Pressefreiheit in Turkmenistan: Mehr oder weniger für'n Arsch
Für turkmenische Beamte ist ein Abo von Staatspropagandablättern Pflicht. Nun dürfen sie diese zudem nicht „zweckentfremden“ – zum Beispiel als Klopapier.
Stellen Sie sich folgendes vor: Sie leben in einem Land, in dem es ausschließlich staatliche Medien gibt. Und diese, immer noch gedruckt natürlich, sind so gut wie nachrichtenfrei (das toppt sogar die Prawda zu Sowjetzeiten), huldigen dafür jedoch in allen nur erdenklichen Facetten der herrschenden Familiendynastie. Die Rede ist von Turkmenistan – einer ehemaligen Sowjetrepublik mit rund sieben Millionen Einwohner*innen und einem der abgeschottetsten Staaten weltweit.
Tagtäglich werden die Menschen mit den neuesten Heldentaten des aktuellen Staatschefs Serdar Berdimuhamedow traktiert, der von seinem Vater Gurbanguly 2022 die Amtsgeschäfte übernahm. Berdimuhamedow senior bestimmt jedoch nach wie vor die Politik und zelebriert einen Personenkult, der immer absurdere Formen annimmt.
Das kommt auch in einem Erlass zum Ausdruck, wie Staatsbedienstete seit vergangenem Januar mit gedruckten Presseerzeugnissen umzugehen haben. Die Staatsdiener – sie sind genauso wie übrigens auch Student*innen gezwungen, die gehaltvollen Medien zu abonnieren – müssen eine Erklärung unterschreiben. Darin verpflichten sie sich, Zeitungen und Zeitschriften mit Fotos der „Familie“ zu Hause aufzubewahren, nicht „zu verschmutzen“ und nicht zweckentfremdet zu verwenden.
Jetzt geht Angst um
Die Behörden denken gerade darüber nach, die entsprechenden Seiten mit QR-Codes zu versehen, die es Angehörigen der Sicherheitsdienste ermöglichen soll, etwaige Sünder dingfest zu machen. Das berichtet der turkmenische Dienst von Radio freies Europa: Radio Ozodlik.
Damit wird den Turkmen*innen noch das letzte Quäntchen Pressefreiheit genommen. Denn die Staatspresse erfreute sich durchaus einiger Beliebtheit, da vielfältig anderweitig verwendbar. In den Regenmonaten diente sie beispielsweise dazu, Schuhe auszukleiden. Auch der Einsatz als Toilettenpapier und um ein Feuer anzuzünden waren gängige Praxis.
Doch mit einem derart kreativen Umgang, der häufig auch der weit verbreiten Armut der zu großen Teilen mangelernährten Bevölkerung geschuldet ist, dürfte es vorbei sein. Noch dazu geht jetzt Angst um.
Schlimmer geht’s nimmer – doch!
„Wir fürchten uns, die Kinder zu Hause die Zeitungen anfassen zu lassen. Wenn ein Kind versehentlich ein Foto des Präsidenten zerreißt oder wegwirft, könnte uns das unseren Job kosten“, zitiert Radio Ozodlik einen Angestellten aus der westturkmenischen Region Balkan welaýaty, der aus Sicherheitsgründen seinen Namen nicht nennen möchte.
Die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF) führt Turkmenistan in ihrem Index für Pressefreiheit von 2024 auf Rang 175 von 180 möglichen Plätzen. Das Ranking ist seit Jahren stabil. Daran hat sich auch mit dem Amtsantritt von Serdar Berdimuhamedow nichts geändert, ja mehr noch: Der Druck auf Journalist*innen wurde weiter verstärkt. Medien sind gehalten, staatliche Propaganda sowie ein möglichst positives Bild von Turkmenistan zu verbreiten. Dabei verbietet ein Gesetz von 2013 ausdrücklich Zensur.
Kritische Medienmacher*innen – einige sind ins Exil gegangen –, die sich dem Diktat versuch(t)en zu widersetzen, waren und sind von Verfolgung, Inhaftierung und Folter, ja mitunter vom Tod bedroht. Wie heißt es so schön: Schlimmer geht’s nimmer. Der Fall Turkmenistan zeigt: Von wegen, das geht.
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