Probleme gibts noch überall: "Wir wollen, dass alle profitieren"
Bui Viet Thuy Tien, Direktorin der Reiseagentur "Asian Trails", über den Tourismusboom in Vietnam
taz: Frau Tien, der Tourismus in Vietnam boomt. Freuen Sie sich darüber?
Thuy Tien: In der Tat ist dies sehr schön. Doch die hohen Zuwachsraten stellen uns vor große Herausforderungen. In den ersten zehn Monaten haben fast 3,5 Millionen Touristen das Land besucht, das sind 18,5 Prozent mehr als 2006. Bei den deutschen Besuchern liegt der Anstieg sogar bei 30 Prozent. Früher hatten wir eine stressige Hoch- und eine ruhige Nebensaison. Jetzt herrscht ganzjährig Betrieb, wir haben keine Verschnaufpause mehr.
In welchen Bereichen fühlen Sie sich am stärksten herausgefordert?
Überall gibt es Engpässe, bei den Airlines und anderen Transportunternehmen, aber vor allem bei den Hotels. Deren Auslastung liegt nicht selten bei über 90 Prozent. In Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt wissen wir oft nicht mehr, wo wir die Gäste unterbringen sollen. Das machen sich die Häuser zunutze und drehen kräftig an der Preisspirale. Obwohl wir mit den Hotels feste Tarife vereinbart haben, verlangen sie plötzlich mehr. Doch wir können die Erhöhungen nicht an unsere Vertragspartner, vorwiegend Reiseveranstalter, weitergeben, weil wir mit denen ebenfalls feste Preise vereinbart haben. Die Situation wird von Jahr zu Jahr schwieriger.
Wie charakterisieren Sie den vietnamesischen Tourismus?
Unser Land besitzt zweifellos viele Sehenswürdigkeiten: die Ha-Long-Bucht, den bergigen Nordwesten mit den ethnischen Minderheiten, die kulturellen Stätten. Die Touristen fahren einmal dorthin und schauen sich das an. Ein zweites Mal werden sie nicht nach Vietnam kommen. Im Gegensatz zu Thailand, das viele Wiederholungsgäste hat. Der Grund liegt darin, dass wir nur das nutzen, was wir haben, also die Sehenswürdigkeiten. Aber wir entwickeln keine neuen Produkte. Die weltweiten Trends, etwa im Bereich Wellness-, Gesundheits- oder Adventure-Tourismus, sind bei uns noch extrem unterentwickelt. Viele Angebote sind arg überteuert und qualitativ minderwertig.
Welche Rolle spielt dabei die Politik?
Unsere Regierung setzt vor allem auf Wachstum und vernachlässigt dabei die damit einhergehenden Probleme, etwa im Umweltbereich. Einerseits will man den Strandtourismus großflächig entwickeln, kümmert sich aber nicht um die Müllentsorgung. Nichts ist wirklich geregelt. Auch im Sozialen gibt es genügend Probleme. So klagen viele Touristen über penetrante Souvenirjäger und Betrügereien. Die vielfältigen Auswüchse sind Folgen mangelnder Kontrolle. Die Verantwortlichen in den staatlichen Tourismusbehörden sind noch ziemlich unerfahren und haben keine Ahnung vom Fremdenverkehr. Andererseits lassen sie sich ungern belehren.
Was muss in Zukunft geschehen?
Die Tourismusindustrie steckt noch in den Kinderschuhen, vieles muss sich erst entwickeln. Doch die Zeit drängt. Wir sollten die Fehler anderer Länder nicht wiederholen, besonders im Bereich Umwelt und Soziales. Sonst geht vieles unwiederbringlich verloren. Aus diesem Grund setzt meine Agentur auf Qualitätstourismus. Wir wollen, dass alle Akteure profitieren - heute, aber auch in Zukunft.
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