Projekt für migrantische Frauen: Ministerium streicht Förderung

Ein einzigartiges Projekt für junge migrantische Mütter in Berlin steht vor dem Aus. Das Bundesfamilienministerium streicht die Unterstützung.

Frau mit Kindewagen aus dem Ausgang der U-Bahn Rathaus Neukoelln in Berlin

Das Projekt „Gemeinsam stark“ begleitet migrantische Mütter in Berlin Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Je acht Frauen kamen jede Woche, zusammen mit ihren Säuglingen oder Kleinkindern. Sie frühstückten gemeinsam und sprachen über Themen, die sich aus ihrer Lebenssituation als Migrantinnen ergaben, die meisten hatten Fluchterfahrung. Es ging um den Alltag bei ihren Gesprächen: um Wohnungssuche, den oft fehlenden Kontakt zu Deutschen, seit März 2020 auch um die Pandemie. Doch nun pausieren fast alle Gruppen des Projekts „Gemeinsam stark“, das im Kindergesundheitshaus eines Neuköllner Klinikums statt fand: Das Geld fehlt.

Das Projekt zielt darauf, junge migrantische Mütter in der frühen Phase der Mutterschaft zu begleiten, ihnen Stabilität zu geben und die Möglichkeit, Freundschaften aufzubauen. Es ist in verschiedener Hinsicht einzigartig: Das rein weibliche Team besteht aus Psychologinnen und Sozialpädagoginnen, die psychoanalytisch geschult werden. Die Gruppenleiterinnen werden wöchentlich supervisiert, eine wissenschaftliche Studie begleitet es.

Mit 135.000 Euro war das Projekt vergangenes Jahr vom Bundesfamilienministerium gefördert worden. „Nach einem Besuch von Familienministerin Franziska Giffey haben wir uns Hoffnungen gemacht, dass die Förderung weiter geht“, sagt Gruppenleiterin Lea Stein.

Ein Kostenplan sei vom Ministerium bereits angefordert worden. Doch Ende Dezember kam kurzfristig die Absage. Eine konkrete Begründung gab es nicht.

„Eine Katastrophe“

„Für die Frauen ist das eine Katastrophe“, sagt Stein. Mehr als 700 Mütter mit ihren Kindern hätten seit Projektbeginn insgesamt teilgenommen. Drei Jahre sind die Teilnehmerinnen üblicherweise dabei, möglichst vom Beginn der Schwangerschaft bis zum Eintritt des Kindes in die Kita. Sie kommen aus unterschiedlichen Ländern und kulturellen Kontexten, viele sind aus Syrien geflohen.

Die meisten wohnen in Berliner Randbezirken, in vielen Fällen sozial isoliert. Die wöchentlich eineinhallb Stunden in der Gruppe waren ein Ankerpunkt für sie. „Sie wussten, dass wir auf sie warten“, sagt Stein. „Wenn eine nicht kam, haben wir nachgefragt.“

Doch gerade jetzt, mitten in der Pandemie, sind fünf von sieben Gruppen stillgelegt. „Die Situation momentan bedeutet für alle Menschen viel Unsicherheit“, sagt Stein. „Aber dass einer ihrer wichtigsten Bezugspunkte wegfällt, macht die Frauen besonders anfällig für psychische Probleme.“ Die Gruppe sei dazu da gewesen, Schönes und Schwieriges zu besprechen und sich aufgehoben zu fühlen. Viele Frauen hätten dafür nun keinen Ort mehr.

Derzeit ist das Team dabei, alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu suchen. „Gerade haben wir einen Preis von der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung gewonnen, die Projekte auszeichnet, die für die Gesellschaft arbeiten“, sagt Stein. „Das waren 1.000 Euro. Darüber haben wir uns gefreut, aber das ist natürlich ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Ein Antrag bei der Aktion Mensch ist gestellt – aber auch dann wären Eigenmittel von rund 30.000 Euro nötig, die das Team nun versucht, einzuwerben. Stein hofft auf eine Zwischenfinanzierung mit einem Träger vor Ort, der die Gruppentreffen zumindest bis Juli ermöglichen würde.

Aus dem Bundesfamilienministerium hieß es, eine Weiterförderung des Projekts durch das BMFSFJ habe aus „förderrechtlichen Gründen“ nicht erfolgen können: Voraussetzung für eine Förderung sei unter anderem, dass neue Maßnahmen während der Projektlaufzeit durchgeführt werden. Bereits begonnene Maßnahmen könnten nicht bewilligt werden.

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