Pro und Contra: Brauchen wir den Rundfunkbeitrag?
Im Januar startet die Neuregelung der Finanzierung von Hörfunk und Fernsehen: Alle müssen zahlen. Ein Pro und Contra.
Ja
W enn doch nur alles einigermaßen im Lot wäre. Wenn man mit gutem Journalismus ohne größere Probleme Geld verdienen oder zumindest keines verlieren würde, dann wäre es einen Gedanken wert: die Rundfunkgebühr als verpflichtende Abgabe für alle abzuschaffen. Wenn, ja, wenn. Die Realität ist eine andere. Dort erleben wir gerade, dass selbst publizistische Flaggschiffe wie FAZ oder Süddeutsche kaufmännisch betrachtet Schlagseite haben. Die Öffentlichkeit braucht Zeitungen – und doch übersetzt sich das immer weniger in schwarze Zahlen.
Ist es in dieser Situation nicht Gold wert, dass wir noch immer ein Finanzierungsmodell für Journalismus haben, das sich nicht den Regeln des Marktes unterwerfen muss? Das auf eine – zugegeben – sehr autoritäre Weise (fast) allen gleichermaßen Geld abnimmt, um es für ein allgemeines Gut einzusetzen? Gäbe es die Rundfunkgebühr nicht, man müsste sie eigentlich gerade jetzt erfinden: als eine Art Qualitäts-Flatrate für Journalismus. Das gilt auch mit Blick auf das Internet, schließlich liegt in einer solchen pauschalen Bezahlung die einfachste Antwort auf die Gratiskultur.
Alles in Ordnung also mit den 17,98 im Monat? Keineswegs. Schon heute verärgert die Gebühr die Zahlenden häufig zu Recht, weil sie erstens sehen, welcher Unsinn aus diesen Milliarden auch finanziert wird (den übrigens RTL und Co ohne Gebührensegen gestemmt bekommen). Und weil sie zweitens keinerlei Einfluss auf die Verteilung der Gelder haben. An beiden Punkten müssen die Rundfunkgebühren grundlegend reformiert werden.
Finanzieren sollten sie nur noch, was „Qualität“ ist – oder anders gesagt: was am Markt nicht funktioniert. Wetten, dass eine Sportschau die Fußballlizenzen auch mit Werbung einspielen könnte? Wetten, dass das auch für große Samstagabendshows gilt? Und andersherum: Warum sollten nicht auch journalistische Produkte jenseits von ARD und ZDF Geld aus dem Gebührentopf bekommen, wenn sie Hochwertiges abliefern? Kriterien dafür ließen sich finden – eine ganze Landesmedienanstalten-Maschinerie könnte genau das gemeinsam mit den Zuschauern bewerten.
Überhaupt, die Zuschauer und Zuhörer. In den Niederlanden haben sie schon seit Jahrzehnten Einfluss darauf, wie viel Sendezeit verschiedene Produzenten im öffentlichen Radio und Fernsehen bekommen. Was schon zu Vor-Internet-Zeiten funktionierte, kann heute nur noch einfacher sein.
Denkbar wäre auch, jedem Gebührenzahler zu ermöglichen, zumindest einen Teil der monatlichen Zahlung gezielt einem Sender oder auch nur einer einzelnen Sendung zuzuweisen. Die Öffentlich-Rechtlichen würde das auf Trab bringen. Mehr Mitsprache dürfte auch den Gebührenzahlenden ein bisschen Süße in die bittere Seite einer jeden Abgabe oder Steuer bringen: dass sie verpflichtend für alle ist. Schöner wärs natürlich freiwillig. Aber würde das funktionieren?
KORBINIAN FRENZEL
Der Autor ist Redakteur von Deutschlandradio Kultur.
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Waren Sie schon einmal, sagen wir vor 20 Jahren, Mitglied in einem mittlerweile recht klammen Sportverein? Eines Tages halten Sie dessen Schreiben in den Händen: Sie mögen bitte nachweisen, ausgetreten zu sein, ansonsten müssten Sie die Beiträge für die letzten Jahre nachzahlen. Was würden Sie tun? Vermutlich das Schreiben dorthin werfen, wo es hingehört: ins Altpapier.
Ein paar Tage später trifft ein Brief der Zeitungsverleger bei Ihnen ein: Sie besäßen einen Briefkasten, schreibt der, dort könne man auch Zeitungen hineinstecken. Deshalb ginge man davon aus, dass Sie auch eine lesen wollten. Fortan müssten Sie Abo-Gebühren abdrücken. Das alles sei in Ihrem Sinne, schließlich hätten Zeitungen eine wichtige Funktion bei der politischen Bildung. Natürlich sähe der Verband niemals Ihr Geld.
Die deutschen Großinstitutionen sind seit langem in der Krise. Parteien, Gewerkschaften und Kirchen laufen langsam, aber stetig die Mitglieder weg. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommen die Zuschauer abhanden. Die einen verschwinden zu den Privaten, die anderen kaufen lieber DVDs amerikanischer Serien.
Allzu viele Ideen, wie sie diesen Trend umkehren können, haben die Institutionen nicht entwickelt. Aber bei der Frage, wie sie ihre Einnahmesituation trotzdem stabil können, waren zumindest Kirchen und die Öffentlich-Rechtlichen äußerst kreativ. Beiden stehen Krisenlösungen offen, die gewöhnlichen Vereinen und Firmen verwehrt bleiben.
Die Kirchen lassen die Finanzämter nach Ex-Schäfchen fahnden. Wer seinen Austritt nach Jahren nicht mehr beweisen kann: Pech gehabt, rückwirkend werden Kirchensteuern fällig. Immerhin darf man erneut austreten.
Auf die rabiatere Lösung sind nun die Ministerpräsidenten der Länder verfallen. Ab 2013 muss die Rundfunkgebühr nicht mehr für Empfangsgeräte entrichtet werden, sondern pro Haushalt. Sie sehen nicht fern, weil Sie Markus Lanz und die ewigen Krimis nicht mehr ertragen? Sie lesen lieber Onlinezeitungen, statt Tagesthemen zu schauen, weil Ihnen die CDUSPD-Ausgewogenheit der Kommentare auf die Nerven geht? Macht nichts, zahlen müssen Sie trotzdem.
Mit Demokratie hat das nicht viel zu tun. Der kürzlich verstorbene Soziologe Albert O. Hirschman hat „exit“ und „voice“ als die zwei grundlegenden politischen Beteiligungsmöglichkeiten bezeichnet. Die Länderchefs haben nun die Möglichkeiten eines „exit“ zunichte gemacht (weil man dem System nicht mehr entkommen kann) – und zugleich darauf vertraut, dass „voice“, also lauter Protest, nicht kommen wird (weil das Thema noch nie für große Aufregung getaugt hat).
Sicher, wir brauchen einen öffentlich finanzierten Rundfunk, vielleicht auch öffentlich finanzierte Zeitungen. Aber Zwangsgebühren auch beim Nichtnutzen eines Angebots werden dessen Akzeptanz nicht erhöhen. Und daran ändert auch nichts, die Zuschauer über die Verwendung der Gebühren mitentscheiden zu lassen.
MARTIN REEH
Der Autor ist Redakteur der taz.
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