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Programmkongress der Union in BerlinAngela ist für alle da

Unter inszeniertem Jubel präsentiert die CDU ihr Wahlprogramm. Die Inhalte sind egal. Denn der wichtigste Programmpunkt lautet: Angela Merkel.

Schwarz-rot? Interessante Farbwahl zur Präsentation des Wahlprogramms. Bild: dpa

BERLIN taz | Natürlich ist die Stimmung fast immer bombig, wenn der Seehofer-Horst in einem Bierzelt redet. Aber wenn das Publikum ausnahmsweise schwächelt, dann gebe es einen Trick, verrät Seehofer auf dem Podium. „Dann lobe ich einfach unsere herausragende Kanzlerin.“ Die Stimmung steige sofort rasant an.

Seehofers Trick funktioniert nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin. Die rund 600 Parteifunktionäre tun das, wozu sie CDU und CSU in die Opernwerkstätten im Stadtteil Mitte eingeladen haben. Sie jubeln. Sie klatschen fest, sehr fest in die Hände. Sie tun auch sonst alles, um glaubwürdig Begeisterung darzustellen. Angela Merkel, die in der ersten Reihe sitzt, grinst.

Vergessen ist aller Zwist zwischen ihr und dem wankelmütigen Bayern. Die Union hat am Montag auf einem Kongress ihr Wahlprogramm präsentiert, nein, ihr „Regierungsprogramm 2013–2017“. So nennt die Unionsspitze selbstbewusst das 127-Seiten-Papier. Als sei es nur eine Formsache, dass die Wähler ihr erneut die Regierung übertragen.

Der Zweck der Veranstaltung ist nicht etwa, das Programm zu beschließen, wie es andere Parteien auf Programmparteitagen taten. Der Zweck ist, es zu beklatschen. Und, viel wichtiger, die Kanzlerin gleich mit. Entsprechend sorgfältig hat die Regie das große Bejubeln inszeniert. Es gibt Einspielfilmchen, in denen sich alle Minister für ihre Arbeit loben. Es gibt „Interviews“ beflissener Moderatoren, in denen sich die Minister Wolfgang Schäuble, Ursula von der Leyen und Ilse Aigner noch mal loben. Und es gibt natürlich eine Rede der Kanzlerin.

„Programm von Maß und Mitte“

Die Wahlkämpferin Merkel baut Spannung auf. Am 22. September gehe es um eine Richtungsentscheidung, ruft sie. „Es geht darum, ob Deutschland mit CDU und CSU auf Erfolgskurs bleibt oder ob es mit SPD und Grünen bergab geht.“ Wie schon Seehofer widmet sie sich ausführlich den Steuerplänen ihrer Gegner. Die Union versucht die von Rot-Grün geplanten moderaten Belastungen für Gutverdiener als organisierte Jobvernichtung hinzustellen.

Die Union hingegen vertrete ein „Programm von Maß und Mitte“, sagt Merkel. Dann geht sie die Themen durch, die bereits vorab bekannt wurden. Die Angleichung der Mütterrenten, die Mietpreisbremse, den tariflichen Mindestlohn. Und sie schwört ihre Partei auf einen harten Wahlkampf ein. „Mehr und mehr zeigt sich: Es kommt auf jede Stimme an.“ Damit spielt sie auf das Desaster in Niedersachsen an, wo der beliebte CDU-Mann David McAllister hauchdünn gegen Rot-Grün verlor.

Die Union dürfe nicht nur zu denen gehen, die sie sowieso wählten, folgert Merkel. „Wir müssen auch zu den Menschen, die uns unbequeme Fragen stellen.“ Eindringlich wirbt sie für Geschlossenheit und Engagement – wie schon Seehofer oder Hessens Regierungschef Volker Bouffier zuvor. Es ist die bewährte konservative Pragmatismus: Sobald es um die Macht geht, ist jeder interne Streit vergessen. Dann ist nur noch: Jubel.

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11 Kommentare

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  • V
    vjr

    Köstlich, ihre Beobachtung, lieber Ulrich Schulte, liebe taz, danke!

    Doch Angela kann nur solange für alle da sein, solange es keine Alternative gibt – ich meine nicht zu Angela, denn die ist, vorläufig, nichts mehr nichts weniger als eine gute, ziemlich gute Besetzung der Rolle einer/s gütigen Herrscherin/s. Und eigentlich ist es – sachlich – völlig egal, wer diese Rolle spielt. Kann ruhig auch ein/e schlechtere/r Darsteller/in sein, wenn ihr ihn/sie denn wählt, also wählen lässt. Denn euer Wahl- und politisches System lässt bloss Parteien und ihre Listen zu. Und euere Stimmen werden darüber hinaus noch um"gewogen", um"gerechnet", also verzerrt (wahrscheinlich ein Erbe aus den Anfängen euerer Demokratie, als die Monarchie leicht schwächelnd ihre Macht an die Kommende/n abgeben musste, und sich zuverlässige Verbündete sicherte, die politischen Parteien).

    Die Alternative zu euerer "Postmonarchie" – oder wie es Andi Gross (siehe mehr-demokratie.de > Kuratorium) nennt, und/oder zitiert, zu eurem "repräsentativen Absolutismus" – wollt ihr, liebe Deutsche Mitbürger, noch nicht.

    Doch ihr diskutiert darüber schon, und zunehmend – gut, sehr gut, denn Aufklärung und Erkenntnis sind Voraussetzungen für Taten. Und die tut ihr schon, auch wenn noch als kleine, noch zarte Schritte (siehe mehr-demokratie.de > Erfolge). Wie spannend!

  • I
    Ingo

    "Die rund 600 Parteifunktionäre tun das, wozu sie CDU und CSU in die Opernwerkstätten im Stadtteil Mitte eingeladen haben."

     

    Paßt ja: In den Opernwerkstätten treffen sich die Vertreter des Operettenstaates...

  • I
    Indigo

    Ich habe bisher die Vorhaltungen gegen Merkel bezüglich ihrer DDR-Vergangenheit für ziemlich albern gehalten, aber diesen "Wahlparteitag" hätte die SED nicht besser hinbekommen.

  • S
    Sören

    Natürlich wäre die Union ziemlich dumm, wenn sie nicht die sehr populäre Kanzlerin in den Mittelpunkt stellen würde. Sie ist der größte Bonus der Partei, während Peer Steinbrück längst zu einem Klotz am Bein der SPD geworden ist.

     

    Der Angriff auf die rot-grünen Steuerpläne war absehbar; die Frage ist, ob das bei den Wählern hängen bleibt. Selbst die konservative "Welt" hat zugegeben, dass die Pläne nicht den Mittelstand belasten, sondern wirklich nur Gutverdiener. Angesichts der Schuldenbremse ist es richtig, einzelne Steuern zu erhöhen.

     

    Die Union setzt hier auf das Prinzip Hoffnung und verlässt sich auf Prognosen, die noch nie eingetroffen sind. Deshalb wird der "Finanzierungsvorbehalt" auch große Teile des Programms nach den Wahlen obsolet machen. Der Kanzlerin kann es egal sein, weil es wohl ihre letzte Wahl ist, und sich 2017 andere dem Wähler stellen müssen.

  • AU
    Andreas Urstadt

    ps

     

    Ich habe i Z Postabschluss Uni usw der CDU u deren Stiftungen usw die von Merke erwaehnten unbequemen Fragen gestellt. Die Antwort war Partialisierung. Partialisierung aber verfehlt Mass und Mitte und Regulation.

     

    Die andern Parteien inkl Gewerkschaften waren nicht besser.

     

    Die Leistung eines Landes kommt nicht von der Politik, die kommt von der Weltbevoelkerung, ohne die auch Deutschand nichts ist. Desto schlimmer, wenn sie global ausgehorcht wird.

  • A
    anke

    Ach ja, ehe ich es vergesse: Man soll ja immer mal ein Lob absondern. Danke also, liebe SPD und liebe Grüne, dass ihr mir geholfen habt, erwachsen zu werden.

  • A
    anke

    Kinder lieben es, wenn ihre Eltern einander loben. Sie fühlen sich dann doppelt sicher. Bleibt zu fragen, wer aus dem mündigen Bürger von '89 ein hilfloses Kind gemacht hat, und wie der Trick vonstatten ging.

     

    Die Union will allein regieren, kein Zweifel. Ihr internes Konfliktpotential ist viel zu groß, als dass sie sich einen Sack voll quasi-autistischer SPD-"Liebhaber" an den Hals wünschen dürfte. Nur deswegen ist Angela Merkel noch Kanzlerin – und nur deswegen müssen ihre Schneider jede Woche eine neue LKW-Ladung (alt-)rosafarbiger Stoff vernähen. Merkel gibt mit "Maß und Mitte" den Mutti-Part des Pädagogen-Dreamteams namens Union. Horst Seehofer macht den (leicht bazistisch veranlagten) Hausvater.

     

    Das Duo ist wiedererkennbar für jeden, der aus "geordneten Verhältnissen" stammt (oder doch gerne daher stammen würde). Und zwar ganz ohne Einsatz irgendwelcher Gehirnzellen. Einfach aus dem Bauch heraus. Diese Wiedererkennbarkeit honoriert der auf Grund realkapitalistischer Dauerzwänge unter einem permanenten Überforderungsgefühl leidende Wähler. "Gott sei Dank" sagt er sich, "wenigstens politisch muss ich nicht auch noch sein! Die machen das schon – und passen nebenbei noch auf mich auf."

     

    Wenn sie sich da mal nicht irren, die Wählerinnen und Wähler. Gerade in einer kapitalgesteuerten Wettbewerbsgesellschaft ist Politik nichts, was man allein denen überlassen dürfte, die sie freiwillig machen.

  • G
    gerstenmayer

    Unter inszeniertem Jubel präsentiert die CDU ihr Wahlprogramm

    war der jubel bei der spd ehrlicher? dort hätte dieser satz eher gepasst,es war doch lächerlich mit dem wissen

    dass steinbrück keine chance hat zu jubilieren,sorry

  • PA
    Peter A. Weber

    Friede, Freude, Eierkuchen bei der Präsentation des Wahlprogramms der CDU/CSU. Wohltaten für die bürgerliche Mitte, die auf weitere Geschenke gar nicht angewiesen sind - die Armen, Abgehängten, sozial Benachteiligten und Alten, die Unterstützung dringend benötigten, gehen leer aus. Aber diese Schicht gehört nicht zur Klientel der CDU/CSU und ist es auch nicht wert, daß um ihre Stimme geworben wird.

     

    Abgesehen davon hat Merkel ihre hohlen Versprechungen clevererweise mit dem Vorbehalt versehen, daß die Staatseinnahmen sprudeln. Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern, daß ein Konjunkturabschwung bevorsteht. Darüber hinaus enthält Merkels Füllhorn die üblichen Lockmittel, um den wohlhabenden Mittelstand zu ködern: Erhöhung der Kinderfreibeträge und Anhebung des Kindergeldes.

     

    Merkel nennt das: " ein "Programm von Maß und Mitte". Dabei ist es die übliche unsoziale Begünstigung von eh bereits Wohlhabenden. Von erhöhten Freibeträgen profitieren die Geringverdiener gar nicht oder wenig, während die höheren Einkommensbezieher den Nutzen daraus ziehen. Beim Kindergeld ist es ähnlich, denn die Betuchteren könnten gut und gerne auf eine Erhöhung oder sogar völlig auf das Kindergeld verzichten. Eine entsprechende soziale Reform bzgl. der Kindergeldleistungen, die den Ärmeren unter die Arme greift und die Privilegierten aus der Förderung herausnimmt oder die Leistungen reduziert, könnte ausgabenneutral ausfallen. Aber an so etwas denkt man bei den sog. Christlichen nicht.

  • K
    kroete

    Köstlich!

    Da ist sie, unsere volkseigene Angie, die zähneknirschend von ihrer Parteientourage für die familienfreundlichen Wohltaten für Besserverdienende ohne finanzielle Deckung brav beklatscht wird.

    Kräht die Angie auf dem Mist, ändert sich die Politik oder sie bleibt wie sie ist!

    Das Stimmvieh darf endlich aufwachen, wirkt diese Selbstinszenierung einfach nur lächerlich.

  • K
    Kraschyn

    Wie das ausgeht, weiß man doch jetzt schon.

    Ups 1: Wir können wegen Schuldenbremse unsere Versprechen nicht halten.

    Ups 2: Wir erhöhen die Mehrwertsteuer nochmal. Weil trotz Rekordsteuereinnahmen das nicht klappt.

    Ups 3: Dann wird die Hälfte des grünen Wahlprogramms umgesetzt.

    Ups 4: Auf die andere Hälfte grüner Programmatik wird eingedroschen, damit es nicht so auffällt.