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Propaganda in PekingFrieden spielen in Peking

Ein Tiktok-Clip der Linksjugend Solid feiert die „World Youth Conference for Peace“ in Peking. Doch Repression und Zwangsarbeit werden ausgeblendet.

Ein Soldat und ein Junge bei einer Ausstellung in Peking: Friede, Freude, Zwangsarbeit Foto: Claro Cortes/Reuters

„80 Jahre Sieg über den Faschismus. 80 Jahre Vereinte Nationen. Wir halten fest am Menschheitstraum einer friedlichen Welt“, erklärt eine Bundessprecherin der Linksjugend Solid in einem Tiktok-Video. Dazu: Historische Aufnahmen in Schwarz-Weiß von der Sprengung des Hakenkreuzes auf dem Nürnberger Zeppelinfeld und der Gründung der Vereinten Nationen 1945.

Dann spricht eine zweite Person, Mitglied im Parteivorstand der Linken: „Deswegen sind wir heute bei der World Youth Conference for Peace in Beijing – mit jungen Menschen aus über 130 Nationen“.

Zu sehen sind langsame Kamerafahrten, die dem Video eine träumerische Schwere verleihen: Das Publikum blickt gebannt auf die riesige LED-Bühne; ein chinesischer Chor singt John Lennons Friedenshymne „Imagine“; junge Teilnehmende lächeln in die Kamera. Alles wirkt glatt produziert, emotional aufgeladen.

„Wir? Das sind Mitglieder der Linksjugend Solid, der Linken und Sti­pen­dia­t:in­nen der Rosa-Luxemburg-Stiftung“, heißt es weiter. Eine zweite Bundessprecherin der Jugendorganisation, gekleidet in ein knallrotes Sakko mit einer Friedenstaube als Ansteckpin, appelliert unter feierlicher Musik an „Frieden“ und „Dialog“. Entscheidend seien „geteilte, universelle Werte von Menschenrechten, Naturschutz und Gerechtigkeit“. Ein Clip, der ebenso gut aus dem PR-Büro des chinesischen Außenministeriums stammen könnte.

Wer steckt hinter dieser Konferenz? Woher kommt diese unkritische Haltung der Linksjugend Solid gegenüber China?

So unschuldig, wie es im Tiktok-Video wirkt, ist die Veranstaltung nämlich nicht. Die „World Youth Conference for Peace“, die Ende Juli, das erste Mal stattfand und an der laut staatlichen Medienberichten über 3.000 Menschen teilnahmen, ist kein harmloses Jugendtreffen.

Kritik verdrängen

Es ist ein Prestigeprojekt des Parteiapparats. Veranstaltet wurde die Konferenz von der Peking-Universität, die, wie alle chinesischen Hochschulen, unter politischer Kontrolle der Kommunistischen Partei Chinas (KP) steht, sowie von der All-China Youth Federation und der Chinese People’s Association for Friendship with Foreign Countries. Beide Organisationen klingen nach Zivilgesellschaft, sind tatsächlich aber tief im Machtapparat verankert.

Die All-China Youth Federation ist ein Dachverband chinesischer Jugendorganisationen und faktisch ein Organ der kommunistischen Jugendliga, das der KP unterstellt ist und ideologisch in ihrem Sinn agiert.

Der zweite Organisator gehört laut internationalen Si­cher­heits­ex­per­t:in­nen zum United Front-Netzwerk der Partei, einem Geflecht aus Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen im In- und Ausland, das gezielt Kontakte zu „Freunden Chinas“ knüpfen soll, die bereit sind, Pekings Interessen zu fördern.

Laut Mercator Institute for China Studies verfolgt Peking immer offensiver das Ziel, die öffentliche Meinung im Ausland im Sinne der Partei zu steuern. Ausländische Stimmen sollen gezielt über Tiktok oder Youtube jüngere Zielgruppen ansprechen. Damit will das Regime Kritik an Menschenrechtsverletzungen verdrängen.

Mit Nachsicht begegnet

Wie stark die Parallelen zwischen dem Tiktok-Video der Linksjugend Solid und den Narrativen des Regimes sind, zeigt sich auch an Xi Jinpings persönlicher Grußbotschaft an die Jugendkonferenz. Er eröffnete seine Nachricht mit dem 80. Jahrestag, an dem das „chinesische Volk“ gemeinsam mit der Welt den Faschismus besiegt habe. Ein historischer Bezug, der, ähnlich wie im Tiktok-Video, als narrativer Ausgangspunkt für die Konferenz dient und Chinas Rolle als friedensstiftenden Gastgeber hervorheben soll.

Eine Anfrage der taz, wie die Linksjugend Solid vor diesem Hintergrund ihre Teilnahme an der Regime-Konferenz bewertet und ob es sich um eine gesponserte Reise handelte, blieb unbeantwortet.

Auch im öffentlichen Diskurs ist zu beobachten, dass die Linke Peking immer wieder mit Nachsicht begegnet. Das hat auch ideologische Gründe: Wer sich sozialistisch nennt und gezielt ein Image als „Fürsprecher des Globalen Südens“, „Befreier von kolonialer Bevormundung“ und antiwestliche Friedensmacht kultiviert, so wie Peking seit Jahren, erscheint manchen automatisch als bessere Alternative zu den USA.

Die Parteispitze wirbt immer wieder für eine Annäherung an Peking etwa, indem China als ehrlicher Friedensvermittler im Ukrainekrieg ins Spiel gebracht wird, während es Putins Kriegsmaschinerie stützt. Nicht verwunderlich, dass auch große Teile des linken Nachwuchses die Nähe zu China suchen.

Institutionell ist diese Nähe auch über die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung verankert. Ihr Büro in Peking gibt auf seiner Website an, mit Organisationen des chinesischen Regimes zu kooperieren.

Wer die Narrative der KP übernimmt und mit ihr kooperiert, muss sich die Frage gefallen lassen, was ein „hoch lebe die internationale Solidarität“ noch wert ist, wenn diese dort endet, wo Chinas Herrschaft beginnt.

Die systematischen Menschenrechtsverbrechen der KP sind gut dokumentiert. Naivität kann keine Ausrede sein: Im Inneren hat das Regime eine technologische Überwachungsdystopie errichtet, mit der die Bevölkerung lückenlos kontrolliert werden soll.

Menschenrechtsorganisationen legten Zwangsarbeit, Internierung und Folter von Ui­gu­r:in­nen und anderen muslimischen Minderheiten in staatlich betriebenen Lagersystemen offen.

Zwangsassimiliert

Tibetische Kinder werden in Internaten zwangsassimiliert, um die tibetische Kultur und Sprache auszulöschen. Auch die militärischen Aggressionen der KP sind bekannt. Staatsmedien zelebrieren modernste Kriegswaffen, das Militär probt in großangelegten Manövern die Invasion Taiwans. In martialischer Rhetorik droht das Regime der demokratisch regierten Insel immer unverhohlener mit Unterwerfung – koste es, was es wolle.

In Hongkong schreitet die Entrechtung seit Jahren voran. Aktivist:innen, die nach der Zerschlagung der Demokratiebewegung 2019 ins Exil geflohen sind, warnen vor Pekings verlängertem Arm.

Auch im Ausland sind Diaspora-Communitys und chinesische Dis­si­den­t:in­nen nicht sicher. Organisationen wie Reporters Without Borders dokumentieren immer wieder Fälle sogenannter transnationaler Repression, bei denen chinesische Geheimdienste Exil­jour­na­lis­t:in­nen ausspähen. Betroffene berichten von Drohungen – auch gegen ihre im Heimatland verbliebenen Angehörigen.

All das zeigt, wie sehr Pekings Selbstinszenierung und politische Praxis auseinanderklaffen. Doch wenn das Regime rot lackiert ist, gehen manche bereitwillig Kompromisse ein und kooperieren mit einem autoritären System, das mit „Frieden“ und „Menschenrechten“ nur wenig zu tun hat.

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