sei bei einem Angriff auf einen Polizeikonvoi auf einem Highway am Stadtrand von Nairobi ums Leben gekommen. Über 50 Kinder im Alter zwischen zehn und 15 Jahren mussten laut Angaben der Schule Eagle Nursing Home in Nairobi im Krankenhaus behandelt werden, nachdem Tränengas in ihre Klassenzimmer gesprüht worden war.
Opposition ruft zu landesweiten Protesten auf
Die Opposition hatte am Mittwoch zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit zu landesweiten Protesten aufgerufen. Der Grund sind steigende Preise als Folge einer jüngst von der Regierung beschlossenen Steuererhebung, so Oppositionsführer Raila Odinga. Er hat angekündigt, nächste Woche erneut drei Tage lang protestieren zu wollen.
Kenias Innenminister Kithure Kindiki warnt die Protestler vor harten Konsequenzen: Die Behörden würden ein solches Chaos nicht weiter zulassen: „Diese Kultur der Straflosigkeit wird ein Ende haben!“ Kenias Polizeichef Japhat Koome hatte bereits am Dienstag klargestellt, dass jegliche unangemeldeten Protestaktionen gegen das Gesetz seien und die Polizei dagegen mit harter Hand vorgehen werde.

Oppositionsführer Odinga beschuldigte in einem Interview die Polizei, an der Eskalation schuldig zu sein: „Unsere Proteste sind so lange friedlich, bis die Polizei kommt und versucht und auseinander zu treiben“, sagte er. Kenias Menschenrechtskommission hat angekündigt, die Umstände der Tötung der sechs Demonstranten untersuchen zu wollen.
Hohe Preise als Folge der Corona-Pandemie
Kenia ist eines von vielen Ländern Afrikas, die noch immer mit den Langzeitfolgen der Corona-Pandemie zu kämpfen haben. Die zu Zeiten des Lockdowns stark angestiegenen Preise sind nie wieder hinuntergegangen. Spürbar wird dies vor allem bei den hohen Kosten für Benzin und Diesel, die Preissteigerungen bei fast allen anderen Waren zur Folge haben, weil fast alles mit Lastwagen transportiert werden muss.
Wie andere Staaten kämpft auch Kenia zudem mit einer hohen Staatsverschuldung. Dies erzeugt für die Steuerzahler eine Last, diese Schulden mit hohen Zinsen abbezahlen müssen. Ende Juni wurde im Kabinett der neue Haushaltsplan verabschiedet. Darin sind weitere Steuererhebungen auf Benzin und Diesel vorgesehen, was zu weiteren Preisanstiegen führen wird. Gegen diese protestiert nun die Opposition. Präsident William Ruto war vergangenen September mit einem Versprechen an die Kenianer ins Amt gezogen, dass er den armen Leuten das Leben erleichtern würde. Jetzt zeigt sich, dass dieses Versprechen nicht gehalten wird.
Kenias Geschäftsverband (KEPSA) schätzt, dass sich der Sachschaden durch geplünderte Läden, Lastwagen und Depots auf umgerechnet fast 19 Millionen Euro beziffern könnte. Sollte die Wirtschaft und der Handel nächste Woche durch weitere Aktionen am Boden liegen, könnten die Preise sogar noch weiter steigen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links