Pro und Contra zur Wehrtechnik: Sollen an Hochschulen Panzerbauer ausgebildet werden?
Der Konvent der Hochschule Flensburg will Wehrtechnik nicht ins Curriculum aufnehmen. Ein Pro und Contra zur Wehrtechnik-Ausbildung an Hochschulen.

Ja, Wehrtechnik sollte an Hochschulen gelehrt werden
Alles Militärische aus den Hochschulen heraushalten zu wollen, etwa durch Zivilklauseln, ist ein Fetisch. Es ist eine leicht zu erhebende Forderung, mit der man sein Gewissen rein halten kann, die aber nicht mehr zeitgemäß ist. Zugegeben: Wer sich zivile Verteidigung zutraut und glaubt, dass Deutschland ohne Bundeswehr und Nato auskommt, der mag das fordern. Für alle anderen ergibt es keinen Sinn.
Wer sich Streitkräfte leistet, der sollte auch in der Lage sein, diese zumindest teilweise selbst auszurüsten. Das schafft Arbeitsplätze und Innovationen. Das viele Steuergeld, das für die Rüstung nötig ist, sollte auch einen Effekt im eigenen Land haben. Zudem stärkt eine eigene Rüstungsindustrie die Unabhängigkeit und steigert seinen Wert als Bündnispartner.
Selbstverständlich braucht eine Rüstungsindustrie auch Ingenieure und Entwickler. Bei dem nötigen Wachstum dürfte es nicht genügen, solche Fachleute nur an den Bundeswehr-Universitäten auszubilden – zumal die Bundeswehr das Personal, das sie ausbildet, erst mal selbst braucht. Es wäre daher gut gewesen, wenn sich das Konvent an der Hochschule Flensburg für eine Vertiefungsrichtung „Wehrtechnik“ im Maschinenbau entschieden hätte.
Eine fachliche Spezialisierung würde zum allgemeinen Trend in der Hochschulausbildung passen. Angesichts des geplanten Umfangs und der Tatsache, dass sich ja erst mal Interessenten finden müssen, ist nicht zu erwarten, dass andere Studieninhalte verdrängt werden. Überdies könnten für ein solches Studienangebot Drittmittel von Rüstungsfirmen eingeworben werden.
Die Befürchtung, dass mit einem solchen Angebot der Geist des Militarismus einzöge, ist abwegig, schließlich geht es nach wie vor um Technik – wenn auch nicht um wertfreie.
Wertfrei ist allerdings auch nicht der Kontext, in den diese Entwicklung eingebettet ist: Eine drastisch veränderte Weltlage, in der unverhohlen Machtpolitik betrieben und das Recht des Stärkeren hervorgekehrt wird. Wer in diesem Dschungel nicht zum Knecht werden will, sollte sich wappnen. Und wohlgemerkt: Letztlich geht es nicht darum, einen Krieg zu führen, sondern darum, einen Krieg zu vermeiden. Gernot Knödler
Nein, Wehrtechnik sollte an Hochschulen nicht gelehrt werden
Die Diskussion über die Einführung eines Wehrtechnik-Moduls in die Ingenieursausbildung an der Hochschule Flensburg ist schwierig. All zu leicht können die Kritikübenden dem Vorwurf ausgesetzt sein, sie nähmen die veränderte weltpolitische Lage und eine mögliche Bedrohung durch Russland nicht zur Kenntnis.
Doch letztlich es ist gut, dass sich der Konvent des dortigen Fachbereichs Maschinenbau, Verfahrenstechnik und maritime Technologien nun gegen diese Vertiefung des regulären Studiengangs entschieden hat. Denn Rüstung gibt es auf der Welt und auch in unserem Land genug. Und es ist klüger, die zivile und die militärische Forschung weiter möglichst auseinanderzuhalten. Schließlich gibt es ja in München und Hamburg auch zwei Bundeswehr-Universitäten, die auch jeweils einen technischen Schwerpunkt haben.
Eine Ausweitung des Wehrtechnik-Studiums auf zivile Hochschulen, im Flensburger Fall war laut NDR-Bericht sogar womöglich eine Kooperation mit einem Schützenverein geplant gewesen, damit Studierende den nötigen Waffenschein erhalten, würde zu einer Militarisierung und einer Gewöhnung an kriegerische Lösungen und Denkweisen beitragen. Aber Krieg kann und sollte in unserer hoch entwickelten und zivilisierten Welt keine Lösung sein.
Und es wird ja nicht gerade wenig Rüstung in Deutschland produziert. Obwohl wir nur gut ein Prozent der Weltbevölkerung stellen, exportiert dieses Land laut dem schwedischen Sipri-Friedensforschungsinstitut fünf bis sechs Prozent aller Waffen und steht gleich hinter den USA, Frankreich, Russland und China auf Platz fünf. Waffen, die hier gebaut und exportiert werden, führen anderswo zu Krieg und verursachen mit die Flucht von Menschen, wogegen Europa dann wiederum mit Hilfe von Militärtechnik seine Grenzen sichert.
Wenn wir trotz allem mehr Rüstungsforschung brauchen, um mit den als Bedrohung gesehenen Gegnern mithalten zu können, dann kann dies innerhalb der bestehenden Strukturen und Institute geschehen. Die wirkliche Herausforderung unserer Zeit besteht jedoch darin, wie wir in dieser hoch komplexen Welt zu einem friedlichen Zusammenleben und Interessenausgleich aller Menschen der Erde kommen.
Die Weltgemeinschaft sollte sich nicht nur Klimaziele, sondern auch wieder Abrüstungsziele vornehmen. Und für junge Ingenieurstalente gibt es mit dem Ausbau einer nachhaltigen Energierversorgung und Mobilitäts-Infrastruktur genug andere Tätigkeitsfelder. Kaija Kutter
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