Er sollte bleiben. Natürlich, was sonst? Fast alle, die nun seine Demission fordern und DFB-Präsident Reinhard Grindel kritisieren, weil er mit Joachim Löw zur Unzeit eine Vertragsverlängerung bis 2022 verabredet hat, verkennen das analytische, selbstkritikwillige und änderungswillige Vermögen des Coaches. Der sagte richtig nach seiner Rückkehr aus Russland: „Es braucht tiefgreifende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen, und das müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun.“
Jene, die Joachim Löw unsachlich verwünschen und ihn quasi vom deutschen Hof jagen wollen, sprechen in falschen Zungen: Sie sagen „Fußball“ und meinen ganz anderes. Rechtspopulistisches, Lotharmatthäushaftes, Uliborowkadelirierendes. Sie wollen ihn nun abstrafen, weil er den Fußball des Deutschen Fußball-Bundes an seiner Spitze auf eine Weise modernisiert hat, von deren Intensität Politiker wie Christian Lindner, Angela Merkel oder Andrea Nahles vermutlich nicht einmal zu fantasieren vermögen, geschweige denn dies konkret ins Werk setzen würden.
Davon abgesehen, dass Löw sich um übelriechende Wahrnehmungen nach Muster Alexander Gaulands, um sogenannte ethnische Kriterien nie kümmerte und als Spieler zum Einsatz brachte, wer einen deutschen Pass hat und dies auch in der DFB-Nationalmannschaft zur Geltung bringen wollte – hiervon abgesehen gibt es zu Löw auch keine Alternative. Jedenfalls nicht in einer Atmosphäre jener, die den Rücktritt des Trainers ersehnen.
Wovon die weitere Arbeit Löws für den DFB abhängt, ist sonnenklar: dass er neue, erfolgshungrige Spieler rekrutiert und seine Fellows der ersten Jahre, auch Müller, Özil, Khedira und Neuer, in die Hall of Fame schickt, nicht mehr auf den Spielrasen. Allenfalls Mats Hummels sollte er weiter halten wollen – ihn braucht er als Vorbild für die Jungen, Spieler wie Leroy Sané, Jonathan Tah, Jann-Fiete Arp und vor allem Serge Gnabry.
Joachim Löw wird die Revanche suchen, er möge sie bekommen – denn er könnte es. Jan Feddersen
Nein
Deutschland ist nicht wegen, sondern trotz Jogi Löw Weltmeister geworden. Wer stand im Achtelfinale gegen Algerien 2014 im Tor? Manuel Neuer war der einzige Spieler, der an jenem Tag eine Weltklasseleistung abgeliefert und so Deutschland überhaupt die Chance auf das Finale eröffnet hat. Mit jedem anderem Keeper wäre Deutschland ausgeschieden.
Löw nominiert ausschließlich seine Lieblinge. Und das seit Jahren. Wo waren Kevin Kurányi, Stefan Kießling und Alex Meier bei den letzten Endrunden? All diese Spieler wurden Torschützenkönige in der Bundesliga. All diese Spieler wurden von Löw kommentarlos ignoriert. Warum? Es ist offenbar der Charakter eines Spielers, der Löw überzeugen muss, nicht seine sportlichen Fähigkeiten. Max Kruse wurde eine Amerika-Reise zum Verhängnis, Sandro Wagner die Tatsache, dass er eine Meinung besitzt. Löw liebt nun einmal die aalglatten Medientypen wie Marco Reus oder Julian „Sprühstoß“ Draxler, die ganz brav in die Kamera lächeln und alles super finden. Bloß keine Kritik am lieben Jogi üben, ansonsten war es das mit der Nationalmannschaft.
WM 2018: Und raus bist du!
Kroatien ist bei dieser WM genau genommen nicht ausgeschieden. Das Finale haben sie trotzdem mit 2:4 gegen Frankreich verloren. Und Mandzukic (Foto) geht als erster Eigentorschütze in die WM-Geschichte ein.
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Belgien verliert das Halbfinale mit 1:0 gegen Frankreich. Im Spiel um den dritten Platz können die Belgier jedoch punkten: sie gewinnen 1:0 und erklimmen damit das WM-Treppchen. Ein historischer Erfolg.
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Ein zerplatzer Traum: Die letzte WM-Finalteilnahme der Engländer war im Jahr 1966 im eigenen Land. Auch dieses Mal hat's nicht gereicht; die Mannschaft verliert im Halbfinale 2:1 gegen Kroatien. Auch im Spiel um den dritten Platz müssen sie sich geschlagen geben: Belgien gewinnt 1:0.
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Igor Akinfeew, im Achtelfinale gegen Spanien noch Elfmeterkiller, muss diesmal zu oft hinter sich schauen. Dennoch: Das in der Fifa-Rangliste schwächste Team hat sich hervorragend geschlagen, Zeiter in der Gruppe A, Spanien rausgeworfen, gegen Kroatien im Viertelfinale gut mitgehalten. Tolles Heimturnier.
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Weit gekommen, gut verteidigt, Deutschland und die Schweiz rausgeschmissen: Schweden scheitert erst im Viertelfinale mit 0:2 gegen England.
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Brasilien war stark. Aber Belgien war stärker. Das Aus für Neymar und Co kam im Viertelfinale nach einem 1:2.
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Uruguays Torwart Muslera patzt: Frankreich gewinnt das erste Viertelfinale mit 2:0, die Urus (ohne den verletzten Cavani) sind raus. Dennoch: Starker WM-Auftritt von Uruguay. Souverän in Gruppe A gewonnen und ein gutes Achtelfinale gegen Portugal abgeliefert.
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Achtelfinale. England gewinnt gegen Kolumbien. England gewinnt gegen Kolumbien im Elfmeterschießen. Kein Witz. Kolumbien fährt heim.
Die Schweizer können ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden. Emil Forsberg erzielt für Schweden in der 65. Minute den einzigen Treffer des müden Achtelfinales. Michael Lang (Schweiz, Foto) schleicht vom Platz.
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Japan schockt im Achtelfinale die favorisierten Belgier mit einem Doppelschlag nach der Pause: erst Haraguchi, dann Inui (Foto). Doch Belgien kommt zurück und schafft mit einem Tor in der Nachspielzeit den Lucky Punch. Japan muss heimfahren.
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Torhüter Guillermo Ochoa kann dem Ball nur noch entgeistert hinterhergucken - das 2:0 durch den Brasilianer Willian besiegelt das Ausscheiden von Mexiko, das einigen bis dahin als Geheimfavorit gegolten hatte.
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Kroatien setzt zum Jubel an, Dänemark versteift. Erst im Elfmeterschießen konnten sich die Kroaten durchsetzen und treffen im Viertelfinale auf Russland. Dänemark scheidet als starke Defensivmannschaft im Achtelfinale aus.
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Russlands Torwart Akinfeew hält im Elfmeterschießen zwei Elfer, einen von Koke (im Bild). Die sehr defensiv spielenden Russen kommen ins Viertelfinale. Für Spanien, den Weltmeister von 2012, ist im Achtelfinale Schluss.
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Ein schönes, faires, sportliches Bild: Cristiano Ronaldo (Portugal, r.) führt den verletzten Edinson Cavani (Uruguay), der zuvor zweimal getroffen hatte, vom Feld. Wenn es ums Ergebnis geht, ist das Bild spiegelverkehrt. Uruguay ist mit weiter, Portugal scheidet im Achtelfinale nach einer 1:2-Niederlage aus.
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Argentiniens Torwart Franco Armani fliegt umsonst: Benjamin Pavard trifft zum 2:2. Frankreich gewinnt das erste Achtelfinale der WM mit 4:3 und zieht ins Viertelfinale ein. Argentinien ist raus!
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Vorrundenaus: Senegal, 4 Punkte, 4:4 Tore, Gruppe H: einmal gewonnen, ein Unentschieden, einmal verloren. Punkt und torgleich mit Japan. Raus wegen Fairplay: Japan hatte am Ende zwei gelbe Karten weniger. Ganz bitterer Abschied für Senegal.
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Polen, 3 Punkte, 2:5 Tore, Gruppe H: Seit 12 Jahren hat Polen mal wieder an einer WM teilgenommen, die Erwartungen der Fans waren hoch. Aber Robert Lewandowski und seine Mitspieler lieferten nicht.
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Panama, 0 Punkte, 2:11 Tore, Gruppe G: Panama hatte bei seiner ersten WM nicht das größte Glück, mit Belgien und England als Gruppengegner. Aber: Die Mittelamerikaner haben ihr erstes WM-Tor geschossen – gegen England! Gegen Tunesien hätte es fast noch zu einem Punkt gereicht. Fast.
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Tunesien, 3 Punkte, 5:8 Tore, Gruppe G: Tunesien war neben Marokko das einzige Außenseiterteam, das versuchte, offensiv zu spielen. Auffällig war, dass die Tunesier am Anfang (Minuten 0 bis 10) und am Ende des Spiels (85. Minute bis Ende der Nachspielzeit) schwach waren. Nach einem knappen Sieg gegen Panama schieden sie aus.
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Deutschland, 3 Punkte, 2:4 Tore, Gruppe F: Schland unter, das war's. Der amtierende Weltmeister und Gruppenfavorit verliert gegen Mexiko und Südkorea und scheidet damit in der Vorrunde aus. Verdient.
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Südkorea, 3 Punkte, 3:3 Tore, Gruppe F: So sehen glückliche Verlierer aus. Trotz WM-Aus kann sich Südkorea über ein verdientes 2:0 gegen Deutschland freuen. Die Südkoreaner scheiden als Gruppendritter vor Deutschland aus dem Turnier aus.
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Costa Rica, 1 Punkt, 2:5 Tore, Gruppe E: Im letzten Spiel sicherte man sich knapp noch einen Punkt. Geholfen hat es nicht: Das Team muss nach der Vorrunde nach Hause fahren.
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Serbien, 3 Punkte, 2:4 Tore, Gruppe E: Zuletzt traf Serbien 2014 in einem Freundschaftsspiel auf Brasilien – und gewann mit 1:0. Vier Jahre später verlieren die Serben 0:2. Damit sind sie raus aus dem Turnier.
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Island, 1 Punkt, 2:5 Tore, Gruppe D: Island ist das Team, dass irgendwie jeder mag. Die Isländer spielen körperbetont, aber nicht unfair und sie agieren als Team. Bei ihrer ersten WM-Teilnahme konnten sie zwar nicht in die K.o.-Phase vordringen, aber sie haben mit drei guten Partien gegen starke Teams eine gute Premiere hingelegt.
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Nigeria, 3 Punkte, 3:4 Tore, Gruppe D: Ach ja, Nigeria. Es ist in den letzten vier Weltmeisterschaften immer dasselbe: Man ist mit den Argentiniern in der Gruppe, um knapp an ihnen zu scheitern.
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Australien, 1 Punkt, 2:5 Tore, Gruppe C: Australien hat in dieser WM mal wieder überrascht. Aufgrund ihres Kaders, der größtenteils mit Spielern aus zweitklassigen Ligen besetzt ist, wurden die Australier mehr oder weniger abgeschrieben. In einer schweren Gruppe konnten sie aber mit jedem Gegner mithalten – fast.
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Peru, 3 Punkte, 2:2 Tore, Gruppe C: Peru hat die leidenschaftlichsten Fans der WM – eine riesige WM-Euphorie. Im letzten Spiel zeigten die Peruaner dann, wie stark sie wirklich sind und besiegten Australien mit 2:0.
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Marokko, 1 Punkt, 2:4 Tore, Gruppe B: Marokko ist der Pechvogel der WM. Gegen Iran verlor man wegen eines Eigentores in der 95. Minute. Marokko hat außerdem, im Gegensatz zu vielen Underdogs, das ganze Turnier über versucht, offensiv zu spielen. Gegen Portugal und Spanien war das Team durchaus ebenbürtig.
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Iran, 4 Punkte, 2:2 Tore, Gruppe B: Der Iran hat bei der WM positiv überrascht. Besonders beeindrucked war, dass die Iraner sich von Spiel zu Spiel verbessert haben. Sie brachten sowohl Spanien als auch Portugal ins Schwitzen.
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Ägypten, 0 Punkte, 2:6 Tore, Gruppe A: Auch Ägypten stellte einen Rekord auf. Im Tor vertraute das Team auf den ältesten Spieler der WM-Geschichte, den 45-jährigen Torwart El-Hadary. Ansonsten bot Ägypten ohne Mohamad Salah im 1. Spiel gegen Uruguay offensiv nichts, Salahs zwei Tore in den anderen Spielen halfen auch nicht mehr.
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Saudi-Arabien, 3 Punkte, 2:7 Tore, Gruppe A: Saudi-Arabien hat einen speziellen Rekord aufgestellt. Mit 5:0 erlitten die Saudis eine der härtesten Eröffnungspleiten der WM-Geschichte. Trotzdem sind sie nicht so schlecht aufgetreten wie erwartet.
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Doch es ist nicht nur Löws katastrophale Kaderbesetzung, die ihn zu einem schlechten Trainer macht. Er kann nicht einmal taktisch was erreichen: 28. Juni 2012, Warschauer Nationalstadion, erinnern Sie sich? Löws grandiose Idee, Andrea Pirlo im Halbfinale einer Europameisterschaft zu doppeln, war der Schlüssel zur Niederlage gegen Italien. Ein anderes Beispiel ist das verlorene Spiel gegen Mexiko im ersten Gruppenspiel dieser WM: Kimmich wurde in die Offensive geschickt, sodass Deutschland mit drei Verteidigern agierte. Das Ganze gegen eine Mannschaft, die mit Carlos Vela und Hirving Lozano die zwei schnellsten Spieler der WM in den eigenen Reihen hat. Und was war eigentlich los im Spiel gegen Korea, als mit Goretzka ein defensiver Mittelfeldspieler rechts außen spielte?
Löw sollte sich lieber mit den Stärken der Gegner befassen, als seinen Oberarm aufzupumpen. Aber in Zukunft bitte nicht mehr als Bundestrainer. Jaris Lanzendörfer
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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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