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Prognose immer sichererFenster für 1,5 Grad schließt sich

UN-Wetterexperten erwarten einen globalen Temperaturrekord. Menschengemachter Klimawandel und das Phänomen El Niño würden sich aufaddieren.

Nach den Ak­ti­vis­t:in­nen legen sich auch For­sche­r:in­nen immer mehr fest: 1,5 Grad sind nicht haltbar

Genf dpa | Die globale Durchschnittstemperatur wird wahrscheinlich in einem der nächsten fünf Jahre erstmals mehr als 1,5 Grad über das vorindustrielle Niveau klettern. Das gab die Weltwetterorganisation (WMO) am Mittwoch in Genf in ihrer jüngsten Prognose bekannt. Die UN-Organisation hatte die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen dieser Schwelle voriges Jahr mit knapp 50 Prozent angegeben. Nun geht sie von 66 Prozent aus.

Bei der UN-Klimakonferenz in Paris wurde 2015 das Ziel vereinbart, die Erderwärmung im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, um globale Klimaschäden einzudämmen. Die WMO geht nicht davon aus, dass die Erderwärmung schon in den nächsten Jahren permanent über diese Marke klettert – das sei erst in 15 bis 20 Jahren zu erwarten. „Die WMO schlägt jedoch Alarm, weil wir die Stufe von 1,5 Grad immer häufiger temporär durchbrechen werden“, erklärte WMO-Generalsekretär Petteri Taalas.

Klimaforscher Andreas Fink vom Karlsruher Institut für Technologie sagte in einer Stellungnahme, dass „das Überschreiten dieses Schwellenwertes in einem der fünf kommenden Jahre als ein starkes Zeichen dafür interpretiert werden darf, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen nicht mehr zu halten ist“.

Die UN-Organisation rechnet damit, dass die mittlere Jahrestemperatur bis 2027 mindestens einmal einen Rekordwert erreicht. Grund dafür sei eine Kombination aus dem vom Menschen verursachten Klimawandel und dem natürlich auftretenden Klimaphänomen El Niño. „Dies wird weitreichende Auswirkungen auf Gesundheit, Nahrungsmittelsicherheit, Wassermanagement und die Umwelt haben“, warnte Taalas. „Wir müssen uns vorbereiten.“

Hotspot Arktis

El Niño und das Gegenstück La Niña begünstigen Extremwetter in vielen Weltregionen. El Niño treibt die globale Durchschnittstemperatur in die Höhe, während La Niña einen kühlenden Effekt hat. Sie tauchen abwechselnd alle paar Jahre auf.

In der Arktis wird die Erwärmung in den nächsten Jahren laut der Prognose drei mal stärker ausfallen als im globalen Durchschnitt. Die schmelzenden Permafrostböden in der Nordpolregion würden Siedlungen, Verkehrswege und Pipelines gefährden, sagte Taalas.

Die WMO erwartet in den Sommermonaten bis 2027 mehr Regen in Sibirien, Nordeuropa und der Sahelzone in Afrika. Der Amazonasregion stehe hingegen geringer Niederschlag bevor. Taalas sprach vom Risiko einer Dürre in der riesigen südamerikanischen Regenwaldzone, die zu steigenden Emissionen des Treibhausgases CO2 führen würde.

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16 Kommentare

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  • Die Sonnenaktivität steigt und sinkt ja auch zyklisch - und das hat Auswirkungen auf die Temperatur der Erdatmosphäre. Da ist das Maximum für die Jahre 2025-30 zu erwarten.

    Also, kurz gesagt, so um 2028 werden alle Menschen wissen, was ihnen bevorsteht, wenn sie nicht schleunigst dafür sorgen, dass die Klimakiller in Politik und Wirtschaft zur Rechenschaft gezogen werden.

  • Im allerbesten Fall werden die künftigen Fragen an die jetzige Generation lauten: Wo warst Du und was hast Du getan, als Deine Gesellschaft die Zerstörung der Klimas und der Natur aktiv betrieb, mit vollem Wissen über die resultierenden Toten, das Elend und Leid, die Geflüchteten, gegen sie sich tödlich abschotteten. Und was ist das für eine Justiz, die die verfolgt, die sich gegen diesen mörderischen Wahnsinn, wenn auch hilflos, wehren, anstatt diejenigen, die bereits jetzt nach allen vorliegenden Zahlen unzählige Tode verursacht haben und dabei sind, die Totenzahl weiter zu eskalieren.

    Die Politik des Klimawandels sollte unter der kriminologischen Brille betrachtet werden, die sie braucht. Und Staaten, die diese Politik betrieben, sollten nicht als Rechts-, sondern als Unrechtsstaaten definiert werden. Gelingt es nicht, diesen Wandel der Bewertung sehr schnell zu bewirken, wird es nicht gelingen, die schlimmsten Folgen noch zu begrenzen. Stattdessen werden wir eine äußerst brutale Klimaapartheid sehen, die tatsächlich bereits begonnen hat.

    • @PolitDiscussion:

      Ein deutlicher Kommentar, danke !

      Nur das Wörtlein "Klimawandel" klingt viel zu lieb. Wenn ich mir die aktuellen Schäden in Nordost-Italien anschaue, so kann man schon so objektiv sein, es als zählbaren 'Beginn der Klimakatastrophe' zu benennen.



      Und dann schauen wir mal in zwei Monaten, wie es bei uns aussieht. Denn während die Mauern um die reichen Staaten immer dicker werden, sind für uns Deutsche die Flugreisen in den Urlaub und der Protzkarren vor der Haustür immer noch die Norm.



      Wenn man wenigstens den Eindruck haben könnte, daß diesbezüglich einmal eine aktive Kommunikation von Regierungsseite zum verdummten Volk aufgenommen würde ... aber nein - das könnte ja die Wirtschaft ein paar Promille kosten. Diese Wirtschaft, die ebenfalls ihr Scherflein dazulegt, uns alle umzubringen. Uns alle : Pflanzen, Tiere und auch uns blöden Zweibeiner.

  • Ist ja schon gut! Jeder weiß inzwischen, dass es mit der menschlichen Spezies in nicht allzuweiter Zukunft zuende geht. Die Frage ist, machen wir noch etwas Vernünftiges oder schlagen wir uns die Köpfe ein. Ich fürchte zweites!

    • @Kappert Joachim:

      Ja, gewiss das Zweite. Paßt zu Menschen. Aber viel verwerflicher ist doch, daß wir alles andere mitreißen in die Klimahölle. Merkwürdigerweise wird bei der Beschreibung der Opfer immer alles außer den Menschen vergessen. Dabei ist der das Allerentbehrlichste.

  • Wenn ich mir betrachte, wie der Mensch allgemein, und der deutsche Politiker ebenso wie der deutsche Bürger, sich voller Ich-will-aber-... profitieren, nichts ändern, mich nicht beschränken, jeden Versuch der zukunftsfähigen Veränderung im Keim ersticken... wenn ich mir das betrachte, dann komme ich zu dem Schluss, dass das heraufziehende ungemütliche Aussterben unserer gewohnten Gesellschaft das einzig Sinnvolle an der ganzen Sache sein wird.

    • @Lotte Huber:

      Und in Deutschland wird diskutiert, ob ein Staatssekretär nun seinen Trauzeugen protegieren darf, der übrigens, was völlig unbeachtet blieb, ein ausgewiesener Fachexperte ist (!!), oder ob der andere Staatssekretär in seinem Vorleben auch mal Start-Ups beraten hat.

      Natürlich weiss ich, dass hinter diesen Diskussionen das eigentliche Kernthema, nämlich die Verhinderung von Gesetzen zum Klimaschutz, stecken.

      Aber zum Heulen, mindestens zum Verrücktwerden ist es trotzdem ...

    • @Lotte Huber:

      Ja, das sehe ich auch so.

      • @Der Allgäuer:

        Dito!!!

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    "Wir müssen uns vorbereiten". ???

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Klar sollten wir uns vorbereiten…höhere Deiche bauen, die Bevölkerung des Ahrtals in höher gelegene Regionen umsiedeln…usw.



      Das heißt ja nicht dass wir nicht gleichzeitig die Energiewende und den Ausstieg aus der Carbonwirtschaft vorantreiben sollen.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Saile:

        Umsiedlung im Ahrtal jetzt ist Nachbereitung dessen, worauf wir nicht vorbereitet waren.

        Bezüglich der Deicherhöhung würde ich bitte Berechnungen sehen wollen, die die Erfordernisse umfänglich, genau und serös beschreiben. Dann reden wir über die Möglichkeit und Voraussetzungen, das umzusetzen.

        • @31841 (Profil gelöscht):

          Was redet ihr beiden da von Umsiedlung im Ahrtal? Ich bin letztens durch das Gebiet durchgereist. Neue Häuser werden wieder im Tal gebaut und SUVs wurden neu gekauft.

          Das ist die Realität.

  • „das Überschreiten dieses Schwellenwertes in einem der fünf kommenden Jahre als ein starkes Zeichen dafür interpretiert werden darf, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommen nicht mehr zu halten ist“.

    Warum so kompliziert, das war von Anfang an klar.

  • Was interessieren uns die Prognosen der WMO. Seit 1972 ignorieren wir alle Vorhersagen über den Ressourcen-Verbrauch, menschgemachte Klimaveränderung mit Erfolg. Graichen haben wir auch zur Strecke gebracht. Es folgt Habeck und das ganze Co2-Gesabbel gleich mit.

  • Es sind auch keine 2 oder 3 Grad Ziele zu halten. Ein kurzer Blick auf die Weltpolitik, aber auch die nationale Politik, zeigt doch sehr klar, dass andere Dinge wie Wirtschaftswachstum oder geopolitische Expansionsträume wichtiger sind. Ich würde auch die Aussage der WMO, dass das mit den 1,5 Grad noch dauern wird hinterfragen. Aber wir werden es ja zeitnah zu sehen und fühlen kriegen.