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Pride-Demo in BerlinLaut und bunt und stolz

Tausende demonstrierten am Samstag für die Rechte von queeren Menschen: „Pride Berlin“ versteht sich auch als politischer Gegenentwurf zum CSD.

Bunt und queer ist die Zukunft: Szene von der Pride-Demo am Samstag in Schöneberg Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Berlin taz | Allen voran waren es Georgina Leo St Laurent und ihr House of St Laurent, die den alternativen CSD am Samstag ausgesprochen politisch machten. 10.000 Leute waren den Veranstalten zufolge dazu gekommen, 3.500 zählte die Polizei.

„Schwarz, queer, stolz“, stand auf einem der knalligen Schilder, die die Choreografin und ihre Tanzgruppe mit zur LGBTI*-Demo gebracht hatten. „Black trans lives matter“, auf einem anderen.

Das House of St Laurent steht für den Tanzstil des Voguing und die Ballroom-Kultur. Schon bevor sich am 28. Juni 1969 Schwule, Lesben und trans Personen – insbesondere of color – in der New Yorker Christopher Street der Staats- und Polizeigewalt widersetzten und damit dem CSD als Ursprung dienten, boten die Ballrooms diesen Ausgegrenzten Schutzräume. Den von Obdachlosigkeit bedrohten Queers gaben die „Houses“ ein Zuhause, den von der Familie Verstoßenen „Mothers“. Und das Voguing gab jenen Anerkennung und Schönheit, denen draußen Abscheu und Gewalt entgegenschlug.

Die gebürtige Düsseldorferin St Laurent brachte das Voguing 2011 von einem Kurs aus New York mit nach Deutschland, dann in die Uferhallen im Wedding. Und nun auf den CSD.

„Uns ist die Intersektion wichtig“, erklärt St Laurent der taz am Nollendorfplatz, wo wenig später um 12 Uhr der Demozug starten sollte. Damit meint sie die Mehrfachdiskriminierung, die Schwarze und Queers of Color betrifft. Auch wolle das Ensemble an die Aktivist*innen Marsha P. Johnson und Sylvia Riviera erinnern, die im CSD-Narrativ oft übersehen würden, so St Laurent.

Am Samstagnachmittag auf der Pride Berlin Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Die Frage ist: „Whose Streets?“

Immer wieder war die Gruppe dann in der Demo mit der Frage „Whose streets?“ zu hören. Nur um aus der Menge die schallende Antwort „Our streets“ zu bekommen. Dem Black-Lives-Matter-Ruf „No justice!“ folgte lautstark die Antwort „No peace!“. Vermehrt waren am Samstag Regenbogenfahnen zu sehen, die um Braune und Schwarze Streifen ergänzt waren.

Jedoch, die Anliegen der Bewegung gegen rassistische (Polizei-) Gewalt, die fast zeitgleich auch am Großen Stern auf die Straße getragen wurden, waren nur einer der Forderungskomplexe am CSD. Die Veranstaltenden um Nasser El-Ahmad herum wiesen von einem der nur zwei Demo-Wägen auf weitere Ansprüche hin. Die Politik müsse in der Krise queere Treffpunkte erhalten, endlich das Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben aufheben, Regenbogenfamilien endgültig rechtlich gleichstellen, volle Selbstbestimmung für trans Personen gewährleisten und die Diskriminierung aufgrund sexueller Identität grundgesetzlich verbieten.

Im 30 Jahr der deutschen Einheit überschritt der CSD am Potsdamer Platz nicht nur erstmals die geografische Grenze von West- nach Ostberlin, sondern forderte auch die Sichtbarmachung der schwul-lesbischen Geschichte in der DDR. Die ostdeutsche Aktivistin Anette Detering rief ihren lesbischen Schwestern, die unter anderem im Dyke*-March-Block liefen, zu: „Zeigt euch!“.

Allianz mit polnischen Queers

Das Bild spricht für sich: auf der Pride-Demo am 27. Juni 2020 in Berlin Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Deutlich zeigte sich am Samstag auch der Protest polnischer Queers. Nicht nur die symbolträchtige Regenbogenmadonna von Częstochowa wurde mitgetragen, auch Schilder mit Slogans wie „Polish, pervert & proud“ oder „Stop sexual Apartheid! Gegen LGBTTIQ*-freie Zonen“ richteten sich gegen die gesellschaftliche und politische Repression von Queers im Nachbarland.

Generell hielten die Demonstrierenden das Infektionsrisiko durch Abstandhalten klein. Wo sich die Demoroute verengte, wurde vielfach ein Mund- Nasenschutz aufgesetzt. Doch nicht nur die Polizei, auch die Müllwerker*innen der BSR zeigten sich nach der zweistündigen Demo zufrieden. Bei einer Zigarette lobten sie der taz gegenüber, dass es keinen Verkaufsstände entlang der Strecke und somit weit weniger Abfall auf der Straße gegeben hätte.

Der neue, alternative CSD endete auf der Karl-Liebknecht-Straße mit gellenden Schreien. Das feministische Kollektiv De Nadie beerdigte hier symbolisch die getöteten lesbischen bzw. trans Frauen, die es in Chile zu beklagen gibt. In Müllsäcke gehüllte Puppenkörper hatten sie vom Nolledorfplatz bis hier her getragen. In ihrem Statement hallte auch der Schwarze Protest wieder: „Without justice there is no pride.“

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