Projekt zur globalen Energiewende: Ideenaustausch in Irland
In einem Masterkurs in Irland sprechen internationale Ingenieure über die Energiewende. Sie merken: Ihre Staaten haben ähnliche Probleme.
Zusammen mit zwölf anderen jungen Leuten aus Asien, Afrika und Lateinamerika nimmt Restrepo an einem Masterkurs in Energie- und Umweltmanagement der Europa-Universität Flensburg teil. Der fünfwöchige Aufenthalt in Carrigaholt ist Teil des Studiums. Und es zeigt sich: Die Probleme und Erfolgsstrategien für nachhaltige und dezentrale Energieversorgung sind in Industrie- und Schwellenländern ähnlicher als gedacht.
Die Kursteilnehmer verfügen über ein abgeschlossenes Bachelorstudium und mehrere Jahre Berufserfahrung. Kanchan Bohara aus Nepal ist Elektroingenieurin, in Kathmandu doziert sie an einer privaten Hochschule. „In Entwicklungsländern wie Nepal herrscht Energiearmut. Wir sind hier, um neue Ideen und Energiekonzepte kennenzulernen und sie später zu Hause anzuwenden“, sagt die 28-Jährige. Die Bedingungen seien hier ähnlich wie in den Heimatländern, fügt Restrepo hinzu.
Damit verschiebt sich auch im Umweltbereich der Begriff der „Entwicklungshilfe“ in Richtung echter globaler Partnerschaft: Experten und Praktiker aus dem globalen Süden suchen nach Lösungen für die Probleme des Nordens. Gleichzeitig lernen sie aus der europäischen Situation für die Arbeit in ihren Heimatländern.
Das Fischerdorf Carrigaholt liegt an der Mündung des Moyarta, der hier in den Shannon fließt, den längsten Fluss der Britischen Inseln. Vom Hafen aus fahren Boote zur Mündung des Shannon, wo die größte Tümmlerherde Europas lebt. Loop Head ist 2010 zur European Destination of Excellence (EDEN) im Bereich Wassertourismus ernannt worden – ein Projekt der Europäischen Kommission zur Förderung nachhaltiger Tourismusmodelle.
Kanchan Bohara aus Nepal
Das ist auch das Konzept des Loop Head Energy Action Partnership (LEAP), des irischen Partners des Flensburger Programms. „Dazu gehört nachhaltige Energie“, sagt John Aston, ein Mitbegründer von LEAP. Mit Hilfe der Flensburger will man zunächst herausfinden, wie viel Strom auf der Halbinsel benötigt wird, wie viel davon importiert und wie viel vor Ort generiert werden könnte. Die Mitarbeit der BewohnerInnen ist dabei entscheidend. „Ziel ist es, eine lokale Initiative anzustoßen, bei der die Menschen gemeinsam an Energieprojekten arbeiten, ob Wind, Wasser oder Sonne. Der Anreiz ist, dass dadurch auch Jobs und Einkommen geschaffen werden“, sagt Ashton. Ähnliches gilt auch für viele Projekte in Kolumbien oder Nepal; die Kursteilnehmer fühlen sich an zu Hause erinnert.
Schlüssel zum Erfolg sei neben der Beteiligung der Bevölkerung auch die Unterstützung durch staatliche Stellen, meint Aston. Es gab in der Vergangenheit bereits ähnliche Projekte, aber die Initiative kam stets von den großen Energieunternehmen. „Dieses Projekt ist dagegen in der Gemeinschaft verankert“, sagt Aston. „Die Menschen sollen Teil der Lösung werden. Und diese Lösung muss für Bewohner und Touristen attraktiv sein.“
In den vergangenen 18 Jahren habe man solche Projekte in Schottland durchgeführt, sagt Bernd Möller, Professor an der Uni Flensburg, der das Projekt vor Ort begleitet. „Aber wegen des Brexit mussten wir mit Visaproblemen für die Studenten und Studentinnen rechnen“, sagt er. „Wir haben deshalb nach einem sicheren Ort gesucht, an dem ähnliche Probleme wie in den Heimatländern der Teilnehmer herrschen – eine schwache Infrastruktur und Energiearmut.“ Das Programm ist populär, 200 Leute hatten sich beworben.
Dabei ist es derzeit kalt und regnerisch in Carrigaholt, Touristen gibt es um diese Jahreszeit auch ohne Coronakrise kaum. Erst wenn es wärmer wird, kommen die Besucher – vor allem, um den Leuchtturm an der Spitze der Halbinsel zu besichtigen. Dort wurden einige Szenen der 8. Episode von „Star Wars“ gedreht. „Die meisten von uns sind solches Wetter nicht gewöhnt“, sagt Bohara, „aber die Menschen hier sind viel freundlicher als in Flensburg. Hier grüßt man sich auf der Straße.“ Man habe sehr viele Gespräche mit Ortsansässigen geführt, mit Betreibern von Hotels, Pensionen, Restaurants und Kleinunternehmen. Viele Bauern wollen kooperieren, sie haben eigene Ideen eingebracht. „Das muss auch so sein“, sagt Bohara. „Die Bewohner von Loop Head sollen diese Ideen ja umsetzen.“
Das Potenzial sei da, die Abhängigkeit von importiertem Strom zu reduzieren, sagt Möller: „Diese Initiative kann den Weg für andere Gemeinden ebnen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Wir kommen nächstes Jahr zurück nach Loop Head.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen