Pro-Palästina-Bewegung gegen Joe Biden: Politischer Irrsinn

Wäh­le­r*in­nen der Demokraten haben bei den US-Vorwahlen in Michigan „unentschieden“ angekreuzt. Damit entschieden sie indirekt gegen sich selbst.

Jubelnde Menschen mit Palästinensertüchern

Jubel in Dearborn, Michigan Foto: Carlos Osorio/ap

Es ist ein gelungener PR-Move der Pro-Palästina-Bewegung in den USA – aber es ist auch ein Spiel mit dem Feuer. Über 100.000 Wäh­le­r*in­nen der Demokratischen Partei haben bei den Vorwahlen im Bundesstaat Michigan am Dienstag nicht für Präsident Joe Biden gestimmt, sondern ihr Kreuz bei „uncommitted“ gemacht – unentschlossen. Vorausgegangen war eine wochenlange Kampagne, die zu ebendieser Stimmabgabe aufrief, um an der Wahlurne gegen Bidens anhaltende Unterstützung Israels in seinem Militärfeldzug gegen Hamas nach dem Massaker des 7. Oktober des vergangenen Jahres zu protestieren. Biden müsse sich ihre Stimme erst durch eine radikale Änderung seiner Israel-Politik verdienen, hieß es in Aufrufen.

Das ist einerseits ein vollkommen legitimes Mittel des Protestes innerhalb eines Vorwahlprozesses zur Kandidatenkür, der mangels Alternative wenig Artikulationsmöglichkeiten bietet. Und andererseits ist allein die Drohung von linken und erst recht pro-palästinensischen Aktivist*innen, im November Biden ihre Stimme zu versagen und damit womöglich Donald Trumps zum Sieg zu verhelfen, der blanke politische Irrsinn. Es war Trump, der die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte, der Israels Premier Netanjahu zu immer mehr Siedlungsbau ermutigte und gar 2020 einen sogenannten Friedensplan vorlegte, der die Annexion großer Teile des Westjordanlandes durch Israel vorsah.

Ob also die implizite Drohung, Biden riskiere seine Wiederwahl, wenn er nicht mit der einseitigen Unterstützung der israelischen Regierung aufhöre, wirklich ernstzunehmen ist, kann bezweifelt werden. Aber: Wenn die US-Demokrat*innen eines aus ihrer eigenen Geschichte von Wahlniederlagen gelernt haben sollten, dann das: Immer, wenn sie glauben, eine bestimmte Wäh­le­r*in­nen­grup­pe ohnehin fest in der Tasche zu haben, erleben sie eine böse Überraschung. Insofern steckt in der Protestwahl vom Dienstag eine Gefahr – aber auch eine Chance. Denn jetzt ist das Thema klar sichtbar geworden, und noch sind einige Monate Zeit, sich darum zu kümmern.

Ein radikaler Kurswechsel allerdings, etwa die Aufkündigung der diplomatischen Unterstützung Israels im UN-Sicherheitsrat, würde im Hinblick auf die Novemberwahl ebenfalls Gefahr bedeuten: Nichts braucht Biden weniger, als selbst noch einen Mobilisierungsschub für die pro-israelischen rechten Evangelikalen für Trump zu bewirken und gleichzeitig die Unterstützung pro-israelischer jüdischer Wäh­le­r*in­nen­krei­se zu verlieren.

Das personelle Ergebnis der Vorwahlen mag feststehen – politisch aber bleibt es spannend.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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