Pro und Contra zum „Blockupy“-Protest: Ist der Protest sinnvoll?
Sind die am Freitag beginnenden „Blockupy“-Aktionstage ein wichtiger Teil der europäischen Protestkultur? Oder geht es nur ums gute Gefühl? Ein Pro und Contra.
JA: Das ist eine sehr deutsche Angelegenheit: lieber das Haar zu suchen, als die Suppe zu kosten. Diese Eigenschaft gehört auch zum elementaren Bestandteil der deutschen Protestkultur. Kampfauftrag Zersplitterung. Zum bevorstehenden „Blockupy“-Protest wollen wieder viele besser wissen, was die ProtestlerInnen falsch gemacht haben.
Den einen ist der Ort nicht geeignet genug, den anderen sind die Parolen zu verkürzt oder zu differenziert. Wieder andere streiten darüber, ob es Finanz- oder Kapitalismuskrise heißen muss. Solcher Streit ist begrüßenswert, weil er zum Protest gehört. „Blockupy“ aber deswegen für verfehlt zu halten ist angesichts der Situation in Europa absurd.
Natürlich lässt sich dem „Blockupy“-Protest, der nicht mit der Occupy-Bewegung zu verwechseln ist, einiges vorhalten. Die „Blockupy“-Aktionstage sind ein singuläres Ereignis, das von linksradikalen Strategen entwickelt wurde, um die mediale Aufmerksamkeit zu nutzen, die zuvor die Occupy-Bewegung in Frankfurt generiert hatte. Wahr ist, dass die Elite jener Strategen lange über das Chaos und die Beliebigkeit der Occupy-Bewegung die Nase gerümpft hat. Aber es ist strategisch klug, daran anzuknüpfen.
Rund 200 Blockupy-Teilnehmer werden seit Donnerstagnachmittag von der Autobahnpolizei festgehalten. Die fünf aus Berlin stammenden Reisebusse seien etwa 50 Kilometer vor Frankfurt gestoppt worden, berichtet die Tageszeitung . Dort sollen im Vorfeld der in Frankfurt stattfindenden Blockupy-Proteste Taschen und Ausweise der Insassen kontrolliert werden. Wozu die Kontrolle genau diene, wollte ein Sprecher der hessischen Polizei nicht sagen.
Die Tatsache, dass sich in Frankfurt ein organisierter Protest etabliert, dessen Strukturen nachhaltig sein werden, kann niemand ernsthaft kritisieren. Umso weniger, als es gerade das „Blockupy“-Spektrum ist, das sich zwar begrenzt erfolgreich, aber aufrichtig darum bemüht, einen europaweiten Austausch zwischen zivilgesellschaftlichen Gruppen in Griechenland, Spanien und sonst wo zu organisieren. Dass „Blockupy Frankfurt“ an diesem Wochenende Teil einer europaweiten Initiative geworden ist, die außerhalb Deutschlands wahrgenommen wird, ist ein echter Fortschritt.
Wer also die Form kritisiert, mit der Kritik an einem undemokratischen Europa der Märkte formuliert wird, nutzt ein Instrument der Delegitimierung. Die Gegner eines solidarischen Europas sitzen in Frankfurt nicht auf der Straße, sondern in den Hochhäusern. Das sind die, denen man in die Suppe spucken sollte. Martin Kaul
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NEIN: Zugegeben, das Lenin’sche Bonmot, Deutsche würden erst eine Bahnsteigkarte kaufen, ehe sie einen Bahnhof besetzen, ist reichlich abgegriffen. Und es stimmt ja auch nicht mehr, wie nicht nur die Gleisbesetzer von Gorleben zeigen. Aber das, was „Blockupy“ an diesem Wochenende veranstaltet, kommt dem Kaufen von Bahnsteigkarten schon recht nahe. Auch dessen zweite Auflage findet an einem Brückentag statt. Dann, wenn eine Reihe von Bankbeschäftigten ohnehin ihren freien Tag genommen hat.
Sicher geht es ohnehin nur um eine symbolische Aktion; ob die Europäische Zentralbank (EZB) tatsächlich behindert wird, ist deshalb nicht ausschlaggebend. Der Brückentagstermin ist aber ein Symptom dafür, dass die Eurokrise selbst für linke Aktivisten eine abstrakte Angelegenheit geblieben ist: Er zeigt die Angst der Organisatoren, nicht mal den Blockierern könnte die Solidarität mit Europas Süden so wichtig sein, dass sie einen zweiten Urlaubstag zur Anreise opfern.
Dennoch könnte „Blockupy“ wichtige Aufklärungsanstöße in einem Land geben, das die Merkel’sche Austeritätspolitik noch immer für alternativlos hält. Die Aktivisten müssten dann präzise über den Zusammenhang zwischen Banken- und Schuldenkrise, Euroregeln und sogenannter Sparpolitik reden.
Die Konzeption des Blockadetages legt aber nahe, dass es bei „Blockupy“ vor allem ums gute Gefühl geht. Heute soll nicht nur gegen die EZB demonstriert werden, sondern in einem Rundumschlag gegen alles, was Linke noch nie gemocht haben: Residenzpflicht, Abschiebungen, Immobilienhaie. Mit der Eurokrise hat das wenig bis nichts zu tun.
Und warum überhaupt die EZB? 2012 hat ihr Chef, Mario Draghi, gegen den erbitterten Widerstand der Deutschen durchgedrückt, dass die Bank Staatsanleihen in unbegrenzter Höhe aufkaufen darf – und damit die akuten Refinanzierungsprobleme des Südens mit einem Schlag beendet.
Das Hauptproblem sitzt nicht in Frankfurt, sondern im Berliner Bundeskanzleramt. Wer das Verarmen von Griechen, Spaniern und Italienern beenden will, muss die Deutschen zu der Einsicht zwingen, dass ihr Austeritätsfetischismus ein historischer Irrtum ist. „Blockupy“ in Frankfurt wird dazu nichts beitragen. Martin Reeh
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