Protest gegen Gentrifizierung in Berlin: Google-Campus kurzzeitig besetzt
Rund 60 Menschen fordern den Rückzug des US-Konzerns aus Kreuzberg und Berlin. Die Aktion ist auch eine Kritik an der Wohnungspolitik des Senats.
Rund 60 Aktivisten haben am Freitagmittag den so genannten Google-Campus in einem früheren Umspannwerk in Berlin-Kreuzberg besetzt. Sie protestierten damit nach eigener Aussage gegen die „explodierenden Mieten“ in Berlin, die auch eine Folge von Firmenansiedlungen sei, und forderten, dass sich das US-amerikanische Unternehmen aus Berlin zurückzieht. Für den frühen Abend luden sie zu einer „Kiezversammlung“ in dem Gebäude ein.
Ob diese allerdings überhaupt stattfinden wird, ist noch unklar. Denn nach anfänglicher Zurückhaltung 15.20 Uhr eine Blockade vor dem Haus und anschließend auch das Gebäude. Es gab zumindest eine Festnahme. Viele Besetzer verließen von sich aus das Haus, in dem Google eine Art Digitallab aufbauen will.
Sich selbst bezeichneten die Besetzer in einer Mitteilung als „prekär Beschäftige, stolze Arbeitslose, lohnarbeitende Studierende, wütende Programmiererinnen, Unterbezahlte in der Kulturindustrie – alles stinknormale Mieterinnen und Mieter in Berlin.“
Hoffnungen auf eine andere Liegenschaftspolitik des seit Ende 2016 regierenden rot-rot-grünen Senats haben sie laut der Mitteilung nicht mehr: „Die ewigen Versprechen und Beteuerungen von Seiten des Staates interessieren uns nicht.“ Es müsse damit Schluss sein, dass Gebäude wie das Umspannwerk Unternehmen und Wohlhabenden „als Prestige- und Anlageobjekte“ zur Verfügung stehen. „Die Antwort muss heißen: Eigentum infrage stellen, besetzen, enteignen und somit sofort Wohnraum für alle zur Verfügung stellen, die in den innenstädtischen Bezirken ein Dach über den Kopf gebrauchen können.“ Zudem kritisierten sie die Firmenpolitik von Google, die auf das Sammeln, Speichern und Auswerten von privater Daten ausgerichtet sei.
Bereits zu Pfingsten hatten Aktivisten in Berlin ein Haus besetzt und damit auch öffentlichkeitswirksam gegen die Politik des Berliner Senats und der linken Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher protestiert. Das Haus gehörte einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft; trotzdem wurden die Besetzer schnell geräumt.
In der Folge hatten SPD, Grüne und Linke über den künftigen Umgang mit Hausbesetzungen diskutiert. Insbesondere die Linke sprach sich dafür aus, künftig Hausbesetzungen in bestimmten Fällen zu dulden, etwa wenn für ein leerstehendes Gebäude keine unmittelbare Nutzung absehbar sei.
Im Falle des Google-Campus sieht die Lage allerdings etwas anders aus: Es ist offenbar im Eigentum eines privaten Investors, der räumen lassen kann; auch Google als Mieter dürfte das Recht dazu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag