Profifußball in der Provinz: Ein Stadion als Abstiegsgeschenk

Oldenburg will dem Fußball-Drittligisten VfB ein neues Stadion bauen. Dabei steckt der Verein längst wieder im Abstiegskampf.

Fans des VfB Oldenburg mit Transparenten: Pro Neubau, richtigeFlutlichtspiele, Dauerhafter Standort

Fans des VfB Oldenburg fordern mit Schildern ein neues Stadion, Februar 2023 Foto: Eibner/imago

Zwei Dinge verbinden sich derzeit in Oldenburg – nicht aufs Glücklichste, sondern nur so, dass am Ende ein neues Fußballstadion herauskommen könnte. Das eine ist das in der Rückschau immer legendärer werdende einstige Donnerschweer Stadion des Drittligisten VfB Oldenburg, das zweite die Sehnsucht der Stadt nach Größe.

Vielleicht ist es diese Mischung aus Verklärung und Minderwertigkeitskomplex, jedenfalls hob die große Mehrheit im Rat der Stadt in der vergangenen Woche die Hand, um für den Grundsatzbeschluss zum Bau eines neuen Stadions zu stimmen.

Es ist ein bisschen verrückt. Erstens, weil so ein Stadion um die 60 Millionen Euro und auch im laufenden Betrieb einiges kosten wird. Zweitens, weil der VfB Oldenburg, für den das Stadion trotz aller gegenteiligen Beteuerungen sein wird, nichts dazubezahlen kann. Und drittens kämpft eben dieser nach dem Aufstieg vergangene Saison ohnehin schon wieder gegen den Abstieg. Aber das ist egal: Den Fans des Stadions geht es darum, dass Oldenburg ein Stadion braucht, weil eine Großstadt ein Stadion zu haben hat.

Der Beschluss bedeutet noch nicht, dass es gebaut wird, aber er ist ein wichtiger Schritt. Es musste jetzt schnell gehen, damit der VfB Oldenburg dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) zum 1. März mitteilen konnte, dass ein drittligataugliches Stadion in Aussicht steht.

Das Problem: Der DFB verlangt von seinen Drittligisten Stadien mit Rasenheizung, Flutlicht und bestimmten Sitzschalen. Im Marschwegstadion, in dem der Verein seit Anfang der Neunziger spielt, gibt es das alles nicht. Und das Stadion ist ohnehin das ungeliebte, weite Rund mit Leichtathletik-Laufbahn, außerdem dröhnt an Spieltagen der Lärm vor allem den Leuten in der Straße Am Schlossgarten in den Ohren.

Wehmütig erinnern die Befürworter des Neubaus an die „Hölle des Nordens“ und wünschen sich eine neue. 1990 musste der Verein das Donnerschweer Stadion verkaufen. Die Schulden! Und ja, es war dort oft einiges los, dicht gepackt standen die Leute auf Tribünen, die direkt ans Spielfeld grenzten. Das Stadion lag mitten im Stadtteil, umgeben von Häusern. Heute ist dort ein Discounter.

Vermutlich hat aber zu Lebzeiten nie jemand „Hölle des Nordens“ gesagt – so wie in Berlin niemand vom „Telespargel“ redet, wenn er den Fernsehturm am Alexanderplatz meint –, aber: Der Name steht. Und die alte Spielstätte wird auch dadurch immer bedeutender, weil nach ihrem Verkauf in der Saison 1991/92 zwar fast der Aufstieg in die 1. Bundesliga gelang, in der Spielzeit danach aber im Marschwegstadion der Absturz in Liga drei folgte. Fast so wie 1667, als Anton Günther, Graf von Oldenburg, starb, und wenig später die Pest folgte und ein Brand die Stadt zerstörte. Früher war alles besser!

Da nun der VfB vergangenes Jahr nach einer Periode mit Insolvenz und Fünftklassigkeit ins Profigeschäft zurückkehrte und Oldenburgs SPD-Oberbürgermeister Jürgen Krogmann ein Fußball-Fan ist, der gerne große Sachen baut – das Stadtmuseum, ein Spaßbad –, kam eins zum anderen. Seine Fraktion folgte ihm fast blind, auch dafür waren CDU, Linke und die Gruppe FDP/Volt.

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts führte der eingangs geschilderte Oldenburger Minderwertigkeitskomplex dazu, dass die schlichte, klassizistische Lambertikirche neogotisch ummantelt und mit fünf Türmen getunt wurde. Man wollte halt auch eine richtige Kirche haben. Und jetzt eben ein Stadion.

In der Ratssitzung, in der über den Grundsatzbeschluss abgestimmt wurde, sagte die CDU-Abgeordnete Esther Niewerth-Baumann, was Sache ist: Das Stadion werde gebaut, weil Oldenburg so ein Stadion brauche. Dagegen gestimmt haben nur die Grünen und der eine Pirat. Der AfD-Mann auch, der aber nur aus Versehen.

Dem Steuerzahlerbund und einer Bürgerinitiative ist das Stadion zu teuer; Sportvereine klagen über zu wenige und marode Hallen. Hätte man das Marschwegstadion nicht ertüchtigen und dort bleiben können? Muss man dem DFB jeden Wunsch erfüllen?

Oder müsste es heißen: Pech gehabt, dann gibt es halt keinen Profifußball? Zumal der VfB kein Geld beisteuern kann, was gegen EU-Beihilferecht verstoßen könnte. Auch das Oldenburger Basketball-Bundesligateam EWE Baskets ist Gegner des Neubaus, weil das Stadion mit 7.500 Plätzen neben ihrer Arena entstehen soll. Das könne Probleme schaffen, wenn gleichzeitig Fußball und Basketball gespielt wird. Vielleicht haben die Baskets auch Angst, dass ihnen die regionalen Sponsoren abhanden kommen. Es gibt nicht so viele in Oldenburg, und selbst Drittliga-Fußball bekommt hier mehr Aufmerksamkeit als Bundesliga-Basketball.

Die Argumente der Stadionfans verrieten, dass sie keine guten haben: „Profifußball als sozialer Kitt“ – als gäbe es nicht Dutzende Sportvereine, die da viel leisten. Ein Sozialdemokrat meinte, im Stadion könnten auch eine Kita, „andere soziale Einrichtungen“ und Arztpraxen untergebracht werden. Manche reden von einer Multifunktionsarena mit Platz für Live-Acts, dabei werden Leute wie Peter Kraus (kommt bald) sicher lieber in die wetterfeste Weser-Ems-Halle gehen, die direkt nebenan steht. In Oldenburg regnet es ja manchmal. Der Oberbürgermeister schließlich versprach nebulös, beim Neubau sollten Klimaschutzaspekte „Berücksichtigung finden“. Präziser wurde er auch in der Nordwest-Zeitung nicht: „Profi-Fußball kann hier Doppelpass mit ökologischer Nachhaltigkeit spielen.“

Der VfB Oldenburg hat seine letzten vier Spiele verloren, steht nun auf dem vorletzten Tabellenplatz. Wenn er zurück in die Regionalliga muss, könnte er auch im Marschwegstadion bleiben. Aber ein Stadion würden sie in Oldenburg trotzdem gerne bauen.

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