Pro & Kontra: Sind Kaufprämien für E-Autos sinnvoll?
Die Bundesregierung will mehr E-Autos auf die Straßen bringen. Der Verkauf geht schleppend voran, eine Kaufprämie könnte das ändern.
JA
Für Anhänger eines möglichst ökologischen Verkehrs ist ein Plädoyer für Elektroauto-Kaufprämien nicht leicht. Denn eine Welt, die vor allem auf Fahrrad, Bus und Bahn ausgerichtet ist und darum weitgehend ohne Autos mit ihrem hohen Platzbedarf, ihrem Ressourcenhunger und ihrer Unfallträchtigkeit auskommt, wäre natürlich die bessere Lösung. Doch diese ist in Deutschland derzeit leider wenig realistisch – und weltweit erst recht. Wir müssen uns also darauf einstellen, dass es Autos bis auf Weiteres gibt. Die Aufgabe von Verkehrspolitik muss darum sein, dafür zu sorgen, dass diese so umweltfreundlich sind wie möglich.
Vor allem der Klimaschutz zwingt zum Handeln: Damit Deutschland, wie in Paris zugesagt, bis zur Mitte des Jahrhunderts vollständig aus der Nutzung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas aussteigen kann, muss auch der Verkehr komplett klimaneutral werden. Dafür gibt es drei Möglichkeiten: Sprit aus Pflanzen, mittels Strom erzeugte synthetische Kraftstoffe sowie Elektromotoren mit Batterien, die mit Ökostrom geladen werden. Die erste Option ist ökologisch wie ethisch höchst umstritten und im erforderlichen Ausmaß nicht verfügbar; die zweite ist technisch noch nicht ausgereift.
Elektromobilität ist also die derzeit beste Lösung für einen klimafreundlichen Verkehr. Doch wie die meisten neuen Technologien hat sie es schwer, sich am Markt durchzusetzen. Die E-Autos sind derzeit – trotz steuerlicher Vorteile und billiger Antriebsenergie – noch zu teuer, um für Privatleute attraktiv zu sein. Zudem ist die Infrastruktur zum Aufladen unzureichend und das Angebot an Fahrzeugen sehr begrenzt. All das wird sich nur ändern, wenn Elektroautos eine kritische Masse erreichen. Und dazu braucht es einen Anreiz von außen.
Eine Million Elektroautos soll bis zum Jahr 2020 auf deutschen Straßen unterwegs sein, so will es die Bundesregierung. Von diesem Ziel ist sie aber meilenweit entfernt: bislang sind es erst 30.000, viele davon bei gewerblichen Car-Sharing-Anbietern. Für den privaten Durchschnittskunden sind diese Fahrzeuge ein Ladenhüter. Der Grund: zu teuer, zu geringe Reichweite, zu lange Ladezeiten.
Um den Verkauf der Fahrzeuge anzukurbeln, ist nun eine Kaufprämie im Gespräch. 5.000 Euro soll nach dem Willen von SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks jede Privatperson bekommen, die ein reines Elektroautos oder einen sogenannten Plug-in-Hybrid kauft, der teils mit Benzin, teils elektrisch fährt; für Firmen sind 3.000 Euro oder bessere Abschreibungsmöglichkeiten im Gespräch.
Doch dagegen gibt es noch Widerstand – unter anderem vom Finanzminister, der weder Einnahmeausfälle noch Steuererhöhungen zur Gegenfinanzierung akzeptieren will. Am Montagabend soll eine Runde von Staatssekretären aus dem Verkehrs-, dem Wirtschafts-, dem Finanz- und dem Umweltministerium im Kanzleramt zusammenkommen, um über eine Lösung zu beraten; spätestens im Februar soll die vorliegen.Auch die Grünen wollen die Elektromobilität im Straßenverkehr mit einer staatlichen Kaufprämie für die Anschaffung von solchen E-Fahrzeugen fördern. Darüber hinaus soll es nach ihren Vorstellungen besondere Anreize für Busse, Nutzfahrzeuge sowie Taxis und andere Fahrzeugflotten im innerstädtischen Bereich geben. „Die deutsche Autoindustrie muss raus aus der Dieselfalle“, sagte der Co-Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, zur Begründung. Die Grünen wollten weg vom Öl im Straßenverkehr in den nächsten 20 Jahren. (Richard Rother)
Eine zeitlich befristete Kaufprämie ist dafür ein effektives Instrument. Wie sehr die Deutschen sich von staatlichen Geldgeschenken beeinflussen lassen, hat der Run auf die – ökologisch höchst zweifelhafte – „Abwrackprämie“ im Jahr 2009 bewiesen. Und dass Elektroautos gekauft werden, wenn es finanziell attraktiv ist, zeigt sich in Norwegen: Dort entfällt auf Elektrofahrzeuge die 25-prozentige Mehrwertsteuer – mit der Folge, dass inzwischen jeder vierte neu zugelassene Wagen elektrisch fährt.
Eine feste Kaufprämie von 5.000 Euro, wie in Deutschland derzeit diskutiert, ist eine noch bessere Lösung als die Mehrwertsteuerbefreiung. Denn sie verbilligt preiswerte Kleinwagen prozentual stärker als teure Luxuswagen – wobei ohnehin zu diskutieren wäre, ob die von der Förderung nicht ausgenommen werden können. Auch ansonsten kommt es entscheidend darauf an, wie die Prämie gestaltet wird. Bezahlt werden sollte sie nur für Fahrzeuge, die überwiegend elektrisch angetrieben werden – und nicht für Hybridfahrzeuge, bei denen der Elektromotor nur gelegentlich zum Einsatz kommt. Um eine Belastung der öffentlichen Haushalte zu verhindern und zugleich die Kaufprämie wirksamer zu machen, muss sie zudem über eine zusätzliche Belastung fossil angetriebener Fahrzeuge finanziert werden: entweder durch einen Aufschlag auf die Mineralölsteuer oder durch einen Kfz-Steuer-Aufschlag für Spritschlucker.
GegnerInnen von Elektroautos argumentieren oft, dass diese beim derzeitigen deutschen Strommix kaum klimafreundlicher sind als konventionelle Fahrzeuge und dass die Batterieproduktion sehr energie- und ressourcenintensiv ist. Beides stimmt – aber für beides sind Lösungen in Sicht. Der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix wird weiter steigen – und damit auch der Klimavorteil von E-Autos. Und bei Batterien hat es in Sachen Effizienz und Recycling in den letzten Jahren schon große Fortschritte gegeben; je größer der Markt wird, desto mehr wird sich diese Entwicklung verstärken.Eins steht natürlich trotzdem fest: Am ökologischsten ist es, gar nicht Auto zu fahren. Darum darf die Förderung der Elektromobilität kein Ersatz sein für eine Verkehrspolitik, die weg vom Auto führt. Aber eine sinnvolle Ergänzung ist sie allemal. (Malte Kreutzfeldt)
Der Autor ist Redakteur im Ressort Wirtschaft + Umwelt. Er nutzt überwiegend Fahrrad und Bahn, ab und zu aber auch ein Auto.
NEIN
Was geht es den Staat an, wenn sich ein Bürger ein Auto kauft? Mit anderen Worten: Warum sollten gemeinschaftlich erwirtschaftete Steuergelder für den privaten Konsum Einzelner ausgegeben werden? Eine Kaufprämie für Elektroautos bringt weder Gesellschaft noch die Umwelt voran. Denn E-Autos tragen nicht zum Klimaschutz bei, auch wenn die Motoren kein CO2 ausstoßen, keinen Feinstaub und keine Stickoxide in die Luft pusten.
Lassen wir mal kurz die Frage außer Acht, woher der Strom in den Plug-in-Autos stammt, also ob die Autos grünen Strom oder Kohlestrom aus der Steckdose ziehen und dann ja doch CO2-Emissionen verursachen. Denn selbst wenn die E-Autos nur mit Wind oder Sonne fahren, befördern sie nicht den ökologischen Umbau der Wirtschaft. Sie verschleppen vielmehr die notwendige Umstrukturierung der Automobilwirtschaft und verzögern den zukunftsfähigen Ausbau eines umweltverträglichen Verkehrssystems. E-Autos tragen nicht zur angestrebten Dekarbonisierung des Verkehrs bei – sie vergrößern die Probleme.
Die beginnen bei den Konzernen. Die Null-Emissionen der Elektroautos sind ein taktischer Zug der Autohersteller, um die Emissionsvorgaben der EU für den Verbrauch all ihrer Modelle zu erreichen, also ihrer Flotte. Mithilfe der Null-Emission von E-Autos in der Produktpalette wollen sie die Vorschriften der EU über den CO2-Ausstoß für die gesamte Flotte erreichen.
Für jedes CO2-frei fahrende E-Auto in der Produktpalette können VW, BMW und die anderen Autobauer dann mehr PS-starke Geländewagen, Limousinen und Sportwagen verkaufen. Und nur mit großen Autos und starken Motoren verdienen sie Geld. Abgasarme Kleinwagen stärken nicht die Rendite, müssten aber dringend entwickelt werden, um den Massenmarkt mit Zwei-Liter-Autos zu versorgen. Denn nur effiziente Kleinwagen, die niedrige CO2-Grenzwerte einhalten, vereinen individuelle Mobilitätswünsche und die Ziele der Klimapolitik. Die Technik der abgasarmen Verbrennungsmotoren ist weiter entwickelt als die E-Technik.
Mit den Steuermilliarden würde ein energieintensiver Parallelsektor aufgebaut, der zur weiteren Naturzerstörung weltweit beiträgt. Die Batterien und High-Tech-Gimmicks in den Elektoautos verschwenden Ressourcen, die wir für wichtigere Anwendungen brauchen, als damit in der Gegend herumzufahren und von unterwegs in den heimischen Kühlschrank zu schauen, wie Volkswagen kürzlich bei seinem Entwicklungsmodell Budd-e vorstellte.
In Zukunft wird also nicht nur weiter Erdöl in der Arktis gefördert, sondern auch seltene Erden in den letzten unbebauten Gebieten an Land. Wichtigster Bestandteil in den bislang vorherrschenden Batterien ist Lithium und die größten Lithiumvorkommen liegen in der einzigartigen Natur des Altiplano in Bolivien. Die Entwicklung und Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien beherrschen asiatische Unternehmen.
Bleiben wir noch in der Wirtschaft. Die amerikanische Chemieindustrie glaubt auch ohne deutsche Kaufprämie an die Elektromobilität. Für mehr als 6 Milliarden Dollar hat 2014 der US-Chemiekonzern Albemarle die Firma Rockwood übernommen, Weltmarktführer für die Lieferung von Lithium. Bislang gelangt das hauptsächlich in Laptops und Handys, doch bis 2025 rechnen die Unternehmen damit, dass Lithium hauptsächlich in Elektroautos verbaut wird.
Um das in Deutschland voranzutreiben, hat der deutsche Arm von Rockwood in Berlin das Forum Elektromobilität gegründet. Der Lobbyverein veranstaltet regelmäßig alle möglichen Tagungen zur E-Mobilität in Berlin. Dem Unternehmen ist jede Unterstützung aus der Politik recht, auch eine Kaufprämie für E-Autos. Wirtschaftlich ist die eigentlich sogar überflüssig. Die Unternehmensberatung Bain & Company geht davon aus, dass die noch horrenden Preis der Batterien bis 2022 sinken und der Kostenvorteil von herkömmlichen Motoren dann verschwindet. Das ist in sechs Jahren.E-Autos schützen nicht das Klima, sie verzögern die Modernisierung des veralteten Verkehrssystems und sind wirtschaftlich unnötig. Eine Prämie ist reine Geldverschwendung. (Ulrike Fokken)
Die Autorin ist Reporterin der taz. Sie fährt einen abgasarmen Kleinwagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern