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Pro und Contra AkoholverbotGehört öffentliches Trinken verboten?

Leute, die in der Öffentlichkeit saufen, grölen und sich manchmal prügeln - kann man das einfach verbieten? Oder gehört das zur Freiheit in einer offenen Gesellschaft daizu? Ein Pro und Contra.

Schon da: Alkoholverbot in der Göttinger Nikolaistraße. Bild: dpa

JA: Ein Sommersonntag in einer emsländischen Mittelstadt. Die Sonne knallt vom Himmel, du gehst übern Platz, von irgendwo duftet Zuckerwatte, tönt Musik – und jetzt kommt, nur beinahe geradewegs ein Jungmann auf dich zu. Direkt vor dir bleibt der Einheimische stehen, so nah, wie sonst dein Lebenspartner, versehentlich berührt seine Bierflasche deine linke Hand, Schweißgeruch und Fahne, „was willsn?!“

Und in einem Schwall kotzt er dir auf die Füße.

Ja, es ist herrlich, das Saufen unterm freien Himmel! So unterhaltsam, so lecker, und es ist ja auch so, dass Alkohol einfach dazugehört, bei uns, das ist so unsere Kultur. Wenn wir feiern, wird gesoffen. Wenn wir trauern, wird gesoffen. Wenn wir glücklich sind, wird gesoffen. Wenn wir uns Scheiße fühlen, wird gesoffen. Wir tolerieren das, wir akzeptieren das, wir fördern das sogar. Und deshalb trinkt knapp ein Drittel der Deutschen riskant viel, so steht’s im Drogen- und Suchtmittelbericht der Bundesregierung, und 40,6 Prozent der Jugend. Und deshalb sterben hierzulande jährlich direkt und unmittelbar an Alkohol nicht drei-, nicht zehn- sondern knapp zwanzigmal so viele Menschen, wie auf der Straße, nämlich 74.000 im Jahre 2012, Meppen plus Papenburg – komplett ausradiert. Und alle Besucher einer Kreuzfahrtschiffüberführung gleich mit.

Die Behauptung, man müsse nur maßhalten, dann könne man sich mit dem Alkohol irgendwie arrangieren, ist die Lebenslüge jedes Suchtkranken: Ich hab’ das im Griff! Und sie ist eine der Lebenslügen der abendländischen Kultur: In keiner ihrer Phasen ist sie der Erfüllung dieses scheinbar so realistischen Vorhabens auch nur nahe gekommen, es sei denn in Personen wie Leo Tolstoi: Alkoholgenuss hat der nämlich als ein „grausames Vergnügen“ verdammt – und folgerichtig die völlige Abstinenz von ihm als richtiges Maß seines Gebrauchs bestimmt.

Zwar, diese einzig vernünftige Position allgemein verbindlich zu machen, ist derzeit aussichtslos. Zu groß wäre der Eingriff in die persönliche Freiheit, sich selbst zu vernichten. Das Vorhaben aber, Alkoholkonsum auch räumlich in die Sphäre des Privaten zurückzudrängen, ist das Mindeste, was Staat und Gesellschaft tun müssen – solange sie behaupten wollen, das hohe Gut der Volksgesundheit ernsthaft zu schützen. Benno Schirrmeister

***

NEIN: Die Kahlschlag-Lösungen haben den Charme des Einfach-Pragmatischen, das macht sie aber nicht besser. Oder, um Tolstoi zu bemühen: Es ist leichter, sich einer Sache ganz zu enthalten, als in ihr Maß zu halten. Vielleicht hat Tolstoi das erst in jener Phase erkannt, als er abends Haferbrei und Milch servieren ließ, egal, den heutigen 16-Jährigen wird es wenig bedeuten. Sicher ist: Die Alkohol-Sperrzonen sollen vor allem Jugendliche von den Innenstädten fernhalten, um deren Bewohnern Ruhe und Schlaf zu sichern.

Das ist ein legitimes Bedürfnis, niemand würde behaupten, dass trunkene Pubertierende die Gesellschaft sind, die man vor seinem Haus wünscht. Unbenommen auch, dass die Jugendlichen früher und exzessiver harte Alkoholika konsumieren, wer seine Alkoholbiographie, ganz wertfrei formuliert, früher mit Bier begonnen hat, steigt heute mit Wodka ein.

Die Frage ist nur, ob Aussperren die konstruktivste Antwort darauf ist.

Sieht man nach, nein nicht nach Skandinavien wo sonst alles immer besser ist, sondern nach Italien, erlebt man eine Alkoholkultur, die den Namen nicht immer aber doch oft verdient. Dort wird Alkohol meist zu den Mahlzeiten konsumiert, in moderaten Mengen und, das ist das Wichtige dabei, oft in der Öffentlichkeit. In Bars, in Restaurants. Jeder kann dabei zusehen – auch die Jugendlichen. Man muss es nicht gleich in den Grundrechtekatalog aufnehmen, aber wünschenswert kann man es doch finden: dass eine Gesellschaft der nächsten Generation zeigt, und zwar auch denen, die es in der eigenen Familie möglicherweise nicht erleben, wie man so mit Alkohol umgehen kann, dass es einem selbst und den anderen zum Vorteil gereicht. So, wie man es sich auch bei Zivilcourage und Rücksichtnahme wünschen würde.

So ein Anschauungsunterricht im öffentlichen Raum ist wirksamer, als all jene Schulprogramme, die sich trotz erwiesener Wirkungslosigkeit hartnäckig halten. Und er schließt anderes nicht aus – ein Verbot für Alkoholwerbung etwa oder eine höhere Besteuerung. Das tut allerdings anderen Interessengruppen weh, die bessere Lobbyarbeit für sich machen als das Volk der Pubertierenden. Und so hält man sich lieber an die Kahlschlag-Lösungen. Mit etwas Glück scheitern sie schon im Vorfeld.  Friederike Gräff

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14 Kommentare

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  • M
    MzumL

    Alkohol ist eine harte Droge die schwer abhängig macht und tötet! Noch fragen?

  • WB
    Wolfgang Banse

    Alkohol auf dem Fussweg trinken,in Parks,in öffentlichenVerkehrsmittel sollte unter sagt werden.

  • J
    Jan

    Kindergarten

    .. wer sich heute über sowas Gedanken macht, der hat das als Jugendlicher wohl nicht mitbekommen oder heute schon alles vergessen. Leben und leben lassen.

     

    Wer sich über die Jugend von heute aufregt, wird alt. (Platon?)

  • N
    Nachbarin

    @ Mirko und Rainer B.: Es wird heute von allen Altersgruppen insgesamt weniger gesoffen als vor ein paar Jahrzehnten, aber das Phänomen "gezieltes Komasaufen - möglichst jedes Wochenende" ist erst um die 10 Jahre alt. Etwa so alt wie die Agenda 2010.

    Wenn man sich mal mit den Jugendlichen unterhält, sagen die meisten, sie würden saufen, um zu vergessen. Und was sie vergessen wollen, ist die Kombination aus dem heute sehr hohen Leistungsdruck in Schule und Ausbildung einerseits und den mangelnden beruflichen Perspektiven (Befristungen, Billigjobs, Praktika, Warteschleifen,...) andererseits.

    Demnach ist ein Verbot so eine Sache: In zynischen Momenten glaube ich, dass ein Verbot die Jugendlichen vielleicht endlich darauf bringt, dass es in ihrer Macht steht, ihre Lage zu ändern, wenn sie sich zu diesem Zweck zusammentun.

    @marco: Ich denke in diesem speziellen Zusammenhang eher: "Eine Suchtberatung für diese Jugendlichen ist wie eine Aspirin bei starken Rückenschmerzen. Wirkt nicht und ignoriert die Ursachen völlig."

  • I
    imhotep

    "Und sie ist eine der Lebenslügen der abendländischen Kultur"

     

    Schlimm wirds wenn etwas, welches sicherlich ein Problem darstellt vorsätzlich geschichtlich falsch eingeordnet ist. Oder sind all saufende Kelten, Germanen, Altägyter, Japaner, Chinesen, Sumerer, Babylonier, Mongolen, Slawen (Liste ließ sich über Seiten fortsetzen)der Geschichte seit neustem Teil der Abendländischen Kultur ??? Selbst Prophet Mohammed soll vor der kollektiven Abstinenz seiner Religion einem guten Tropfen nicht abgeneigt gewesen sein. Sorry, man kann ja darüber diskutieren, ob ein Alkohlverbot in der Öffentlichkeit von Nutzen wäre aber bitte bitte nicht mit solchen Argumenten!

  • RB
    Rainer B.

    Verbote verschäfen das Problem nur unnötig. Ich glaube nicht, dass heute wesentlich mehr gesoffen wird, als früher. Jugendliche neigen in allen Generationen zu Alkoholmißbrauch. Da ist es wichtig, dass fundierte Aufklärung geleistet wird und die Jugendlichen selbst aufeinander aufpassen lernen, wenn Grenzen überschritten werden.

  • DL
    dem lentz

    @Mirko

    es gab in den letzten jahrzehnten einen von gejammer der produzenten begleiteten absatzrückgang dem u.a. mit inovativen produkten begegnet wurde, was aber in summa nicht viel half.

    die normalität mit der noch in den 70-80ern aufm bau,in der produktion oder im büro ein schlückchen genommen ,sprich: gesoffen wurde ist heute undenkbar

    vergleichen sie nur die autofahr-grenzwerte damals und heute

    da hatt natürlich auch die verbreitung von ersatz-rauschmitteln zu beigetragen

    aber nicht nur

    der neo-puritanismus der "schluss mit lustig""leistung muss sich wieder lohnen""wer nicht arbeitet braucht auch nicht essen""geiz ist geil"-geselschaft wiederspricht einfach einem "wenn einem soviel gutes wiederfährt..." asbach-uralt-lebensgefühl

  • DL
    dem lentz

    entsetzliche meinungen

    alle beide

    das recht auf rausch wird wieder mal der moralisch-hochwohllöblichen askese untergeordnet.

    ein erwachsenheitsbegriff der nur als dauerhafte disoziation zu bezeichnen ist der eigenen biografie übergestülpt,

    wodurch die intensivste zeit des lebens nur noch eine peinlichkeit ist ,die man mit dem verständnis dessen was jene die sie gerade durchleben bewegt wegzuwischen versucht.

     

    lebt mal wieder

  • M
    Marco

    Warum sollen die Mehrzahl der LeutINNEN die friedlich was trink ohne jemanden zu belästigen verfolgt werden, auf Grund des Lärms und der Gewalt anderer ?

     

     

    Und gegen Lärmbelästigung und Gewalt gibt es schon Gesetze, die braucht man nicht einführen sondern einfach nur umsetzten.

  • UG
    Ute Gisela

    Wer will zu welchem Zeitpunkt entscheiden, ob es sich um “Kampfsaufen oder Genuss-Trinken” handelt?

    Mit gesetzlichen Regulierungen lassen sich “Alkoholprobleme” bekanntermaßen nicht lösen.

    Belästigungen durch alkoholisierte Menschen werden auch nicht durch Verbote aus der Welt geschafft. Schließlich gehen auch betrunkene Menschen auf die Straße,die sich innerhäusig ihren Rausch zugelegt haben. Im Übrigen gehen Belästigungen und unkontrolliertes Verhalten doch nicht nur von Betrunkenen aus!!!

    Anstelle von Verbots-Debatten braucht's eine gesamtgesellschaftliche Rausch-Kultur-Debatte.

  • EM
    Eric Manneschmidt

    Eigentlich sind beide Artikel gar nicht schlecht. Im Kern sind sich ja sogar beide einig: Kampfsaufen in der Öffentlichkeit mit Belästigung und Gefährdung anderer will niemand haben. Da spricht dann wohl auch nichts gegen ein Verbot.

    Den Schoppen zur Brotzeit dagegen mag man zwar auch ablehnen, kann ihn aber kaum in die selbe Problemkategorie einordnen.

     

    Juristisch wäre wahrscheinlich ein Verbot des öffentlichen Alkoholkonsums sinnvoll, mit dem Durchführungshinweis an die Ordnungsbehörden, einen Konsum, der nach ihrem Ermessen nicht zur Störung der öffentlichen Ordnung geeignet ist, schlichtweg zu dulden.

     

    Was dagegen in der Tat in beiden Artikeln fehlte, ist die Überlegung, welche psycho-sozialen Probleme hinter einem sich offenbar ausbreitenden Phänomen des gewaltsamen Kampfsaufens stehen. Man kann zwar argumentieren, dass das wohl hier den Rahmen gesprengt hätte, aber sowohl Suchtproblematiken an sich wie auch die Frage nach der Art der (wünschenswerten) "öffentlichen Ordnung" lassen sich vernünftig nicht ohne Einbeziehung dieses Hintergrundes diskutieren.

  • M
    Mirko

    Gibt es eigentlich verlässliche Erhebungen, ob das Problem wirklich schlimmer geworden ist oder sich möglicherweise doch nur die Wahrnehmung geändert hat? Besoffene, aggressive Jugendliche gab es doch auch schon als meine Eltern Teenies waren und die Wirtschaft sich ob ihres Erfolges wunderte.

     

    Ein Verbot in der Öffentlichkeit bringt meiner Meinung nach wenig, außer dass das Problem erst dann sichtbar wird, wenn es zu spät ist. Schon jetzt fangen die meisten "heimlich" an zu saufen, also bei privaten Partys ihrer Kumpels statt in Diskos, Gaststätten, etc. Schließlich bekommen sie in der Öffentlichkeit eh nichts mehr. Leichte Alkoholika zum kontrollierterem Einstieg gibt's auch nicht mehr legal, da kann man den 18jährigen Kumpel dann auch gleich Vodka statt Bier holen lassen. Außerdem ist Verbotenes bekanntermaßen ohnehin immer interessanter - wie viele schlechte Horror- und "Erotik"-Fime und dämliche Ballerspiele hätte man als 16jähriger nicht gesehen/gespielt, wären sie nicht "Ab 18" oder gar auf dem Index?

     

    Sinnvoll wäre vielleicht ein komplettes Verbot, so dass auch über Umwege nichts bei Jugendlichen landen kann. Aber können und wollen wir das wirklich? Die Prohibition in den USA lief nicht gerade optimal (und Cannabis kann man trotz Verbot auch in jeder etwas größeren deutschen Stadt riechen...), und in Maßen ist Alkohol auch einfach Genussmittel.

  • SG
    schlechter Gesellschaft

    Hilfe, wir werden amerikanisiert!

  • M
    marco

    Die Fragestellung ist falsch. Das Phaenomen des Saufens bei Jugendlichen ist erst in den letzten 10+ Jahren so exzessiv geworden, und zwar auch in Suedlaendern wie Italien und damit auch das einhergehende soziale Missverhalten. Ausnahme ist England wo das schon immer so war. Womoeglich ist da ein klitzekleiner Zusammenhang zwischen diesem Phaenomen und Jugendarbeitslosigkeit, eine Gesellschaft die mehr und mehr ungerecht wird und perspektivlos und das Ohnmachtsgefuehl dagegen ? Vielleicht auch mit den zunehmend weltweit ausbrechenden Protesten in scheinbar wirtschaftlich besser laufenden Gesellschaften? Selbst die bislang jugendliche Praemisse Intenet wird vom System gehijackt und kontrolliert oder bespitzelt. Ein Verbot ist wie ein Aspirin bei starken Rueckenschmerzen: wirkt nicht und ignoriert die Ursachen voelig.