Protest gegen Entwicklungshilfe-Reform: Demonstrationen gegen Dirk Niebel
Gegen die Entwicklungshilfereform gehen die Gewerkschaften auf die Straße. Ärzte ohne Grenzen protestieren gegen Kürzungen beim Kampf gegen Aids und Malaria.
BERLIN taz | Es nieselt, es ist kalt und ungemütlich. Ein kleines Grüppchen trotzt dem Wetter, und das um halb neun in der Früh. Acht Gewerkschafter, ein mittelgroßes Transparent und eine klare Botschaft: "Herr Niebel, Wort halten!"
Sie stehen vor dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Hausherr Dirk Niebel (FDP) ist das Ziel der Protestaktion. "Wir wollen die Kollegen informieren", sagt Michael Schwartzkopff, "und Druck auf die Ministeriumsspitze ausüben!" Schwartzkopff ist Betriebsrat bei der Weiterbildungsagentur InWEnt, einer der drei großen Entwicklungsorganisationen, die Niebel noch im Herbst zu einer einzigen Organisation fusionieren möchte. Die InWEnt-Mitarbeiter befürchten, dass bei der Zusammenlegung die Rechte der Beschäftigten unter die Räder kommen könnten.
Die Gewerkschaft Ver.di fordert deshalb einen Überleitungstarifvertrag, um die Fusion sozialverträglich zu gestalten. Den hat Niebel zwar auch zugesagt, das Ministerium will aber erst nach dem Zusammenschluss darüber verhandeln. Dagegen wehrt sich Ver.di: "Wenn die Arbeitgeber erst die Fakten schaffen und dann über einen Tarifvertrag reden wollen, kann das nicht funktionieren", sagt Gewerkschaftssekretär André Pollmann.
Für Niebels Ministerium ist das nicht der einzige Brandherd an diesem Tag. Nur anderthalb Stunden später und einige hundert Meter nordwestlich steht wieder eine Gruppe Protestierender im Regen. Vor dem Kanzleramt machen etwa 50 Aktivisten der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ihrem Ärger Luft.
Grund dafür sind Pläne des Entwicklungsministeriums, die Finanzierungszusagen an den Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria in den nächsten drei Jahren von 600 auf 200 Millionen Euro zu verringern. Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne, meint: "Wir brauchen eine Verdoppelung der Mittel und keine radikale Kürzung!" Mit den einzusparenden 400 Millionen Euro könnten 350.000 HIV-Infizierte für drei Jahre behandelt werden. Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, haben die Aktivisten vor dem Kanzleramt ein Behandlungszelt aufgestellt, in einer langen Reihe stehen sie davor Schlange. Aber die Medikamentenausgabe wird gestoppt: Eine Merkel-Figur verschließt das Zelt mit einem überdimensionalen Schloss. "Wegen Kürzungen geschlossen" steht auf einem Schild.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden