Prophet gegen Coronavirus: T.B. Joshua hat sich geirrt
In Nigeria prophezeite einer der bekanntesten Pfingstkirchenführer das Ende des Coronavirus für vergangenen Freitag. Es kam anders.
Der 27. März kam und ging, aber das Coronavirus ist noch da. Am Montag abend hat Präsident Muhammadu Buhari über Nigerias Hauptstadt Abuja, das riesige Lagos sowie den angrenzenden Bundesstaat Ogun totale Ausgangssperren verhängt, die den Alltag komplett stillstehen lassen sollen. Vorerst sollen sie zwei Wochen lang gelten.
Am Dienstagmittag hat das Land zwar erst 135 bestätigte Fälle, zwei Menschen sind an den Folgen gestorben – aber das über 180 Millionen Einwohner zählende Nigeria will keinesfalls auf eine unkontrollierte Pandemie warten, um harte Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.
Dennoch haben Propheten wie T.B. Joshua in Nigeria Hochkonjunktur. Der 56-Jährige, der öffentlich nie unter seinem vollen Namen Temitope Balogun Joshua firmiert und eigenen Angaben zufolge aus armen Verhältnissen kommt, hat sich seit Mitte der 1980er Jahre ein Kirchenimperium aufgebaut, dessen Wert das Magazin Forbes bereits im Jahr 2011 auf 10 bis 15 Millionen US-Dollar schätzte.
Propheten-Portraits in Polit-Büros
Der Geschäftsplan ist einfach: Joshua propagiert, Menschen von schweren Krankheiten zu heilen. Vor laufender Kamera bringt er dann Lahme wieder auf die Beine und zaubert Zertifikate hervor, die negative HIV-Tests bestätigen. Die Mitarbeiter*innen passen auf, dass Journalist*innen nicht zu kritische Nachfragen stellen oder gar mit Kirchenbesucher*innen ins Gespräch kommen.
Eine weitere Säule bilden Charity-Aktivitäten. Witwen, die oft sozial benachteiligt werden, sind beliebte Almosen-Empfängerinnen. Medial bereitet das der 2006 gegründete Sender Emmanuel TV auf und dokumentiert alles, was der Prophet macht.
Außerdem sorgt Emmanuel TV dafür, dass Joshua weltweit Anhänger*innen hat. Egal ob in Ghana oder Liberia: Die Porträts des Propheten hängen in vielen Büros und Privathäusern – häufig auch solchen von Politiker*innen.
Besonders hoch ist der Beliebtheitsgrad des Nigerianers in Südafrika. Das wurde im September 2014 allerdings 84 Südafrikaner*innen zum Verhängnis. In Lagos stürzte ein Kirchengebäude ein, zu dem auch ein Hotel für die Pilger*innen aus Ländern wie Südafrika gehörte. 115 Menschen starben insgesamt. Der Prozess wurde mehrfach verschoben.
Verbot von Gottesdiensten
An seiner Beliebtheit hat das nichts geändert. In Nigeria äußert sich vermutlich kein anderer Pastor so oft mit Prophezeiungen wie T.B. Joshua. Oft sind es Handlungsanweisungen an die nigerianische Regierung – etwa mehr in die Landwirtschaft zu investieren –, denen man problemlos zustimmen kann.
Meist liegt der Prophet jedoch daneben. 2016 wurde nicht Hillary Clinton in den USA zur Präsidenten gewählt, Nigerias Südostregion Biafra ist noch immer kein eigener Staat – und das Coronavirus ist weiterhin allgegenwärtig.
So allgegenwärtig, dass in Lagos Gottesdienste schon längst verboten sind. Wo sonst könnte sich das Virus schließlich besser ausbreiten als in einer Kirche, in der tausende Menschen dicht gedrängt beieinandersitzen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Gastbeitrag in der „Welt am Sonntag“
Bequem gemacht im Pseudoliberalismus