Pressefreiheit in Mexiko: Sicherheitskräfte sind die Gefahr
In Mexiko findet alle zwölf Stunden ein Übergriff auf Medienschaffende statt. Die Täter*innen sind meist so genannte Sicherheitskräfte.
Acapulco am Dienstag vergangener Woche, 19 Uhr: Polizisten stoppen den Journalisten Jacob Morales, inspizieren exzessiv sein Auto, fotografieren ihn, den Wagen und die Nummernschilder. Für einen mexikanischen Reporter gehören solche Schikanen zum Alltag. Morales, der sich mit Menschenrechten, Korruption und Kriminalität beschäftigt, kann nach der Kontrolle weiterfahren.
Dennoch hat er Grund zur Angst: Wo werden die Informationen landen? Mit wem arbeiten die Beamten zusammen? Bereits vor vier Jahren musste er die Touristenstadt am Pazifik vorübergehend verlassen, weil er massiv bedroht worden war.
Schon lange zählt Mexiko mit Syrien, Afghanistan und dem Irak zu den gefährlichsten Ländern für Medienschaffende. Über 140 Journalist*innen wurden seit 2000 ermordet, alle zwölf Stunden findet ein Übergriff auf Pressevertreter*innen statt. Weil die Taten selten strafrechtlich verfolgt werden, ist in den meisten Fällen nicht bekannt, wer dahinter steckt.
Nun hat der Menschenrechtsbeauftragte der Regierung, Alejandro Encinas, jedoch einen deutlichen Hinweis gegeben: Es sei „besonders alarmierend“, dass das größte Risiko für Journalist*innen von Sicherheitskräften ausgehe, die auf kommunaler Ebene mit kriminellen Gruppen kooperierten, sagte er bei der Vorstellung eines Berichts über Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger*innen und Medienschaffende.
Zwischen 40 und 50 Prozent der Aggressionen gegen Journalist*innen gehen demnach von Beamt*innen aus. Fast die Hälfte der Angegriffenen hätten sich mit Themen im Bereich Politik und Kriminalität beschäftigt.
„Besonders gefährlich leben jene, die in kleinen Gemeinden die korrupten Verbindungen zwischen Politikern, Polizisten und der organisierten Kriminalität aufdecken“, sagte Ignacio Rosaslanda vom Journalistennetzwerk Periodistas de a Pie (PdP) der taz.
Dem Menschenrechtsbeauftragten Encinas zufolge starben 47 Reporter*innen eines gewaltsamen Todes, seit Präsident Andrés Manuel López Obrador im Dezember 2018 sein Amt übernommen hat. Das würde bedeuten, dass in dieser Zeit durchschnittlich noch mehr Medienleute ums Leben kamen als zuvor, obwohl der als links angesehene Staatschef mehr Sicherheit für Journalist*innen versprochen hatte.
Zu wenig Geld für das Schutzprogramm
Organisationen für Pressefreiheit wie Reporter ohne Grenzen und Artículo 19 geben jedoch geringere Zahlen an. „Wir gehen etwa von 22 Todesopfern in diesem Zeitraum aus“, sagte Leopoldo Maldonado von Artículo 19 der taz. „Der Unterschied erklärt sich dadurch, dass wir nur die Ermordeten registrieren, von denen definitiv sicher ist, dass sie aufgrund der Ausübung ihres Berufs umgebracht wurden.“
Wie Encinas betont auch Maldonado, dass die anhaltenden Morde dem hohen Maß an Straflosigkeit geschuldet seien. 89,37 Prozent der in dem Bericht erwähnten Todesfälle wurden nicht juristisch verurteilt. Kommt es doch zu einer Strafe, landen meist nur die unmittelbaren Täter*innen, etwa die Todesschützen, hinter Gittern. Die Hintermänner bleiben straffrei.
Der Reporter Morales befindet sich seit Jahren in einem staatlichen Schutzprogramm, in das derzeit 136 Journalistinnen und 359 Journalisten eingebunden sind. Überwachungskameras, Nottelefone und Bodyguards sollen gefährdete Journalist*innen schützen. Viele wurden dennoch Opfer von Angriffen. Auch Morales rief umsonst Beamt*innen an, als er in die Kontrolle geriet. Niemand kam.
„Es fehlt noch immer am politischen Willen der lokalen Behörden, die oft selbst die Täter sind“, erklärt Maldonado. „Zudem steht für das Schutzprogramm zu wenig Geld und Personal zur Verfügung.“
Manche Journalist*innen gäben angesichts der Gefahren ihre Arbeit auf oder übten Selbstzensur, sagt PdP-Sprecher Rosaslanda. „Andere verlassen ihre Heimat.“ Sein Netzwerk hat eine Mexikoweite Allianz mit lokalen Kolleg*innen aufgebaut, damit die Reporter*innen woanders und unter sichereren Bedingungen veröffentlichen können. „Aber einen wirklich sicheren Ort gibt es nicht“, betont er.
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