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Pro und Contra SyrienIn der Syrien-Falle

Ines Kappert
Bernd Pickert
Kommentar von Ines Kappert und Bernd Pickert

Assads Außenminister stimmt Russlands Vorschlag zur internationalen Kontrolle der Chemiewaffen zu. Ist diese Entwicklung gut oder schlecht?

US-russische Annäherung? Bild: reuters

Pro: Raum für Verhandlungen

W omöglich ist es der Frage eines britischen Reporters zu verdanken, dass endlich Bewegung in die Syrienfrage kommt. Hätte er den US-Außenminister John Kerry nicht danach gefragt, ob Syriens Präsident Assad noch etwas tun könnte, um einen US-Militärschlag zu verhindern, hätte Kerry auch nicht spontan so geantwortet.

Dann hätte Russland den Vorschlag nicht aufgreifen und Syrien ihn nicht begrüßen können. Kollateralnutzen einer Pressekonferenz – das ist doch mal was. Neu an der Situation ist, dass die russische Regierung erstmals konstruktive Vorschläge macht und von ihrer Position abkommt, einfach nur stur die Assad-Regierung zu verteidigen. Damit sollten sich neue Gesprächslinien eröffnen.

Neu ist auch, dass es – wenn Assad bei seiner Zusage bleibt – damit erstmals wirklich lösungsorientiert um die syrischen Chemiewaffen geht. Bislang schien alles Hin und Her über Beweise und Gegenbeweise nur ein Mittel zum Zweck zu sein: Wer grundsätzlich eine Intervention ablehnte, zweifelte an den Beweisen, wer ohnehin für ein militärisches Eingreifen war, hielt sie für absolut stichhaltig.

Aber weder Gegner noch Befürworter einer Intervention, weder Verfechter der These, Syriens Militär habe Chemiewaffen eingesetzt, noch jene, die die Rebellen dafür verantwortlich machen, konnten darlegen, wie ihre jeweils präferierte Option eigentlich die Gefahr eindämmen sollte, die diese Waffen ohne Zweifel für die syrische Bevölkerung darstellen.

Die neue Entwicklung wird dem gerecht, was die USA immer gesagt haben: Es gibt keine militärische Lösung für Syrien. Nein, mit der neuen Entwicklung ist der Krieg nicht vorbei. Aber sie eröffnet doch endlich Möglichkeiten, alle Seiten und insbesondere Russland konstruktiv in eine Lösungssuche einzubeziehen. Das ist mehr, als noch vor drei Tagen denkbar schien. BERND PICKERT

Contra: Das Töten geht weiter

Die Annäherung zwischen den USA und Russland wird das Assad-Regime nicht vom Morden abhalten. Anders als viele Schlagzeilen jetzt vermuten lassen, war und ist das vorrangige Problem in Syrien ja nicht, dass 1.400 Menschen in einer Nacht mit Giftgas ermordet wurden. Sondern dass seit zweieinhalb Jahren konventionelle, also international akzeptierte Waffen gegen SyrerInnen eingesetzt werden, und zwar täglich. 1.400 Giftgastote sind „nur“ die Spitze des Eisbergs. Die aber wird nun zum alleinigen Problem der internationalen Gemeinschaft stilisiert.

UN-Sondersitzung

Der UN-Sicherheitsrat tritt noch am Dienstag zu Beratungen über die Syrien-Krise zusammen. Wie das UN-Pressebüro mitteilte, soll die von Russland beantragte Sitzung um 22.00 Uhr (MESZ) hinter verschlossenen Türen beginnen.

Vorab hat Syrien zugesichert, dass das Land der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten will. Das sagte der syrische Außenminister Walid al-Muallim nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Syrien werde auch der internationalen Gemeinschaft Zugang zu allen Depots verschaffen.(rtr/dpa)

Entsprechend haben die Bilder von den äußerlich unversehrten Toten auch kaum zu mehr Aufmerksamkeit für die Situation in Syrien geführt. Stattdessen diskutierte die Welt leidenschaftlich, in welches Dilemma Obama sich verstrickt hat. Die USA gefährden ihren Status als letzte im 21. Jahrhundert verbliebene Weltmacht! Jetzt heiße es aufpassen, ansonsten fänden die Staaten sich hopplahopp auf der gleichen Stufe mit Russland und China wieder.

Die Gefahr scheint nun gebannt, Baschar al-Assad hat offiziell zugestimmt, sein Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle zu stellen. Viele neue Verhandlungsrunden stehen damit ins Haus.

Unterdessen können Assads Armee und die sie unterstützenden Milizen das Prinzip der verbrannten Erde weiterverfolgen. Vielleicht sogar noch ungestörter als bisher, denn sein offizielles Entgegenkommen erlaubt Assad, wieder als international anerkannter Gesprächspartner aufzutreten. Und so schnell dürften Obama oder gar die zahnlose EU keine neue diplomatische Offensive starten. Dafür war die jüngste viel zu riskant.

Syrische AktivistInnen fassen die Situation auf Facebook so zusammen: „Der Westen mag keine äußerlich unversehrten Giftgasleichen, er will Blut sehen.“ Die Chancen dafür stehen gut. INES KAPPERT

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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16 Kommentare

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  • HS
    Hari Seldon

    @andreas urstedt:

     

    Mit Verlaub, einige Anmerkungen zu den Zahlen:

     

    1. 1400 Toten: Schon der US-Congress selbst bezweifelt ÖFFENTLICH die Lügen von Kerry (1400+ Toten beim Giftgasangriff).

     

    2. ca. 650 Toten in Ägypt bei der Räumung eines "friedlichen" Sit-Ins: Mehr als 200 Polizisten starben durch die sooooo "friedliche und demokratische" Demonstranten. Wir sollten auch nicht vergessen, dass sogar die Anwohner selbst die Behörden für die Räumung aufgefordert haben, und mit Eisen- und Holzstangen die Belagerer lynchen wollten: Die meisten Anwohner haben die Nase mit den Randalierern voll. Übrigens, nach der Räumung hat die US-Botschafterin General Sissi angerufen, und "undemokratische Methode" vorgeworfen. Dann hat Sissi die Dame nach Hause geschickt, und die Dame aufgeklärt, dass in Ägypt das Volk in Ägypten das Sagen hat und nicht die US-Botschafterin. Laut Informationen war die Dame "etwas" überrascht und fühlte sich "beleidigt".

     

    Noch zum Giftgasangriff: Bin sicher, dass die Russen ganz genau wissen, was am 21. Aug. passierte, und handfeste Beweise im Hand haben. Aber diese Beweise könnten für einige westlichen Regierungen sehr unangenehm sein, und die Russen haben ein Deal Obama angeboten: Bitte, Du solltest vom hohem Ross wieder auf den Boden der Realitäten zurückkehren, oder die Beweise werden an alle möglichen Medien verteilt. Dazu kommt, dass Obama eigentlich keine Interesse in einer Kriegsbeteiligung in Syrien hätte (mit Recht).

  • an: Herrn Pickert

    Zitat:"insbesondere Russland konstruktiv in eine Lösungssuche einzubeziehen."

    Haben denn die USA irgendwelche konstruktiven Vorschlag gemacht, außer den Überfall auf Syrien zu planen und dafür mit ihren einstweiligen Feinde al Qaida Schulter an Schulter gegen die syrische Bevölkerung zu kämpfen, die hinter dem Präsidenten steht?

     

    an Frau Kappert:

    Machen Sie mit ihrer Kriegspropaganda weiter. Das Kriegspropagandaministerium(das sind die HRW und Amnesty und Co.) werden Sie bald auszeichnen für Ihr Engagement.

     

    Frau Kappert, wollen Bilder von getöteten Gefangenen sehen, deren Kehle durchgeschnitten ist oder wollen Sie Videos sehen, wie ihre "Freiheitskämpfer" die Kehle der Gefangenen durchschneiden und ihre Köpfe vor dem Kamera halten und schreiben, ihr Alawiten, ihr Christen usw. werde genauso enden?

     

    Und noch eins, sie wollen uns Videos verkaufen, auf denen man "friedliche" Demonstrationen sieht. Die Rufe werden aber gern nicht übersetzt, sonst bleibt von der behaupteten "Friedfertigkeit" nichts übrig.

    Im Gegensatz zu Ihnen war ich vor Ort und konnte mir ein eigenes Bild machen, statt Facebook zu glotzen.

  • an: Herrn Pickert

    Zitat:"insbesondere Russland konstruktiv in eine Lösungssuche einzubeziehen."

    Haben denn die USA irgendwelche konstruktiven Vorschlag gemacht, außer den Überfall auf Syrien zu planen und dafür mit ihren einstweiligen Feinde al Qaida Schulter an Schulter gegen die syrische Bevölkerung zu kämpfen, die hinter dem Präsidenten steht?

     

    an Frau Kappert:

    Machen Sie mit ihrer Kriegspropaganda weiter. Das Kriegspropagandaministerium(das sind die HRW und Amnesty und Co.) werden Sie bald auszeichnen für Ihr Engagement.

     

    Frau Kappert, wollen Bilder von getöteten Gefangenen sehen, deren Kehle durchgeschnitten ist oder wollen Sie Videos sehen, wie ihre "Freiheitskämpfer" die Kehle der Gefangenen durchschneiden und ihre Köpfe vor dem Kamera halten und schreiben, ihr Alawiten, ihr Christen usw. werde genauso enden?

     

    Und noch eins, sie wollen uns Videos verkaufen, auf denen man "friedliche" Demonstrationen sieht. Die Rufe werden aber gern nicht übersetzt, sonst bleibt von der behaupteten "Friedfertigkeit" nichts übrig.

    Im Gegensatz zu Ihnen war ich vor Ort und konnte mir ein eigenes Bild machen, statt Facebook zu glotzen.

  • R
    rauskucker

    Ich stimme Bernd Pickert weitgehend zu. Umso befremdlicher finde ich, daß er die Rede von Kerry offenbar gar nicht gehört hat. Die weltgeschichtlich vielleicht folgenreichste Frage eines Journalisten kam nicht von "einem britischen Reporter", sondern von der amerikanischen CBS-Reporterin Margaret Brennan. Man wüßte gern, wer diese zuvor mit ihr abgesprochen hat.

     

    Vor allem hatte Brennan die Glaubwürdigkeit der US-Regierung in Frage gestellt, unter Verweis auf die Lügen im Irakkrieg. Kerry "beantwortet" das, indem er seinerseits Assad - den er nie beim Namen nennt, immer nur "He", genau wie Bush damals gegenüber Saddam - als üblen Lügner beschimpft.

  • Nun kann Der Massenmord des Assad-Regimes ohne geächtete Waffen weitergehen.

    Und wann wird welches Chemiewaffen-Depot zerstört?

    Dauert das wie der Atom-Ausstieg?

  • G
    gast

    Wer verdient am Krieg? Nur mal so nebenbei.

  • S
    seismic

    Das lybische Giftgas gehört auch sofort beschlagnahmt und vernichtet! Die schnellstmögliche Befriedigung Syriens und nicht die politische Neuordnung Syriens sind die größte Pflicht des Auslands. Frühere Einmischungen der Großmächte waren meist zum Schaden der betroffenen Staaten. Natürlich muss Russland/China etc. eine Nachlieferung mit Chemiewaffen verbindlich untersagen. Es stimmt, damit ist erst ein Schritt zum Frieden gemacht, aber ein ganz, ganz wichtiger! Ein Krieg in Syrien artet mindestens zum Stellvertreterkrieg aus und läßt die Todesraten explodieren!! Syrien sollte in eine Demokratie umgewandelt werden, in der alle Volksgruppen in allen Parteien vertreten sein müssen und innerhalb der Parteien Verhältniswahlrecht herrscht. Die Parteien handeln aber über die üblichen Mehrheiten ihre Gesetze aus. Assad muss ein alternativer Weg zur Vertreibung und Genozid mit Machtabtritt aller Verantwortlichen dieser Eskalation aufgezeigt werden. Alle Schlächter von allen Seiten müssen identifziert. Eine sichere Zukunft für alle ,auch die Volksgruppe

    Assads(Alawiten), muss durch eine faire politische Mitgestaltungsmacht sichergestellt werden. Der Überlebenskampf verschiedener Ethnien muss beendet werden und ein fairer

    politischer Machtschlüssel

    etabliert werden. Anderenfalls

    werden sich nur neue Schreckenssysteme etablieren oder das alte System alle potentiellen Feinde ausser Landes jagen oder umbringen.

    Die Kultur der Diskriminierung

    und des Massenmordes ist auch institutionell verankert. Nur durch eine Neuorganisation

    des Verwaltungs-und Politsystems werden neue Polizeistaaten oder Putschregime verhindert.

    Die Auslandsgelder Syriens und

    v.a. Assads

    gehören beschlagnahmt und

    für die Flüchtlinge innerhalb

    und außerhalb Syriens investiert!!

  • S
    seismic

    Ines Kapperts Meinung halte ich für absolut daneben!

    Mit einer Beschlagnahmung und Vernichtung sämtlicher C-Waffen wird erst einmal ein gewaltiges Vernichtungspotential gebannt und überhaupt ein belastbarer Handel mit Assad auf diplomatischen Wege ermöglicht. Das hat es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gegeben. Massenmorde durch Giftgas treffen am ehesten die Zivilbevölkerung. Mit Schusswaffen muss man schon auf Menschen zielen und muß selber genügend Soldaten ihr Leben im Schlachtfeld riskieren lassen. Giftgasangriffe sind getarnte Genozide unter dem Vorwand ein paar Kompanien o.ä. zu zerstören. Dabei haben am ehesten noch Soldaten oder Terroristen Gasmasken, aber kaum Zivilisten.

  • A
    Albert992

    Ich finds schön, daß die TAZ-Leser gescheiter und vernünftiger sind, als die Medienh...

  • Ines, wenn du militärische Schlagkraft auf Seite der Rebellen willst, geh doch hin und kämpf für die. Flug nach Antalia und ab da gibts sicher ein Bus oder so.

     

    Ich finds immer wieder erstaunlich wie manche es sich so einfach tun festzustellen wer nun böser ist: Assad oder die Taliban.

  • M8
    michi 86

    Frau Kappert hat sicher damit recht, dass es den Krieg in Syrien nicht beenden wird, die Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen, ein amerikanischer Militärschlag hätte dies aber mit Sicherheit auch nicht getan. Grenzt es jedoch nicht an ein Wunder, dass es anscheinend doch möglich ist wahllose amerikanische Angriffe auf fremde Länder abzuwenden? Man kann ja Putin bezüglich seiner Innenpolitik einiges vorwerfen, aber ohne seiner gradlinigen Syrienpolitik wäre es kaum so gut ausgegangen. Übrigens wäre es doch sehr erfreulich, wenn Amerika seinen Supermacht-Status verlieren würde und es auch andere regulierende Mächte in der Welt gebe.

  • Es ist gut Waffen zu entsorgen! Jeder Sportschütze sollte seine Grosskaliber abgeben, bevor Unheil damit geschieht.

    Das gilt für Syrien, wie Israel. Die Überlebenden noch zu bombardieren ist eine Kulturschande! Es gibt keine guten Mörder.

    Es wäre vorbildlich?

  • AU
    Andreas Urstadt

    Die 1400 Toten ist eine politische Zahl, vor Ort wurden 355 Tote gezaehlt. Die 1400 und die ueber 800 Toten in Aegypten bei der Raeumung des Islamistenlagers haengen zusammen. Wie will man erklaeren, dass man das verbuendete Aegypten in Ruhe laesst bei ueber 800 Toten, waehrend Syrien bei 355 Toten unbedingt angegriffen werden muss (wobei nicht klar ist, wer dahinter steckt - in Aegypten war es evident).

     

    Nochmals bei 500 000 toten Kindern in Irak als Folge des von der USA gepressten UNO Embargos ist das Pro u Contra Spiel eine Art Fortsetzung von Ernie und Bert aus der Sesam Street.

    • KD
      Kuksch du
      @Andreas Urstadt:

      Gute Logik, hab ich noch gar nicht bedacht...

  • Wie sieht es denn damit aus, dass auch die USA und Russland ihre Chemiewaffen unter UN-Kontrolle stellen und UN-Inspektoren in wirklich alle Chemiewaffenlager dieser Länder schauen dürfen?

    • M8
      michi 86
      @antares56:

      Ich glaube da hätte der Großteil der Welt nichts dagegen :-D