Pride in Budapest: Bis zu 200.000 Menschen trotzen Orbán
Der Regierungschef Ungarns wollte die Pride in diesem Jahr verbieten. Das gelang ihm nicht: Allein 70 EU-Abgeordnete nehmen an der Parade teil.

Eine genaue Schätzung sei schwierig, „weil noch nie so viele Menschen bei der Budapest Pride waren.„Der Deak-Platz im Zentrum sei bereits mit Menschen gefüllt, berichtete das Nachrichtenportal telex.hu, viele schwenkten Regenbogenfahnen. Die Demonstration für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, Trans- und queeren Menschen (LGBTQ) zieht den Plänen zufolge über eine Donaubrücke auf die Budaer Seite der ungarischen Hauptstadt.
Die diesjährige Pride steht im Zeichen einer Machtprobe zwischen dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán sowie der liberal regierten Hauptstadt Budapest. Die von Orbáns Leuten kontrollierte Polizei untersagte die Veranstaltung, weil diese nach ihrer Auffassung gegen das jüngst novellierte Versammlungsgesetz verstößt. Das Gesetz ermöglicht nun das Verbot von Kundgebungen, wenn sie sich gegen den „Kinderschutzes“ richten.
Der liberale Budapester Oberbürgermeister Gergely Karacsony hatte jedoch die diesjährige Pride zu einer Veranstaltung der Stadt Budapest erklärt. Eine solche unterliegt nicht dem Versammlungsgesetz. Auf dessen Grundlage könne die Parade auch nicht verboten werden, ist der Standpunkt der Budapester Stadtverwaltung und der Pride-Organisatoren.
Orbán hatte am Freitag versucht, Befürchtungen über Polizeigewalt gegen Teilnehmer zu zerstreuen und zugleich rechtliche Konsequenzen angekündigt. Teilnehmern der Veranstaltung droht eine Geldstrafe von bis zu 500 Euro. Den Organisatoren der Veranstaltung könnte eine einjährige Freiheitsstrafe drohen. Rechte Gruppen haben zudem Gegenproteste angekündigt. Es wird davon ausgegangen, dass die Polizei möglichst viele Teilnehmer der aus ihrer Sicht illegalen Kundgebung anzeigen wird. Dabei könnte auch Gesichtserkennungs-Software zum Einsatz gelangen.
Zu dem Umzug werden dennoch zehntausende Teilnehmer erwartet. Angekündigt haben sich auch rund 70 Europaabgeordnete, zahlreiche Diplomaten sowie die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, Hadja Lahbib.
Glucksmann: EU muss Druck auf Orbán erhöhen
Schon im Vorfeld der Pride-Parade in Budapest hat der französische Europaabgeordnete Raphaël Glucksmann die Europäische Kommission und die Staats- und Regierungschefs der EU aufgefordert, den Druck auf den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zu erhöhen. Orbán „hat verstanden, dass er sich alles erlauben kann“, sagte Glucksmann am Samstag in Budapest.
Orban habe erlebt, „dass er über uns hinweg laufen kann und dass es ohnehin keine Reaktion geben wird und dass man ihm jedes Mal verzeihen und das Spiel der Verhandlungen mit ihm von vorne beginnen wird“, sagte Glucksmann. An einem bestimmten Punkt müsse „Stopp“ gesagt werden, betonte der Europaabgeordnete. Er wünsche sich von der Europäischen Kommission und den EU-Staats- und Regierungschefs, „dass sie alles tun, um den Druck zu erhöhen (…) und dafür zu sorgen, dass Orbans Regierung die europäische Konstruktion nicht mehr blockieren oder zerstören kann.“
Solidarität aus Partnerstadt Frankfurt am Main
Die Stadt Frankfurt am Main hat am Samstag auf der Budapest Pride ihre Unterstützung für die ungarische Queer-Community bekundet. „Wir akzeptieren nicht, dass die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte für Freiheit, Vielfalt und queere Sichtbarkeit zurückgedreht werden“, sagte Stadtrat Wolfgang Siefert. Siefert hält sich auf Einladung des Budapester Bürgermeisters Gergely Karácsony und stellvertretend für Oberbürgermeister Mike Josef zurzeit in der ungarischen Hauptstadt auf.
Frankfurt am Main und Budapest verbindet seit 1990 eine Städtepartnerschaft. Auch andere Partnerstädte seien mit offiziellen Vertretungen vor Ort, so Siefert, der Mobilitätsdezernent der Stadt Frankfurt am Main.
„Unsere Unterstützung gilt all jenen, die sich mutig für diese Werte einsetzen – insbesondere dem Budapester Bürgermeister, der sich offen gegen Viktor Orbán stellt“, fügte Siefert hinzu: „Indem er den verbotenen Pride-Marsch kurzerhand zur städtischen Veranstaltung erklärte, die keiner Genehmigung bedarf, hat er ein starkes Zeichen gesetzt.“ Die Veranstalter hatten vor Beginn mit Gegendemonstrationen und Störversuchen rechter Gruppierungen gerechnet.
Bei Pride-Paraden demonstrieren Menschen für die Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, Trans- und queeren Menschen (LGBTQ). In Frankfurt findet der Christopher Street Day (CSD) in diesem Jahr vom 17. bis 20. Juli statt. Das Event erinnert an einen Aufstand der Homo- und Transsexuellen-Community im New Yorker Stadtteil Greenwich Village im Umfeld der Bar Stonewall Inn in der Christopher Street, der am 28. Juni 1969 begann. Auslöser waren wiederholte Polizeikontrollen, Übergriffe und anhaltende Diskriminierung.
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