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Pro-Europäer gewinnt Nordzypern-WahlZypern off the rocks

Kommentar von

Klaus Hillenbrand

Tufan Erhürman will alles, was Erdoğan nicht will: eine EU-Annäherung, engere Beziehungen zur Republik Zypern und vielleicht gar einen vereinten Staat.

Der neu gewählte nordzyprische Tufan Erhürman winkt seinen Anhängern zu Foto: Nedim Enginsoy/ap

I srael und die Palästinenser, die Ukraine und Russland, Pakistan und Indien, nicht zu vergessen Afghanistan, Syrien, Sudan, der Kongo – die Zahl der gewalttätigen Konflikte auf dem Globus ist groß, die Risiken enorm, die Lage verworren. Da wünscht man sich, dass die eingefrorenen Konflikte, bei denen zumindest keine akute Waffengewalt dräut, doch bitteschön im Kühlschrank verbleiben – egal, ob das nun Basken in Spanien oder Briten auf den Falklandinseln sind. Der Wunsch ist nur allzu menschlich; allein, die Protagonisten dieser Konflikte halten sich nicht immer daran. Das kann böse und gute Folgen haben. Hier geht es ausnahmsweise um die guten.

Denn auf Nordzypern, einem türkisch dominierten Anhängsel am Rande der Europäischen Union, haben die Wähler einen neuen Präsidenten gewählt, dessen politische Agenda so gar nicht den Vorstellungen seines großen Bruders Recep Tayyip Erdoğan entspricht. Der türkische Präsident will das international isolierte Nordzypern endgültig in sein Reich eingemeinden.

Tufan Erhürman, der Neue in Nord-Nikosia, will so ziemlich das Gegenteil: eine Annäherung an die EU, bessere Beziehungen zu den griechischen Nachbarn im Süden der Insel – am Ende vielleicht gar einen gemeinsamen Staat. Erhürman widersetzt sich also der nationalistischen Logik Ankaras, setzt auf multilateralen Fortschritt statt auf engstirnige Gefühlswallungen. Diese Haltung hat das Zeug dazu, in einen eingefrorenen Konflikt ein gewisses Tauwetter zu bringen.

Dass in der südöstlichsten Ecke Europas demnächst der Frieden ausbricht, ist deshalb nicht zu erwarten. Zu tief sitzen die gegenseitigen Ängste und Ressentiments. Und zu gewichtig sind die Worte nationaler Gralshüter auf beiden Seiten der zypriotischen Demarkationslinie und in den Mutterländern. Aber ein wenig Normalität auf der Insel wäre schon mal ein guter Anfang – mit Handel ohne Schranken, Fußballspielen in einer gemeinsamen Liga, Leben, wo es gefällt. Selbstverständlichkeiten, so sollte man meinen. Aber nicht am Rande Europas. Noch nicht.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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4 Kommentare

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  • Nun, wenn Erhürman und Christodoulidis sich einigen und beide Teile der Bevölkerung zusammenbringen können, wäre es spannend, was Erdogan dazu sagt. Dem Grunde nach besetzt Erdogan genauso rechtswirdig den Norden Zyperns, wie Putin den Südosten der Ukraine und wie Netanjahu das Westjordanland.

    Sind wir als Weltgemeinschaft nicht in der Lage die Kriegsverbrecher dieser Erde zu disziplinieren? Wozu gibt es die UN, wenn daraus nichts folgt?



    Und hören wir auf Bündnisse zu schließen, wenn wir niemanden hinauswerfen können, der sich nicht an die Regeln hält. Wir hätten den Türken schon 1974 mit dem Rauswurf drohen sollen, als sie völkerrechtswidrig in Zypern eindrangen.

  • Das ist zwar schön dass Herr Erhürman das will, nur, was sollen die Republikzyprioten davon haben?



    Erst wenn die Militärpräsenz der Türkei und die Nachkommen der Invasoren die Insel verlassen, und Zypern endlich seine Gasvorkommen vor der Insel abbauen kann, wird ein Schuh draus.

  • "...,Fußballspielen in einer gemeinsamen Liga,..."



    Das wär auch eine Gute Idee für die EU; ein geeintes!



    Nächste WM?! ;-)

    • @Stag:

      Das wäre das größte denkbare Gegenteil einer guten Idee.